Archiv für den Monat November 2016

Nichts ist von Dauer

Empedokles, der damals große Denker in der Neuen Welt Sizilien, wohin die unruhigen Geister aus Griechenland zogen, brachte die Aporie der menschlichen Existenz lapidar, aber treffend auf den Punkt. Nach der Befindlichkeit seiner Mitbürger zu Agrigent befragt, antwortete er, sie bauten, als wollten sie ewig leben und sie äßen, als müssten sie morgen sterben. Besser kann der unausweichliche Widerspruch nicht charakterisiert werden. Nicht jede Gesellschaft löst die Frage so vortrefflich wie die Menschen aus Agrigent, aber sie scheinen nicht nur lebensfreudig und sich dennoch des Todes bewusst, sondern auch klug gewesen zu sein.

Der Wunsch, für die Ewigkeit zu bauen, ist ein Appell an die Verantwortung einzelner Generationen gegenüber der Spezies selbst. Und da taucht schnell die Frage auf, was denn die Substanz und Form für die Ewigkeit ist. An der Schwelle von der Antike zur Neuzeit waren es Gebäude und zunehmend Infrastruktur, beides ist aus dieser Zeit zum Teil noch zu bewundern, und im Vergleich zu heutigen Halbwertzeiten ist vieles von dem tatsächlich für die Ewigkeit entstanden.

Obwohl der Begriff aus den selben Zeiten entlehnt ist, als Empedokles und seines Gleichen die menschliche Existenz zu entschlüsseln drohten, beschreibt er ein Massenphänomen unserer Tage. Hedonisten, von Vereinfachern auch gerne Hedoniker genannt, beschreiben Individuen, die sich in erster Linie durch den Konsum definieren. Das muss nicht teueres Gut sein, was sie da verbrennen, aber es muss eben passiv verbraucht werden. Der Hedonismus ist das Resultat der Massenproduktion und Konsumgesellschaft und er lässt sich auch als eine Passivisierung des Individuums beschreiben. Passiv deshalb, weil Hedonisten ihrerseits kaum noch Produktives zur gesellschaftlichen Entwicklung beitragen.

Der Diskurs, der von Wirtschaftsliberalisten so gerne unter der Überschrift der schwarzen Null geführt wird, beruft sich ausdrücklich auf künftige Generationen und das, was wir, die Lebenden, ihnen überlassen werden. Das Hört sich sehr verantwortungsvoll an, entpuppt sich bei näherer Betrachtung jedoch als eines der profundesten Betrugsmanöver gegenwärtiger politischer Argumentation. Bilanzen sind das Letzte, was für die Ewigkeit bestimmt ist. Bei ihnen handelt es sich um Momentaufnahmen der Liquidität, die nichts, aber auch gar nichts über die Zukunft aussagen. Die Täuschung über die Generationenverantwortlichkeit gipfelt in dem Manöver, unter dem Vorwand der schwarzen Null Investitionen in Schulen, Bildung und Infrastruktur zu unterlassen.

Und das ist die Frage, die alle, die von der Maxime der Hinterlassenschaft sprechen, tatsächlich bewegen sollte: Was ist es, das ein Beitrag für die Ewigkeit sein könnte? Es wären tatsächlich Schulen, die durch ihre Architektur die Phantasie anregen, die von der Substanz Bestand haben und die als öffentlicher Raum eine Funktion haben. Es wären Bibliotheken, die moderne Arbeitsbedingungen aufweisen und in denen sich die Menschen gerne treffen, es wären Musikhäuser, die die Seele und das Empfinden inspirieren und zu einem Diskurs über das Schöne anregen und es wären Sportstätten, die dazu einladen, sich einfach nur zu bewegen oder sich um eines Zieles willen zu verausgaben. Es gäbe noch vieles, was sich sagen ließe, über eine ganz bescheidene Vorstellung von Ewigkeit.

Die zeitgenössische Menschheit vegetiert auch in ihren Diskursen am Rande der Selbstaufgabe. Unter den Maximen primitiver Gewinnideologien wird ins Unterbewusstsein das dumpfe Gefühl gesprüht, dass nichts von Dauer sei. Raub den Menschen die Zukunft, und du hast sie sehr schnell im Stadium der Barbarei.

