Archiv für den Monat Dezember 2021

Politische und diplomatische Müllabfuhr

„Auch Agenten und Spione haben nachts einen Traum“, hieß es in einem von Achim Reichel vertonten Text von Jörg Fauser. Wenn man annimmt, dass diese Aussage der Wahrheit entspricht und ihr nur deshalb ein Sensationsaroma anhaftet, weil ein Mythos existiert, den das Milieu von sich selbst errichtet hat, um dem Dreck, in dem es sich bewegt, zu entfliehen. Denn Agenten und Spione sind die Müllabfuhr gescheiterter Politik und Diplomatie. Wenn mit Ratio und zivilisiertem Verhalten nichts mehr erreicht werden kann, dann werden die halbseidenen Charaktere, die manischen Spieler und die Nachtwandler aus der Box gelassen, um zu sehen, wie die eigenen Interessen nicht doch noch durchgesetzt werden können. Messer, Mord, Verrat und Täuschung sind die Werkzeuge, derer sich die Gestalten der zwischenstaatlichen Unterwelt bedienen. Und dennoch: Auch sie sind menschliche Wesen, auch sie haben nicht immer nur niedere Motive, und – auch sie haben Träume. 

Und gerade die nicht „normalen“, d.h. durchschnittlichen Menschen, die, frei nach Chechov,  morgens aufstehen, zur Arbeit gehen, abends Suppe essen und sich mit ihrem Ehepartner streiten, sind weniger interessant für die Literatur,  als die Schwerverbrecher, die Halsaufschlitzer oder eben die Spione. Oskar Maria Graf hatte das einmal sehr schön in einem Essay auf den Punkt gebracht: Niemand wollte sich je mit einem Mackie Messer im wirklichen Leben treffen, aber in der Literatur faszinieren uns Figuren wie diese. Die physische Distanz vom realen Ungeheuer macht das möglich. 

Die schlechte Nachricht: oft wissen wir gar nicht, dass die Monster unter uns weilen, weil sie sich perfekt tarnen. Typen wie der Mackie Messer aus der Dreigroschenoper gibt es tatsächlich. Zu deren Naturell gehört es aber, dass sie mit ihrer Monströsität glänzen und bewundert werden wollen. Agenten und Spione haben dieses Privileg nicht. Ihre Untaten werden zwar bekannt, aber die Autorenschaft wird nicht preisgegeben, sonst wären sie für die Weiterverwendung in ihrem Metier auf der Stelle nutzlos. Ihr Ruhm bleibt in der Anonymität, auch und gerade weil die Institutionen der Zivilisation ihrer habhaft werden und ihnen das Handwerk legen könnten. Pervers daran ist lediglich, dass die Auftraggeber für ihr Treiben gleichzeitig offiziell die besagten Institutionen repräsentieren. Ja, die Welt ist ein Sündenpfuhl!

Die getarnten Agenten werden wir nie zu Gesicht bekommen. Allerdings existiert eine Branche, für die das nicht zutrifft. Es handelt sich dabei nicht um die Mörder, Entführer oder Bombenleger, sondern um die geistigen Brandstifter. Sie kommen seriös daher, und legen wert darauf, dass ihr Ruf unbescholten ist. Das einzige, was sie zumeist erfolgreich verbergen, sind ihre Netzwerke, ihre Geldflüsse und ihre Auftraggeber. Ihr Job ist es, einer Öffentlichkeit eine Sicht der Gegebenheiten zu vermitteln, die im Sinne der Auftraggeber geformt ist. Ihre Techniken sind die Umkehrung von Ursache und Wirkung, die Lancierung von Falschmeldungen und die Erstellung von Feindbildern. Sie machen das nicht mit Sprengbomben und Handfeuerwaffen, sondern mit Worten und Bildern.  

Und wenn es auch zivilisierter erscheint als das Handwerk derer, die in den so genannten Geheimen Diensten unterwegs sind, sie gehören dazu. Warum? Weil sie bewusst die Welt auf den Kopf stellen, um die Menschen zu täuschen. Und ob sie, wenn sie nachts im Bett liegen, auch Träume haben, ist, politische gesehen, völlig unerheblich.

Psychogramm für stürmische Zeiten — Neue Debatte

Wer permanent Angst und Schrecken verbreitet, wer spaltet und an Feindbildern feilt und wer nichts als hektische Impulse sendet, ist weit entfernt von den positiven Eigenschaften, die eine Gesellschaft benötigt, um die Stürme der Zeit zu überstehen. Der Beitrag Psychogramm für stürmische Zeiten erschien zuerst auf Neue Debatte.

