Globale Denk- und Produktionsweisen
Die Identifizierung der merkantil-orientalen und der cartesianisch-westlichen Denk- und Produktionsweisen liegen auf der Hand, wenn man seinen Blick im Zentrum Europas zum ersten Mal erhebt. Entscheidend für die Herausbildung dieser beiden Kompetenzen ist die starke Historie, die beide Kulturkreise sowohl in ihrer Eigenentwicklung als auch in ihrer Interaktion aufzuweisen haben. Der europäische Rationalismus und der orientalische Merkantilismus konnten sich über Jahrhunderte während des römischen Imperiums koexistent entwickeln und kennenlernen, was allerdings nicht dazu beigetragen hat, die Ressentiments für alle Zeiten zu beenden.
Gesellschaften mit hochentwickelten Kompetenzen hören nicht mit Europa und dem Nahen Osten auf. Eine bloße kontinentale Aufteilung brächte wenig, weil es teilweise aufgrund der Komplexität und Unterschiedlichkeit doch angebracht erscheint, einzelne Kontinente zu unterteilen, während es bei anderen Fällen wiederum Sinn macht, unterschiedliche Kontinente unter einer Überschrift zu verbinden.
So wäre, Europa bis auf den Osten unter die cartesianisch-westliche Denkweise zu fassen. Der amerikanische Kontinent sowie Australien sind letztendlich dem europäischen Kontinent in dieser Klassifizierung zuzuordnen, mit der interessanten Spezifizierung, dass wir es bei Australien, Kanada und vor allem der USA mit der protestantischen, bei Mittel- und Lateinamerika mit der katholischen Variante des europäischen Cartesianismus zu tun haben.
Asien muss einer weiteren Differenzierung unterliegen, weil wir dort sowohl das klassisch merkantil-orientalische Phänomen beobachten, vor allem an den Küsten des Indischen Ozeans mit Ausnahme Indiens, das eine Sonderstellung einnimmt, während die kontinentalen Kulturzentren Russland und China eher dem asiatisch-hydraulischen Komplex zuzuordnen sind. Dabei handelt es sich um Kollektivgesellschaften, die in der Regel zu despotischen Regierungsformen neigen, ein auf Familie, Tradition und Gastfreundschaft basierendes Wertesystem aufweisen und imstande sind, mächtige Arbeitskraftformationen zu organisieren, die im wahren Sinne des Wortes Berge zu versetzen in der Lage sind.
Afrika wiederum lässt sich über den arabischen Zugang in einen Teil aufteilen, der als merkantil-orientalisch klassifiziert werden kann, während der Rest zumeist als archaisch-tribal oder postkolonial bezeichnet werden muss. Die vorgefunden Kompetenzen stehen somit zumeist in der Tradition von Westen und Nahem Osten.
Das mit grobem Duktus entworfene Bild deutet die Geographie von globalen Kompetenzfeldern an, auf die wir uns in Zukunft konzentrieren müssen. Technik, Workforce und Vermittlung sind die drei Tugenden, die wir geostrategisch orten können, und die es gilt, sie in einer globalen Ökonomie in ein gemeinsames Handlungsmuster zu bringen. Das stärkt die Kooperation, weil es die Interdependenz verdeutlicht.
Synergien aus Diversität
Die Identifikation einer globalen Kompetenzgeographie legt nahe, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Kommunikation zwischen den einzelnen Kernkompetenzen aussehen muss, damit sie zu strategisch gewünschten Ergebnissen führt. Und die Tatsache, dass in unterschiedlichen Regionen dieser Welt unterschiedliche Kompetenzen zu identifizieren sind, macht mehr als deutlich, dass eine absolute Konkurrenz untereinander zu nichts führen kann. Diese Art von Konkurrenz setzt auf Ausgrenzung lebenswichtiger Fähigkeiten und impliziert immer auch Destruktion.
Wenn davon ausgegangen werden kann, dass Produktion und Technik, Workforce, Handel und Vermittlung sowie anthropologisch universale Sozialmuster zu den Formen geographischer Kompetenz zählen, über die wir hier reden, wird deutlich, wie unsinnig die Verfolgung von Dominanzzielen in globalem Maßstab geworden ist. Wenn England, Frankreich und später Deutschland um die Vorherrschaft im 19. Jahrhundert kämpften, dann war dieses innerhalb des Produktions- und Technikblocks. Die Kolonien waren ein Übergriff dieses Blocks auf Workforce, Ressourcen oder Handelswege. Sie instrumentalisierten transatlantische oder transpazifische Kernkompetenzen und richteten diese auf die Dauer ihrer Herrschaft erfolgreich zugrunde.