Clintons Kehrtwende und deutsche Berichte

Sie erinnern sich noch? Während des US-Wahlkampfes wurden Hilary Clinton und Donald Trump in einem der TV-Duelle gefragt, ob sie das Ergebnis der bevorstehenden Wahlen anerkennen würden. Clinton hatte sofort bejaht und Trump seine zu erwartende Reaktion relativiert. Er müsse, so Trump, sich das erst einmal genau ansehen. Die Reaktion darauf seitens der Kandidatin Clinton war ein Sturm der Entrüstung, sie sah das Erbe der amerikanischen Demokratie den Bach herunter gehen und bescheinigte Trump sich vollkommen diskreditiert zu haben. Auch im Heute Journal wetterte der US-Lobbyist Kleber wie ein kreiselnder Derwisch gegen Trump. Was, nebenbei gesagt, zu den vielen groben Verletzungen seiner Aufgabe zählt. Regelmäßig nimmt er Partei ein, ohne Folgen, weil sich seine Meinung mit den Positionen der hiesigen Regierung decken.

Nun, nach verlorener Wahl, hat sich Clinton eines anderen besonnen und beteiligt sich offiziell mit ihrer Kampagne an der Neuauszählung in drei Bundesstaaten. Es geht, wie bei der dramatischen Wahl von George W. Bush gegen Al Gore in Florida, um Ungereimtheiten zwischen IT-gestützter und manueller Stimmenauszählung. Bis heute sprechen viele Indizien dafür, dass damals in Florida etwas manipuliert wurde und nur dadurch Bush junior zur Präsidentenwürde gelangte. Al Gore, der feinfühlige Intellektuelle, hatte jedoch davon abgesehen, den Skandal auf die Spitze zu treiben. Er argumentierte mit dem Ansehen der USA, das völlig ramponiert sei, wenn im Nachhinein Wahlen angezweifelt und als unrechtmäßig beeinflusst enthüllt würden. Das, sollte es so sein, nimmt Hilary Clinton nicht hin und damit begründet sie ihre Kehrtwende um 180 Grad.

Der beschriebene Vorgang dokumentiert zum einen, dass die us-amerikanischen Verhältnisse immer wieder die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit der Korruption aufweisen und dass sich Politiker, die glaubten, ihr Spiel gewonnen zu haben, bei anderen Tatsachen noch dazu in der Lage sind, atemberaubende Verrenkungen vorzunehmen. Gut, könnte man sagen, wären da nicht die hiesigen Verhältnisse, und das sind die der Berichterstattung. Im Grunde genommen ist es ein kleines, unbedeutendes Beispiel, und es ließe sich täglich Neues hinzufügen, in die Beweisführung darüber, dass hier, aus Zwangsgebühren finanziert, eine bestimmte Meinung transportiert wird, die mit einer unabhängigen, kritischen Berichterstattung nichts gemein hat.

Spätestens nach der offiziellen Verlautbarung Clintons, sich an der Neuauszählung dreier Bundesstaaten zu beteiligen, hätte auf ihre Position hingewiesen werden müssen, die sie vor den Wahlen vertreten hatte. Der Widerspruch zu dieser Position hätte einer Erklärung bedurft und die Berichterstattung darüber hätte dazu angeregt, sich über die Motive dieser Kandidatin kritische Gedanken zu machen. Eine solche Betrachtung ist jedoch nicht gewünscht, weder von der Bundesregierung noch von ihren Transmissionsriemen a la Kleber, sodass lieber die Vermutung angestellt wird, wie Trump wohl gelungen sei, die Wahlen mit unlauteren Mitteln zu beeinflussen.

In den staatlichen Medien wird systematisch an Feindbildern gearbeitet. Das entspricht nicht ihrem Auftrag. Die Politiker, die in den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten sitzen, müssen sich fragen lassen, ob es ihnen nicht auffällt, dass dort am Fließband an Feindbildern gearbeitet wird oder ob es ihnen sogar gefällt. Die Instrumentalisierung der Berichterstattung zur Produktion von Feindbildern und zur Ausgrenzung anders Denkender ist ein Grundbaustein von Diktaturen. Mit Demokratie hat das, was dort produziert wird, nichts mehr zu tun. Der Einfluss der Politik auf diese verhängnisvolle Entwicklung muss in den Fokus.