Psychogramm für stürmische Zeiten — Neue Debatte

Die biologischen Träger der Zukunft und die Warnehmungsabstinenz

Das, was sich an Kritik bezüglich der Medien breitmacht, die sich in alter Gewohnheit an Funk, Presse und Fernsehen orientiert, ist in vielerlei Hinsicht berechtigt. Mehr noch, durch die einseitige, zumeist schlampig recherchierte und gezielt meinungsbildende Art, die sich die dominierende Fraktion der Kommunikation zueigen gemacht hat, stößt nicht nur auf Ablehnung, sondern sie trägt auch massiv zu einer gesellschaftlichen Zerrissenheit bei, die auf einen heißen Konflikt hinausläuft. Diejenigen, die diese Entwicklung kritisch begleiten, sind zunehmend verzweifelt über die anscheinend existierende Teilnahmslosigkeit seitens der Bevölkerung. Hinter diesem Befund steht nicht nur das beobachtete Abdriften seitens der öffentlichen Kommunikation. Denn dahinter verbirgt sich auch eine im besten Fall zu bezeichnende Lethargie von Parteien und Institutionen. Es ist auch die psychologische Macht, die diese Organe mittlerweile erlangt haben. Denn manch ein Politiker oder Vertreterinnen und Vertreter aus Institutionen und Personen des öffentlichen Lebens überlegen sich zweimal, ob sie sich kritisch zu dieser Entwicklung äußern. Dann machen sie das, dann werden sie vor sich hergetrieben wie zum Abschuss freigegebenes Wild. Daran ändert auch nichts wie der zynische Hinweis, man könne nach wie vor alles sagen. Der Grad der öffentlichen Vernichtung von Individuen und ihrer Position hat eine Dimension angenommen, wie sie in der Geschichte der Republik noch nicht da war. Selbst in den heißesten Zeiten des Kalten Krieges wurde nicht der Versuch unternommen, eine aufgeladene Meute auf die vermeintlichen Delinquenten zu hetzen. 

Was jedoch kaum auf dem Radar zu vernehmen ist, sind die Reaktionen auf die Entwicklung jenseits der erwähnten Medien. Was machen eigentlich diejenigen, die als die nachkommende Generation bezeichnet werden? Die nicht daran denken, die in der Republik gealterten Zeitungen in die Hand zu nehmen oder das öffentlich-rechtliche Fernsehen einzuschalten? Ihre Kommunikationsforen haben die Kritiker zumeist nicht auf dem Schirm und es ist ungewiss, wie sie auf die Entwicklung dort, wo sie sich nicht aufhalten, reagieren. Vermeintlich gar nicht, denn wieso sollten sie sich zu etwas äußern, was sie seit langem nicht mehr interessiert oder noch nie interessiert hat? Das junge Segment der Gesellschaft, nicht unbedingt repräsentiert von denjenigen, die sich in den etablierten Institutionen bewegen, befindet sich in einer Wahrnehmungsabstinenz, die zu großen Überraschungen führen kann. Denn Analysen über deren Interessen und Haltungen liegen kaum vor. Das, was als solches reklamiert wird, bezieht sich auf das Sichtbare Systemimmanente. 

Auffallend ist, dass bei Veranstaltungen, in denen auch diese Menschen zu Wort kommen, zum Teil sehr kritische Positionen zum Vorschein kommen, die zwar in unterschiedliche Richtungen weisen, aber von einer Ablehnung des Bestehenden getragen werden. Insofern kann von einer schweigenden Opposition gesprochen werden, die angesichts der Überhitzung der öffentlichen Debatten innerhalb der etablierten Foren nicht wahrgenommen wird und die niemand so richtig klassifizieren kann. 

Wer glaubt, Fridays For Future, die Grüne Jugend oder die in den etablierten Medien gepushten Bewegungen und Organisationen repräsentierten diese Jugend, unterliegt einer Täuschung. Es handelt sich dort um sich dezidiert äußernde Minderheiten, die im großen Spiel der Macht instrumentalisiert werden. Die große Unbekannte jedoch bleibt. Da es sich tatsächlich um die biologischen Träger der Zukunft handelt, ist es von großer Bedeutung, die Interessen, die Weltbilder und die Haltung dieser gesellschaftlichen Gruppe zu erfahren. Das geht nur im direkten Dialog. Und wieder ein Argument, um die Felder der subventionierten Ideologieschmieden schleunigst zu verlassen.