Die Geschichte der Diplomatie lässt sich einfach zusammenfassen: Es ist das Austarieren verschiedener Akteure, inwieweit sie in einem Konglomerat verschiedener Interessen ihre eigne Politik maximal durchsetzen können. Zumeist geht es dabei um Macht und Einfluss, zuweilen aber auch um den Erhalt des Friedens. Wenn Diplomatie versagt und genügend Nationen mit unterschiedlichen Vorstellungen unterwegs sind, dann sprechen nicht selten die Waffen. Das wussten alle, die heute in den Annalen als große Diplomaten, auch im übertragenden Sinne, zu finden sind. Sie setzten auf etwas, das man heute als die gängige Vernunft beschreiben könnte. Und ein wesentlicher Baustein einer vernünftigen, auf der Feststellung unterschiedlicher Interessen basierenden Diplomatie war immer das Anerkennen der Vorstellungen des anderen als berechtigt. Alles andere mündete in Geheimdiplomatie, Spionage und Kriegsvorbereitung. Manchmal spielen die verschiedenen Varianten auch ineinander, und zwar für den Fall, dass eine Seite beginnen sollte, das Diktum einer gemeinsamen Intentionalität zu ignorieren.
Zu Zeiten eines Richelieu oder Bismarck konnten Staaten noch ohne große Empörung offen über die teils imperialen Interessen ihrer Politik reflektieren. Niemand schrie auf, weil die inneren Herrschaftsverhältnisse geklärt waren. Das änderte sich mit der Etablierung von Massendemokratien, in denen die handelnden Akteure darauf zu achten haben, ob das, was sie da im Namen des Landes auf dem internationalen Parkett treiben, im Inneren auf Zustimmung stößt, denn die nächsten Wahlen stehen bekanntlich immer vor der Tür.
Während die Diplomatie der Bundesrepublik Deutschland während der Regierungszeit Willy Brandts eine Sternstunde erlebte, weil sein diplomatisches Corps transparent handelte, imperiale Ansprüche zum Unrat der Geschichte warf und vor allem anerkannte, dass in dem kochend heißen Gegensatz zwischen Ost und West lebensgefährliche Gefahren lauerten, sollten die Interessen der Supermächte gefährdet werden. Es bohrte die berühmten dicken Bretter und die letztendliche friedliche Veränderung der europäischen Friedensordnung war eine Rendite diese hochkarätigen Diplomatie.
Wie anders jedoch hat sich nun zum wiederholten Mal, nach dem Balkankrieg, Afghanistan und nun der Ukraine diese Politik geändert. Die Ursünde, die 1999 begangen wurde und zur militärischen Zerstörung des ehemaligen Jugoslawiens beigetragen hat, basierte auf der Einführung moralischer Kategorien in die internationale Politik. Es war eine Konsequenz aus der Friedensbewegung, die nicht auf Interessenausgleich, sondern moralischer Suprematie basierte. Dass die Bundesrepublik mit ihrer Außenpolitik vor allem wirtschaftliche Interessen verfolgt, die immer abgeglichen werden muss mit dem Risiko des Einsatzes, ist bei dieser Haltung geflissentlich unter den Tisch gefallen.
Dass auf dem Balkan mit Menschenrechten argumentiert wurde, wäre redlich, wenn es nicht einseitig gewesen wäre, aber noch lange kein Grund, Krieg zu führen. Denn alle Länder dieser Welt leben unter anderen Grundsätzen von Moralität. Die Etablierung der Moral als Leitstern von Außenpolitik und Diplomatie war die Einführung der Despotie in die Ordnung internationaler Beziehungen. Das Debakel um die Ukraine ist das mittlerweile grausamste Beispiel für diese Abart des Vabanque. Die Allianz, mit der sich die Politiker gen Osten aufmachten, um für einen vermeintlichen Frieden zu streiten, ist ein Kabinett des Grauens und hat mit friedlichen Absichten nichts mehr zu tun. Aus unterdrückten Bauern, Menschenrechtlern und einer vermeintlichen städtischen Intelligenz sind faschistische Schlägertrupps und Oligarchen geworden. Dafür wurde ein Feindbild etabliert, das mit der Realität nichts zu tun hat. In der Konsequenz wurde Russland enger an Asien, vor allem an China gerückt. Eine großartige Ausbeute, die nur zurückzuführen ist auf die Demontage der Grundsätze von Diplomatie. Die Akteure sind schlichtweg Sektierer, eine Gefahr für Land und Leute.
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