Mit tränenerstickter Stimme trat Bundespräsident Horst Köhler vor die laufenden Kameras und erklärte seinen Rücktritt. Die Reaktionen, so das scheidende Staatsoberhaupt, auf seine Ausführungen zu Afghanistan auf dem Rückflug von eben dort hätten gezeigt, dass es gegenüber dem Amt nicht mehr den nötigen Respekt gebe. Köhler hatte es gewagt, die Aufmerksamkeit des Afghanistaneinsatzes der Bundesregierung von der offiziellen Rhetorik der political correctness abzuwenden und etwas ausgesprochen, das weder in Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, geschweige denn den USA, Kanada oder Australien in irgend einer Weise Aufsehen erregt hätte. Dass nämlich eine Exportnation mit der industriellen Wucht Deutschlands es nicht hinnehmen könne, wenn die Handelswege oder die Infrastruktur für den globalen Warenaustausch von terroristischen Hitzköpfen gefährdet oder zerstört würden.
Horst Köhler ist nicht der Erste, der politischen Schaden daran nimmt, dass er die Normalität beim Namen nennt. Nach der halsbrecherischen Eskapade der damals neu im Amt befindlichen Regierung Schröder-Fischer, die als erste nach dem II. Weltkrieg die Bundeswehr in einen bewaffneten Konflikt auf dem Balkan geführt hatte, musste diese lange an dem Manöver laborieren, ehe sie wieder in ruhigere Fahrwasser geriet. Der Propagandaaufwand für die Bomben auf Serbien trugen damals totalitäre Züge, die Logik war an Absurdität nicht mehr zu überbieten, indem das Wesen des Krieges als die Notwendigkeit für die Intervention in diesen herhalten musste. Und heute, mehr als eine Dekade später, gestehen eigentlich alle damals Involvierten, dass es der Preis gewesen sei, im Ensemble der Mächte aus dem gesicherten Windschatten der USA heraus auch in Zukunft eine Rolle spielen zu können. Der Schock im ach so pazifistischen Deutschland saß so tief, dass dieselbe Regierung nur kurze Zeit später das gesamte Anti-Kriegsregister gegen die Bushaggression im Irak zog, um sich beim Wahlvolk wieder rehabilitieren zu können.
Es scheint so zu sein, dass wir ein freie Nation, ja Wirtschaftsmacht sein wollen, die jederzeit das Prädikat für die Weltmeisterschaft beansprucht, die aber nicht bereit ist, das Preisgeld für das imperiale Turnier mit zu entrichten. Da bewegt man sich lieber weiterhin im Kinderzimmer der Nachkriegsentmündigung, als die farbigen GIs aus dem Bundesstaate Alabama und ihre Hintern herhalten mussten, damit die neugeborene Wohlstandsnation ihre edle Weltsicht im eigenen Land ausleben konnte. Dass diese Haltung bis heute gelebt werden kann, ohne in den eigentlichen Fokus der gesellschaftlichen Entrüstung zu geraten, sollte eher alarmieren als alles andere. Die Ausführungen der zur Kultfigur avancierten damaligen Bischöfin Käßmann charakterisierten sehr gut die auch hier vorhandene Substanz dessen, was gegenüber dem Islam so oft als Fundamentalismus bezeichnet wird.
Und ob, der Vollständigkeit halber, es einen Zusammenhang gibt zwischen den Rücktritten Kochs und Köhlers in nur wenigen Tagen, und ob diese ein Indiz sind für gar nicht so pazifistische Machtkämpfe im Regierungslager, das wird sich auch noch zeigen, hat aber nichts mit der Hysterie zu tun, die einem immer wieder begegnet, wenn man das Normale in Worte fasst.
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