Ackergäule, Rennpferde und die Beratungsbranche

Kennen Sie das? Da spricht ein Mensch zu Ihnen, der vieles kritisiert und die Meinung vertritt, er oder sie wüsste, wie man es besser machen könnte? Und in vielen Worten werden die Gegenstände und ihre Dysfunktionalitäten erklärt und ganz zum Schluss kommt dann die Formulierung: Aber mich fragt ja keiner! 

Eine solche Situation haben wir sicherlich alle schon einmal erlebt und, ehrlich gesagt, hinterlässt sie immer auch ein Schmunzeln. Denn dass man, auch wenn man glaubt, man wisse es besser, nicht gefragt wird, hat in der Regel damit zu tun, dass man selbst nicht in der Verantwortung steht, aus der die gegenwärtige Situation resultiert. Warum das so ist, sollte sich jeder oder jede selbst fragen. Für gesellschaftliche Zustände ist es jedoch von keiner Relevanz.

Viel interessanter ist, dass diejenigen, die in besagter Verantwortung stehen, durchaus sehen, dass sie in dem einen oder anderen Fall Hilfe benötigen. Und es existiert eine Branche, die in solchen Fällen ihre Dienste offeriert. Es ist die der Beratung. Und sie hat sich ausdifferenziert spezialisiert auf Wirtschaftsunternehmen, Organisationen unterschiedlichster Art und die Politik. 

Dass es in dieser Branche nicht nur unterschiedliche Qualitäten gibt, ist so normal wie in jedem anderen Segment, in der Arbeitsleistung erbracht wird. Dass dort U-Boote herumfahren, die unter der Flagge Beratung Lobby-Interessen durchzusetzen versuchen, ist bekannt. Und dass die unterschiedlichen Beratungsunternehmen auch mit sehr unterschiedlichen Denkansätzen unterwegs sind, kann sogar als Bereicherung angesehen werden. Und wenn Beratungsunternehmen kompetent sind und sich während eines solchen Prozesses immer ihrer Rolle bewusst sind und darauf achten, dass sie dieser treu bleiben, dann kann ein solches Engagement sehr hilfreich sein und helfen, bestimmte Probleme zu lösen. 

Entscheidend ist meines Erachtens die Frage, ob die angefragte Beratung sich gleich daran macht, die Produkte eines Unternehmens oder die Inhalte einer Politik zu beeinflussen oder ob sie sich darauf konzentrieren, die Akteure Vorgehen wie Ausrichtung selbst bestimmen zu lassen und ihnen bestimmte methodologische, soziale, kommunikative und strategische Werkzeuge in die Hand geben und ihnen helfen, diese anzuwenden. Bei letzterem, so mein Rat, im Falle dass mich jemand fragen sollte, sind die Hilfe und Unterstützung Suchenden gut beraten. Im ersten Fall, so mein Rat, geleiten Sie die Anbieter persönlich und in aller Höflichkeit direkt zum Ausgang und wünschen ihnen alles Gute.

Da wir uns in Zeiten befinden, in denen die Branche der Beratung sehr gefragt ist, ist es sinnvoll, sich genau anzuschauen, wer aus diesem Segment wo unter Vertrag steht und ob die eingesetzten Mittel tatsächlich zu einem Ziel führen. Was festzustellen ist, sind erhebliche Defizite in den Zentren der Verantwortung, die nichts zu tun haben mit den Zielen und Ausrichtungen, sondern in der Analyse des Bestehenden und der handwerklichen und methodischen Vorgehensweise. Da dümpelt vieles dahin. 

Und, zu dieser Erkenntnis bedarf es keines Beratungsunternehmens, sondern da reicht es, auf den Erfahrungsschatz des kollektiven Bewusstseins zurückzugreifen. Man kann aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen. Und bei denen, die das wissen, ist das alles andere als despektierlich gemeint.

Das heißt, wenn irgend jemand fragen sollte: Was sind die Stärken, mit denen wir identifiziert werden und die wir erhalten müssen, um Selbstwert und Identifikation wie Kraft bewahren zu können? Wo hakt es, wo ist zwar vieles vorhanden, was gut läuft, aber wo müssen wir da nacharbeiten? Des Weiteren, auf welchem Feld verkünsteln wir uns, bringen nichts so richtig zustande und vergeuden Ressourcen und sollten einen Schlussstrich ziehen? Und letztendlich, welche Ideen haben wir für die Zukunft und was müssen wir tun, um dahin zu kommen?

Diese vier Fragen gehören zusammen. In der angesprochenen Branche nennt man so etwas eine Portfolio-Analyse. Gut aufgestellte Organisationen wenden diese in bestimmten Intervallen immer wieder an. Hilfe dabei zu holen, kann nie falsch sein. Das alles zu ignorieren schon. 

Ungefragt zu Papier gebracht. 

2 Gedanken zu „Ackergäule, Rennpferde und die Beratungsbranche

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  2. alphachamber

    Die Qualitaet von Beratern scheint nach Branchen sortierbar. Es gibt Branchen, die ohne die Hilfe speziell ausgebilder und erfahrener Dienste kaum auskommen (z.B. im Sicherheitsbereich und IT-Fachleute. Am anderen Ende finden sich z.B. „Peronalberater“ und „Coaches“ – die Taschenspieler ihrer Branche… 🙂 Meist fungieren „Consultants“ nur als Rueckendecking eines unfaehigen Managements.

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