Der 11. September des Jahres 2001 hatte, nachdem der erste Schock verflogen war, zweierlei Debatten zur Folge, die einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung in der Welt haben sollten. Die eine wurde vor allem in der muslimischen Hemisphäre geführt und in der Öffentlichkeit des Westens kaum registriert. Dort regte man sich nämlich an vielen Orten darüber auf, dass die Aktionen von Al Qaida und ihresgleichen in der Bilanz weitaus mehr muslimische als nicht-muslimische Opfer gefordert hatte und dass es an der Zeit sei, dem Terrorismus das Wasser abzugraben. Und die so genannte Achse gegen das Böse, die vom US-Präsidenten Bush geschmiedet wurde, war aus der Sicht vieler Muslime ein Hohn, weil die USA ausgerechnet im muslimischen Lager mit den reaktionärsten und den dem Terrorismus am nächsten stehenden Regimes fraternisierte.
Die Diskussion im Westen hatte einen völlig anderen Charakter. Sie blendete die muslimische Welt aus und reflektierte die Befindlichkeit des Westens selbst. Gut gemeinter Tenor der Überlegungen war, dass sich der Westen mit seiner Demokratie nicht erpressen lassen und als letztes an den demokratischen Qualitäten und Freiheiten zweifeln dürfe. Doch auch hier wurde es schwer, der Vernunft treu zu sein, denn innenpolitisch funktionierte das System Bush ähnlich kontraproduktiv wie außenpolitisch. Als innenpolitische Konsequenz auf die Liberalisierung der Clinton-Ära gewählt, nutzte sie die Bedrohung durch den islamistisch ausgewiesenen Terrorismus als Vorwand, um peu a peu eine protestantisch-puritanistische Diktatur einzuführen, die weit entfernt auch von den Idealen der amerikanischen Demokratie ist.
Betrachtet man die heutige US-Gesellschaft, so fallen gleich mehrere Probleme auf, die gelöst werden müssen und zu deren Lösung zu großen Wähleranteilen Barack Obama entsandt wurde. Zum einen ist die systematische Abkehr von einer industriellen Wertschöpfung einer extensiven Dienstleistungsbranche gewichen, deren Leistungen allerdings fast niemand mehr bezahlen kann. Zum anderen wurde der US-amerikanische Markt mit Billigprodukten aus China überflutet, was die Handelsbilanzen nachhaltig verhagelte. Die strategische Überdehnung einer Supermacht, die sich allzu bereit in Weltordnungsmachtpflichten rufen ließ, ohne die ökonomische Potenz noch vorhalten zu können, musste ins Schlingern geraten. Und der Versuch, die neuartige Bedrohung durch eine asynchrone Kriegsführung parieren zu können, indem man auf die überholte Wertewelt der frühen, weiß-protestantischen Siedlergesellschaft zurückgriff, konnte nur zu einer Aufweichung und Schädigung der demokratischen Traditionen führen.
Wer einen Eindruck von der Abkehr der USA von Demokratie und Diversität erhalten möchte, möge den viel gepriesenen Schmelztiegel New York City besuchen, der das alles existieren lässt in einem weiß-anglosächsisch-protestantischen Reagenzglas. Aus dem großen informellen, provisorischen und überaus toleranten Labor, über deren Bevölkerung der unvergessliche „Borstal Boy“ Brendan Behan schrieb, wer sie verachte, hasse die menschliche Rasse, aus diesem Labor ist eine erbärmliche Diktatur kleinbürgerlicher Verordnungen unter Bloombergscher Regie geworden.
Vielen, die New York aus anderen Zeiten kennen, scheint es eine Wende zum Besseren zu sein, weil die Parks sauberer, die Straßen sicherer und die Bars rauchfrei sind. Doch die Essenz dieser Metropole, aus der eine Überlebenselite entstehen konnte, ist kaum noch zu spüren. Der 11. September hat das Land und diese Stadt sehr verändert und der Schaden ist größer, als man es wahr haben will.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.