Und Don Fidel starb doch im Bett!

Ehrlich gesagt, mir graut vor den Nachrufen auf Fidel Castro. Denn niemand hat die Welt mehr gespalten als dieser Junge aus gutem Hause, der auf der kleinen Insel Kuba die Revolution mit inszenierte und vor der Küste der USA aus einem Puff und Casino ein sozialistisches Bollwerk gemacht hat. Vom Typus, vom Charakter, war Fidel Castro, so wie sein einstiger Mitstreiter Ernesto Guevara aus dem Holz der Heroen gemacht. Sie waren jung, sie waren klug und sie waren verwegen. Nur so, meine gut situierten Damen und Herren aus den Etagen der Unternehmensberatungen, nur so ist es möglich, die Welt zu verändern. Und da, wo geschossen wird, wo Blut fließt, da ist es nicht mehr gemütlich, da geht das Zivile irgendwann von der Bühne und da wird es zunehmend barbarischer. Das ist so, wenn sich Leben und Tod gegenüberstehen. Und das war so im Leben des Don Fidel, des Herren im Kampfanzug, auch als er längst El Presidente war und mit der Zigarre zwischen den Zähnen über den Wochenmarkt Havannas spazierte, um mit den Marktfrauen Rezepte auszutauschen.

Wie sollte ein Mann nicht Kult werden, der allein mehr als 30 Attentatsversuche der CIA überstanden hatte? Was wurde nicht alles versucht, um ihm, dessen Gefahr mehr in der Hoffnung denn in harten Fakten gemessen wurde, das Licht des Lebens auszublasen. Stattdessen gab er dem Hinterhof der United Fruit Company, einem us-amerikanischen Ausschuss zur Ausplünderung Süd- und Mittelamerikas, eine gewaltige Stimme. Wenn Fidel Castro auf den Parteitagen seine legendären, fünf-, sechs-, oder gar siebenstündigen Reden hielt, dann hielt der Süden Amerikas, genauer gesagt die Geplagten, die Unterdrückten, die Rechtlosen, dann hielten sie ihren Atem an und lauschten. Sie schöpften Hoffnung auf einem Kontinent der Militärdiktaturen, der Folter und des Massenmords. Denkt daran, wenn ihr heute lest, wie undemokratisch das Kuba der Castros und Guevaras war, vergesst nicht die geschredderten und verspotteten Menschenrechte in Chile, in Bolivien, in Argentinien, in Nicaragua.

Das Morden des Dominators auf dem Kontinent hatte auch Castro hart gemacht. Sie erwischten nicht ihn, aber seinen Freund Che. In Bolivien, wo sie ihm die Hände abhackten, bevor sie ihn umbrachten. Doch Fidel, der holte zum Kopfstoß aus, egal gegen wen, aber für die Revolution. Und es passierte viel auf Kuba. Bildung und Gesundheitsversorgung für alle und im Austausch dafür Prügel und Strafe für die, die ein solches System nicht wollten. Macht euch nichts vor, Freunde, Life is no Picknick, und im Kampf gegen das mächtige Amerika ging vieles in Schieflage. Jetzt, nach Fidels Tod, mag vieles anders werden in Kuba. Aber das ist es gar nicht, worum es geht.

Fidel Castro stand für den erfolgreichen Versuch, gegen die Übermacht wirtschaftlich motivierter, imperialistisch agierender Staaten ankommen zu können. Dazu gehört ein guter Plan, Entschlossenheit und mindestens genauso wenig Skrupel bei der Ausführung wie der Feind sie besitzt. Das alles kann Fidel Castro attestiert werden. Dadurch wurde er zu einer Figur der Hoffnung für viele Menschen auf der Welt. Der Comandante, bei dem auch, wie bei Guevara, Liebe, Hass, doch nie Furcht war, ist von uns gegangen. Und das Erstaunlichste von allem: Er wurde 90 Jahre alt und starb im Bett!