Archiv für den Monat Februar 2023

Das Aufstehen steht noch aus!

Es vergeht tatsächlich kein Tag, an dem ich nicht Zeuge zumindest einer Aussage werde, dass das alles nicht mehr so weiter gehen könne und man sich frage, wann der große Knall kommt. Gemeint sind die politischen Verhältnisse, in denen wir leben. Ob es der Umgang mit den demokratischen Grundrechten, den Krieg in der Ukraine, die Positionierung der öffentlich-rechtlichen wie der großen etablierten Medien, die wirtschaftliche Entwicklung, den Verlauf von Entwicklungsprojekten oder das Agieren staatlicher Behörden geht. Was vermisst wird, ist Toleranz und Pragmatismus. 

Sollte man eine Überschrift für das Handeln in den beschriebenen Bereichen finden, so müsste sie sich auf die Praxis derer, die in der Verantwortung sind, konzentrieren. Das Rätselraten großer Teile der Bevölkerung, und zwar nicht verschwindend kleiner Sozialmilieus, sondern der Mehrheit, bezieht sich auf die Frage, ob es sich um eine kollektive Überforderung oder eine kollektive Verblendung handelt. Oder beides, changierend. Denn das, was dort geschieht, harmoniert seit langem nicht mehr mit den Interessen der Bevölkerung. 

Und wenn man nachfragt, ob es eine Datum gäbe, an dem man festmachen könne, wann sich alles in eine Richtung entwickelt hätte, das nur noch durch einen „großen Knall“ aufgelöst werden könne, dann wird immer das Auftauchen des Corona-Virus und der unverhältnismäßige Umgang der Regierung mit diesem Phänomen genannt. Das Aussetzen unveräußerlicher Rechte, ohne dass sich die Bevölkerung massiv dagegen zur Wehr gesetzt hätte, hat anscheinend zu einem Gefühl geführt, alles Repressive machen zu können, das vorher als Tabu galt. 

Insofern handelt es sich bei diesem Datum nicht nur um das eines verantwortungslosen Aktes seitens der Regierung, sondern auch um das Versagen dessen, was bei anderen Gelegenheiten die über den Klee gelobte Zivilgesellschaft ist. Sie hat zu diesem Zeitpunkt schlichtweg nicht stattgefunden. Die Gründe sind zahlreich. Der wesentliche wird sein, dass als ein Ergebnis eines langen Prozesses der Befriedung Institutionen wie Parteien und Gewerkschaften den demokratischen Geist aufgegeben zu willfährigen Instrumenten der herrschenden Verhältnisse geworden sind. Wer nicht mehr beißen und nagen muss, verliert mit der Zeit die Zähne.

Die Geschwindigkeit, mit der die Gesellschaft in eine autoritäre Veranstaltung abgeglitten ist, in der es eine sanktionierte Meinung gibt und zum Halali auf jede andere Form der Betrachtung geblasen wird, ist atemberaubend. Und es handelt sich um nichts anderes als eine neue Form des Totalitarismus. Die Definition ist sehr einfach: wenn du nicht der herrschenden Meinung bist, dann bist du entweder irre oder du dienst dem Feind. Was erklärt, warum gleichzeitig zum Aussetzen der essenziellen Grundrechte fieberhaft an Feindbildern gearbeitet worden ist. Und auch da war man erfolgreich. Denn tatsächlich sind sie bei jeder Gelegenheit parat und handelt es sich entweder um die Kategorien geistiger Verwirrung oder dem Wechsel ins feindliche Lager. 

Wenn es nicht zu einem großen Knall kommt, d.h. wenn dieser Tendenz nicht Einhalt geboten wird, dann ist es keine so abseitige Prognose, dass wir uns nicht über weitere Fragen der Zukunft werden unterhalten müssen. Zumindest nicht hier, in Europa. Dann mögen Nachkommen ihre Schlüsse aus einem großen, kollektiven Versagen ziehen.

Es wird deutlich, dass es dann mit einem einzigen Sündenbock nicht getan sein wird. Jeder Mensch, das ist vielleicht eine wesentliche Einsicht unserer Zivilisation, ist verantwortlich für das, was er tut, und für das, was er nicht tut. Das Aufstehen steht noch aus!