Archiv für den Monat März 2021

Struktur und Potenzial: Zur Anatomie der Macht — Neue Debatte

Die Struktur, das Skelett einer jeden Organisation, ist in der Krise zum Leitmotiv erkoren. Kompetenz, Kreativität und Potenzial, das Fleisch und Blut vitaler Organisationen spielen in der Anatomiestunde über die Macht keine Rolle mehr. Führt man sich dieses Faktum vor Augen, dann wird einem bewusst, in welch brisanten Tagen wir leben. Der Beitrag Struktur und…

Struktur und Potenzial: Zur Anatomie der Macht — Neue Debatte

Die schöne neue Welt und das Sektierertum

Kann etwas, das als Bewegung gegen Unrecht entstanden ist, ins Gegenteil umschlagen? Können Maßnahmen und Aktionen, die sich gegen Diskriminierung richten, selbst zu dem alten Übel zurückkehren? Die Antwort ist schlicht wie beklemmend. Ja, das kann so sein und es ist, historisch betrachtet, gar nicht so selten. Bevor ein solches Phänomen sich ins Bewusstsein hocharbeitet, vergeht Zeit. Und diejenigen, die früh darauf hinweisen, stehen schnell am Pranger. Das Argument, das ihnen entgegen stürmt, bezieht sich jedoch auf die Ausgangslage. Es besteht aus dem Vorwurf, den alten Missstand zu vertreten.

Dass wir in Zeiten leben, in denen der beschriebene Umstand bereits zu voller Blüte gereift ist, dürfte all jenen, die sich ein wenig mit den Schwingungen der Kommunikation beschäftigen, längst aufgefallen sein. Alles, was aus den Anti-Diskriminierungskampagnen entstanden ist, hat einen Zustand erreicht, der seinerseits hinter den Ausgangspunkt zurückgegangen ist. Aus der Abwehr gegen Diskriminierung ist eine neue Art der Diskriminierung entstanden, die fröhliche Urstände feiert. Beispiele dafür gibt es genug, ob es um das fleißige Gendern bei positiven Erscheinungen geht, oder ob umgekehrt der alte Sprachgebrauch beibehalten wird, wie bei Terroristen, Gewalttätern, Kinderschändern, Kriminellen oder auch, man mag es kaum glauben, bei Mutanten, das alles bleibt selbstverständlich maskulin, oder ob es die alten weißen Männer sind, unabhängig von ihrer Lebensbilanz, das, was heute so unsinnig als Bashen bezeichnet wird, ist erlaubt. 

Daraus ist ein Gestus entstanden, der sich mit dem der alten Kolonialisten trefflich messen lassen kann. Bei der Betrachtung der Historie ist es noch abseitiger. Dass Mozart und Beethoven nicht mehr gehört werden sollen, weil sie ihrerseits Verklärer des Kolonialismus gewesen sein sollen wird immer weiter gesponnen, da ist man bereits an dem Punkt, dass Julius Cäsar aus den Geschichtsbüchern verschwinden soll, weil er den Müll nicht getrennt hat.

Das, was in der Geschichte immer wieder als der Abweg des Sektierertums bezeichnet wurde, hat sich in der heutigen bundesrepublikanischen Gesellschaft zur Staatsräson gemausert. Nichts ist unversucht, um den gesellschaftlichen Diskurs in diesen Sog einer totalitären, gleichwohl verkommenen Logik der Spaltung und Ausgrenzung und der daraus folgenden inquisitorischen Meinungsbildung zu ziehen. Sieht man genau hin, dann wird deutlich, dass das, was Arthur Koestler in seinem Roman „Sonnenfinsternis“ so bedrückend thematisiert hat, den öffentlichen Diskurs beherrscht: die Befolgung einer totalitären Logik bis zum bitteren Ende der Selbstverleugnung. 

Die Blindheit derer, die diesen Diskurs beherrschen, und das ist die gute Nachricht, führt dazu, dass sie im Rausch der ideologischen Unangefochtenheit den Blick für die Realität immer mehr verlieren. irgendwann, und dieser Zeitpunkt ist bereits erreicht, glauben sie tatsächlich, dass das verhängnisvolle Produkt ihrer eigenen Verblendung dem entspricht, wie das Gros der Gesellschaft, auch das von ihnen malträtierte, tatsächlich empfindet. Die Folge lässt sich historisch eindeutig dokumentieren. Es führt zum Zusammenbruch, zur nachhaltigen Diskreditierung aller gut gemeinten Anliegen und zu einer radikalen mentalen Umkehr. 

Die Bilder von der schönen neuen Welt, aus der das Unrecht verbannt ist, zerfließen zu einem höllischen Inferno, weil die Zorndepots der Beleidigten, Ausgegrenzten und ins Unrecht Gesetzten randvoll sind und in der Gegenreaktion kein Platz mehr ist für Vernunft und Maß. Aber, auch das lehrt die Geschichte, die die Inquisitoren unserer Tage aus gutem Grunde meiden wie der Teufel das Weihwasser, Sektierertum führt immer zu einem unheilvollen Ende, auch wenn viele glauben, ganz so schlimm werde es schon nicht werden.