Seit dem sich in den Nüstern der EU-Politiker die Ahnung verbreitete, dass nicht alles so vereinigend verlaufen würde wie geplant, wurde der Slogan vom Europa der Regionen ins Leben gerufen. Damit war eine stärkere kulturelle Autonomisierung gemeint, d.h. mehr Folklore in den Regionen und mehr Fiskus und Exekutive in Brüssel. Doch es verlief anders. Aus guten Gründen weigerten sich die Nationalstaaten, generell Hoheitsrechte abzugeben in einem Tausch gegen unverbindliche Kulturfestivals. Was mit dem Europa der Regionen bewusst nicht gemeint war, war die Anerkennung von Regionen, die sich von einzelnen Mitgliedstaaten vereinnahmt fühlten, zu eigenen Staatsgebilden. Beispiele dafür gab und gibt es, aber genau dort setzte eine Diskussion ein, die weit über das Ressentiment hinaus so viel Klugheit besaß, dass sie als unrealistisch wahrgenommen wird.
Etwas anderes sind separatistische Bewegungen in einzelnen Nationalstaaten, die vordergründig auf eine kulturelle Autonomie pochen und sehr verklausuliert auf eine Entsolidarisierung abzielen. Die markantesten Beispiele hierfür sind die Lega Nord in Italien und die Bewegung für ein unabhängiges Katalonien in Spanien. Letztere ist die wohl radikalste und besitzt eine Art Vorreiterrolle für eine Entwicklung, die dann endgültig für die Abwicklung der EU stehen wird.
Nicht, dass die Katalanen nicht etwas hätten, was sie von den Menschen in Kastilien, Andalusien, im Baskenland, in Galizien, oder Exremadura unterschiede, zumindest ihr vulgärlateinischer Dialekt, der in vielen Häfen des Mittelmeeres als lingua franca verbreitet ist. Das größte Alleinstellungsmerkmal ist wirtschaftlicher Erfolg, der mit Handel und Industrie zusammenhängt und historisch bedingt ist. Eine Vereinbarung, die allen Nationen mit unterschiedlichen Regionen zugrunde liegt, dass nämlich mit einer Art Lastenausgleich operiert wird, ist auch im Fall Kataloniens der zentrale Streitpunkt. Oder wie es einer der separatistischen Botschafter Kataloniens, Pep Guardiola, kürzlich zum Besten gab: Es ist gut, dass es guten Menschen gut geht. Da ist es dann gar kein Wunder mehr, dass dieser Vertreter einer sozialen Sezessionstheorie in den Staatsverein Bayerns nach München geholt wurde, weil dort ein solches Gedankengut ebenfalls gepflegt wird.
Dem Zerfall von Bündnissen und Staaten liegen in der Regel innere wie äußere Faktoren zugrunde. Ungleichheit im eigenen Haus ist etwas, das zu Spannungen führt, aber nicht unbedingt zum Bruch führen muss. Statt Absonderung kann auch Synergie stehen, statt Konkurrenz eine gemeinsame Identifikation. Das, was eine Gemeinschaft ausmacht und im Englischen so treffend als common sense, als gemeinsamer Sinn übersetzt wird, ist die Grundbedingung für Zusammenhalt. Und Zusammenhalt ist die Basis eines jedes Gemeinwesens.
Wird diese Basis verlassen, dann geht das Gemeinwesen vor die Hunde. Das war auch im Falle Jugoslawiens so, das von außen zwar mächtig gezogen wurde, aber innen vor allem durch kroatische und serbische Kräfte an einem dortigen Länderfinanzausgleich gemäkelt wurde, in den die höher entwickelten Regionen nicht mehr zahlen wollten. Es war der Anfang vom Ende. Analoge Bewegungen in Spanien wären ebenfalls der Anfang vom Ende, ähnlich wie in Italien oder Deutschland. Das Entscheidende an dem Wohlstandsnationalismus ist die dekadente, weil politisch destruktive Haltung, die sich dahinter verbirgt. Dass sie, wie im Falle Kataloniens, nicht durch kritische Medien identifiziert wird, spricht dafür, dass die Voraussetzungen für eine kritische Reflexion von Politik in großen Teilen der Öffentlichkeit nicht mehr gegeben sind. Da werden die korruptesten Politiker Spaniens, die zum wiederholten Mal mit ihrer Sezessionsphantasie in Städten wie Barcelona scheiterten, als nette Menschen in lustigen Trachten dargestellt, die ihre Heimat lieben. Das Grauen hat tatsächlich einen Namen!
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