Workforce, Handel oder archaisches Sozialmuster hingegen gelang es nie, den Komplex von Technik und Produktion zu unterwerfen. Daher hat sich das technokratische Denken, welches grundsätzlich das einer instrumentellen Vernunft ist, den Vorteil einer globalen Übung verschaffen können, auch wenn es grundsätzlich destruktiver Natur ist. Die Instrumentalisierung der einen oder anderen Weltkompetenz durch die andere wird immer mit sich bringen, lebenswichtige Potenziale zu zerstören.
Es ist daher längst an der Zeit, die Diversität verschiedener Kompetenzen auf dem Globus anzuerkennen und sich Gedanken darüber zu machen, wie diese potenzielle Diversität zu einer Kooperation gebracht werden kann, die tatsächlich Synergien hervorbringt. Voraussetzung dafür ist die Wahrnehmung dieses Zusammenhangs. Die Vorstellung, es handele sich lediglich um unterschiedliche Kulturkreise mit verschiedenen Götzenbildern ist so archaisch wie das Götzenbild selbst.
Um die Chance von Synergien durch Diversität kommunizieren zu können, muss die Fähigkeit entwickelt werden, sozio-kulturell-ökonomische Kernpotenziale diagnostizieren zu können und einen Eindruck davon herzustellen, wie eine Kombination unterschiedlicher Stärken in internationalen Organisationsformen zu managen sind. Dazu gehören Menschen, die wissen, wie sich die unterschiedlichen Weltkompetenzen konstituieren, welcher sozialen Semantik sie bedürfen und wo das gemeinsame Interesse an einer Kooperation zu finden ist.
Existenzielle Ambiguitäten
Die Diversität unserer Welt und ihrer unterschiedlichen geographischen Kompetenzzentren stellt dem Menschen von heute, der davon aus geht, dass er global denken und handeln will, vor ein nicht unbeträchtliches Problem. Zum einen befindet sich jeder Vertreter in seinem eigenen Kulturkreis, der gekennzeichnet ist durch die eigene Kernkompetenz. Andererseits ist es für den eigenen Kompetenzkreis charakteristisch, in Bezug auf die anderen Globalkompetenzen mit Defiziten behaftet zu sein, die im eigenen geographischen Feld kaum ausgeglichen werden können.
Die sich aufdrängende Frage ist essenziell: Kann es gelingen, die verschiedenen Kompetenzen von Technik & Produktion, Workforce sowie Handel und Vermittlung in einem identischen geographischen Areal so zu arrangieren, dass von den in den geographisch unterschiedlichen Kompetenzkreisen vorhandenen Qualitäten keine verloren geht? Oder ist eher davon auszugehen, dass ein solcher Versuch nur wenig Chancen auf Erfolg hat und es eher darum geht, wie übrigens momentan mehrheitlich der Fall, in einer Art internationaler globaler Arbeitsteilung die Kompetenzen miteinander zu vereinen? Letzteres ist ein Resultat aus der kontinentalen Verschiedenheit und Eigenständigkeit, ersteres wäre der Versuch, die Welt zu homogenisieren, alles überall zu ermöglichen und sich an das Ende der sozialhistorischen Anthropologie zu stellen.
Unabhängig von dieser Frage, ob international durch optimierte Infrastruktur vernetzt oder geographisch und gleichzeitig überall zu allem befähigt zu sein, die Akteure in einem globalen Wertschöpfungsprozess müssen nicht nur über mindestens eine der beschriebenen Kompetenzen exzellent verfügen, sondern sie müssen zudem wissen, um welche anderen Kompetenzen es sich handelt, welche Verhaltensmuster und Lebenstechniken daraus resultieren und wie das alles erworben wird. Wissen sie es nicht, so haben Pannen wie im Irak oder Afghanistan Bestand und setzen sich in Konflikten in Pakistan, Mexiko und Bolivien fort, ohne dass es eine Aussicht gäbe, den Teufelskreis der eigenen Interpretationsmuster verlassen zu können.
Im Kleinen wird die beschriebene Erkenntnis immer mal wieder und partiell schon seit vielen Jahren im internationalen Projektmanagement verwendet. Nach der Beschreibung der Anforderungsprofile an die Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Projektteams geht man daran, Kandidaten zu suchen, die die basalen Fähigkeiten in Bezug auf Bildung und Technik mitbringen, um dann in einer zweiten Betrachtung die Harmonie- und Synergiefähigkeiten der jeweiligen Kulturkreise, die sich in dem Projekt versammeln, zu überprüfen.
Und plötzlich erscheint die Komposition unterschiedlicher Kompetenzen aus verschiedenen Kulturkreisen keine leere, mit Appellen behaftete Abstraktion mehr zu sein, sondern ein operationalisierbares Unterfangen. Die Anwendungsgebiete dehnen sich aus und wachsen schneller, als die Kompetenz, die unterschiedlichen Charaktere zur Kooperation zu bringen.
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