Was jetzt als eine Strafaktion eines tollwütigen amerikanischen Präsidenten daherkommt, hat sich seit längerem angebahnt und ist keine Überraschung. Einmal abgesehen von den historischen Hintergründen ist es kein Debakel, wenn eine Streitmacht, die vor 75 Jahren ein Land in einem Krieg besiegt hat, einen Teil ihrer Truppen aus dem Land abzieht. Eher wäre Verwunderung darüber angebracht, was denn da passiert ist, dass nach einem Dreivierteljahrhundert überhaupt dort noch Truppen vonnöten sind. Wir kennen die Geschichte. Dem heißen folgte der Kalte Krieg und diesem die alleinige Weltherrschaft der USA. Man könnte die Zeit von 1990 bis 2008 den kurzen Sommer der unangefochtenen US-Weltherrschaft nennen. Sie währte vom Zusammenbruch der Sowjetunion 1990 bis zur Weltfinanzkrise 2008. Seit dem bröckelt sie beträchtlich. Nicht lange, in historischen Dimensionen gedacht.
Dass sich in derartig rauschenden Zeiten die Bedürfnisse der Protagonisten ändern, liegt auf der Hand. Bereits mit dem Niedergang der Sowjetunion war es mit der Überschaubarkeit der Verhältnisse dahin. Die NATO, das westliche Militärbündnis als Antipode zum Warschauer Pakt, war über Nacht kein Verteidigungsbündnis gegen einen klar definierten Feind mehr. Und es ist kein Wunder, dass die stärkste Macht im Bündnis, die USA, sich daran machten, das Bündnis nach den eigenen neuen Bedürfnissen umzuformen. Ziel blieb und bleibt die Aggression gegen Russland und die damit verbundene Spaltung Europas, denn eine Allianz zwischen Zentraleuropa und Russland wäre die Bettgeschichte, die in den USA niemanden mehr schlafen ließe. Und es ging darum, die bestehende Struktur zu nutzen, um vor allem die Operationen von Nordafrika über den Nahen Osten bis nach Afghanistan mittels der NATO-Struktur zu sichern.
Hinzu kam und kommt, dass Deutschland als direktes Protektorat obsolet war. Dass die USA von Deutschland nun mehr eigenen militärischen Einsatz forderten und fordern, ist folgerichtig, wenn es keine Interessendivergenzen in der Zielsetzung gibt. Hinter der etwas erbärmlich wirkenden Wehklage einiger süddeutscher Landesfürsten über den drohenden Abzug von US-Soldaten und der eigenartigen Arithmetik bezüglich des zu leistenden finanziellen Beitrags Deutschlands in der NATO verbirgt sich das eigentliche Problem.
Der Umbau der Bundeswehr von einer der allgemeinen Wehrpflicht unterliegenden Verteidigungsarmee zu einer auf Söldnerbasis operierenden Interventionsarmee lässt vermuten, dass stillschweigend die Ausrichtung der NATO zu einem weltweit agierenden Aggressionsinstrument mitgetragen wurde. Auch die verbalen Statements aus Reihen der Bundesregierung lassen das vermuten. Die ununterbrochenen Sottisen gegen Russland und das nahezu trunkene Suchen nach Wörtern im syrischen Debakel, sowie das Schweigen zu Themen wie dem Jemen sind Indizien für ein stummes Nicken Richtung USA. Die wollen nun ein klares, lautes Bekenntnis. Das ist keine Laune eines in die Ecke gedrängten Cholerikers, sondern es wird sich auch unter einem demokratischen Präsidenten wiederholen.
Spätestens seit 9/11 und dem von den USA als weltweiten Krieg gegen den Terror deklarierten Kampf um den Erhalt der globalen Hegemonie wäre ein öffentlicher Diskurs hierzulande erforderlich gewesen, um die internationale Positionierung Deutschlands zu klären. Dieser Prozess hätte beinhalten müssen, ob der im Grundgesetz formulierte Satz, die eigenen Streitkräfte dienten ausschließlich der Verteidigung noch Bestand hat oder nicht. Der Diskurs hat nicht stattgefunden, man ist weiter im Windschatten der USA getaumelt und hat die Chance, sich als souveränes Subjekt zu etablieren, vertan. Die Angst vor der öffentlichen Klärung des eigenen Standpunktes scheint größer zu sein als die vor dem Feind. Wer immer das auch sein mag.
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