The Who. The Greatest Hits & More
Das alles ist nun fast ein halbes Jahrhundert her. Im Londoner Stadtteil Sheperd´s Bush stürmten an einem Samstagabend vier junge Männer die Bühne und brachten das proletarische Publikum zum Kochen. Der Name war Programm: The Who, die Unbekannten, die aus der grauen Masse, meldeten sich lautstark zu Wort und hatten etwas zu sagen. Sie rockten was das Zeug hielt, überlaut, rebellisch und aggressiv. Zum Schluss droschen sie ihre Gitarren in die Verstärker und setzten die Bühne in Brand. Das war ein Ausrufezeichen und die britische Hauptstadt hatte endlich die Underdogs, die ihr Rebellentum manifest machten.
Über Nacht wurden The Who berühmt, die Zeit für einen Geheimtipp war nicht da. Mit Songs, die nicht nur rockten, sondern auch den Aufstand verbalisierten, stürmten sie in die Herzen einer bis dato am Rande stehenden proletarischen Jugend und mischten die ganze Szene auf. I Can´t Explain, The Kids Are Alright, Substitute und Happy Jack waren die Aufschläge, mit denen sie die Jugendclubs heimsuchten und mit My Generation gaben sie einer ganzen Generation ihre Hymne. People Try To Put Us Down, schrie ein wild mit den Armen rudernder Roger Daltrey ins Publikum, während Pete Townsend auf die Gitarren einschlug wie ein Derwisch und am Schlagzeug ein Keith Moon loswirbelte, als sei es sein letzter Auftritt. Plötzlich waren sie überall angesagt, sie eroberten England und waren kurz darauf wie selbstverständlich in Woodstock. Und es passte zu ihnen, dass sie die einzigen waren, die den Mythos Woodstock nie pflegten. Das beschissenste Festival aller Zeiten nannte Keith Moon das Flower Power Festival, es habe nur geregnet, nichts zu Essen gegeben und überall nach Scheiße gestunken.
Erst später, nach dem sie längst etabliert waren, kamen auch leisere Töne, auch das erfolgreich gecoverte Behind Blue Eyes, welches im Original unübertroffen ist und als die authentischste Version des Blues des Weißen Mannes gelten kann. Dann versuchten sie das dem Zeitgeist entsprechend Bombastische mit ihrer Rockoper Tommy zu toppen, vom Sujet her blieb es proletarisch, vom Aufwand neureich. Danach wurde es ruhig, bevor sie noch einmal aufdrehten, sich ihrer Wurzeln erinnerten und in Bezug auf ihre Irrtümer auch Zeugnis ablegten. We Won´t Get Fooled Again hieß das dann und schlug wieder ein wie ein Stein in das Schaufenster eines Etablierten. Keith Moon erlag früh seinen Exzessen, der Bassist John Entwistle starb vor einigen Jahren und Pete Townsend ist seit Jahrzehnten taub. Ihre Musik war Aufstand, und sie selbst gingen aus dieser Rebellion wie Kriegsversehrte.
Das in diesem Jahr erschienene Album dokumentiert alle Phasen in einer ordentlichen Qualität. Die Musik reißt noch mit wie damals, zumindest bei allen, die das Gen der Rebellion in sich tragen. Die Zeit der Who und ihrer Musik ist lange vorbei, doch wer dieses Brausen aus dem Londoner Sheperd´s Bush noch einmal fühlen will, der sollte sich dieses Album anhören. Laut! Kompromisslos! Echt!
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