James Ellroy. Brown´s Requiem
Wie ist es möglich, einer Marke, zumal auf dem Literaturmarkt, nach Jahren des Erfolgs und der Etablierung als festes Bild, noch einmal auf die Schliche zu kommen? Ist es im Rahmen des Erreichbaren, die ursprünglichen Antriebe und Erfahrungen zu dechiffrieren? Ja, richtig, ein Korridor, der in diese Richtung führt, ist eine Recherche des ersten oder der ersten Versuche. Bei dieser Vorgehensweise gelingt es immer wieder, vieles, das durch den Mythos als allzu trivial erscheinen würde, dennoch als wichtig zu identifizieren und manches, das als die Kernaussage immer wieder gehandelt wird, in seine Schranken zu verweisen. Es lohnt sich also, die ersten Versuche des künstlerischen Schaffens immer wieder unter die Lupe zu nehmen, um nicht im Meer des erzeugten Scheins zu ertrinken und den klaren Blick auf das Wesentliche zu verlieren.
James Ellroy, 1948 geboren und Kind des schmutzigen, lasterhaften, korrupten und gewalttätigen Los Angeles, ist nach zahlreichen Romanen und Verfilmungen derselben so ein Markenzeichen, bei dem alles gesagt zu sein scheint und das für sich spricht. Heute steht er da, in Interviews, wie ein abgeklärter Literat, der die Abgründe seiner eigenen Topographie kennt und den Blick in die Finsternis gerne mit seinem Lesepublikum teilt. Das, was aber hinter dieser Maske steckt, ist durchaus dechiffrierbar. Die Lektüre von Brown´s Requiem, Ellroys erstem Roman, ist der direkte Konnex zu seiner eigenen Biographie und zeichnet Themen wie Obsessionen seiner späteren Werke deutlich vor. Erschienen ist Brown´s Requiem 1981, da war Ellroy 33 Jahre alt und hatte bereits eine gescheiterte Karriere als Gelegenheitsarbeiter und Spezialist als Betäubungsmittel hinter sich. Und genau diese Erfahrungen mit sich und dem Los Angeles seiner Zeit sind es, die den Roman lesenswert machen.
Alles, was in dem spannend geschriebenen Roman, der nicht dem späteren Ellroy-Stil Erzählmodus entspricht, zur Sprache kommt, ist dem eigenen Erfahrungshorizont entnommen. Das Los Angeles der krassen Gegensätze und der multi-ethnischen Clashs und Arrangements, die pittoreske Immigrantenszene, die amerikanische Leitkultur und ihr Gegenentwurf, die nicht unterscheidbaren Welten von Ordnung und Korruption, die gleitenden Grenzen von Sex und Pornographie, die Drogenszene, die Guten in den schlechten Milieus und die Schlechten in den guten Milieus, alles findet sich bereits n Brown´s Requiem. Interessant dabei ist besonders, dass die negativen Zuweisungen, die die Kritik später dem Autor Ellroy gerne gemacht hat, von ihm in diesem Roman selbst den negativen Charakteren zugeschrieben werden, vor allem der Antisemitismus und das Faible für abstruse Formen von Sexualität.
In Brown´s Requiem beschreibt Ellroy eine regelrechte Bestie, die den Irrsinn menschlicher Existenz sehr plastisch darstellt und die deutlich macht, wie schwierig es ist, das Gute vom Bösen zu trennen. Der deutsch-stämmige Fritz Brown, seinerseits Ich-Erzähler des Romans und Frederick „Fat Dog“ Baker, die Bestie, bilden die Folie, auf der die späteren Romane Ellroys lesbar werden. Beide sind ambivalent, der eine aus noch halbwegs beeinflussbaren freien Willen, der andere aus quasi genetischer Obsession. Und die großen Bilder, die Ellroy bereits hier bemüht, sind die Werke der europäischen Klassik, Zeichen für Ordnung und Zivilisation und die diesen entgegenstehende Libertinage von Sex, Drugs & Rock ´n Roll. Dass sowohl der positive Held als auch der Schattenspieler des Bösen in diesem Roman in beiden Bildern zuhause sind, sprich für den damals noch jungen Autor. Er belässt es mit der Unauflöslichkeit der Welt.
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