Betrachten wir es kalt. Der Fußball ist ein Genre mit vielen Emotionen. Und gerade wenn sich die Ereignisse häufen oder Dinge passieren, die viele in intensive Gefühlswelten katapultieren, ist es angebracht, kühlen Kopfes mit dem Sezierbesteck zu Werke zu gehen. Nach der letzten Nacht liegen aufregende Tage hinter uns. Ein Weltverband, der aus den Fugen geraten ist und ein deutsches Pokalfinale. Die letzten Relegationsspiele stehen noch an und auch dort kann es passieren, dass gewaltige Fußballtraditionen in untere Klassen verwiesen werden.
Das Finale in Berlin war keine klare Sache. Dortmund begann couragiert und ideenreich, führte früh und verlor erst dann, als Marco Reus das 2:0 nicht gelang. Es war der Drehpunkt des Spiels. Die Dortmunder Verzweiflung über nicht genutzte Chancen führte zu Wolfsburger Toren, die brillant ausgeführt wurden, aber nur aufgrund von Fehlern der Dortmunder Abwehr möglich waren. Das 3:1 zur Halbzeit war auch der Endstand. In der zweiten Hälfte wurde dann deutlich, wie verbrannt die Ideen des scheidenden Trainers Jürgen Klopp zumindest in den Köpfen der eigenen Spieler sind. Sie traten nicht mehr auf wie ein Ensemble, das es noch reißen will. Der Sieg für den Konzernverein Wolfsburg ging in Ordnung. Der Trend zu derartigen Vereinen nicht. Dass es für Klopp Zeit war zu gehen, zeigte sich nach dem Spiel. Kein Trainer mit einem derartigen Kultstatus tut einer Mannschaft gut. Das vielleicht auch die Lehre aus dem Ganzen: Trainer müssen die Entscheidung treffen zwischen Selbstinszenierung und Sich-in den-Dienst-Stellen. Durch seine Entertainment-Qualitäten hat sich Klopp von der Mannschaft isoliert. Aber sieben Jahre haben dennoch sehr viel bewegt, und sie waren von Erfolg geprägt.
FIFA heißt Schauderwort, mit dem medial gepunktet wird. Ja Donnerschlag, war bei den Enthüllungen, die die amerikanische Staatsanwaltschaft bis dato vorgelegt hat, irgend etwas Neues? Dass das Präsidium mit den Mitteln von Korruption, Kollusion und Nepotismus arbeitet, ist seit langem jedem bewusst, der das Geschäft des Fußball verfolgt. Und dass die europäischen Verbände nicht ihre Macht einsetzen, um diese Verhältnisse zu beenden, spricht für sich. Personell sind sie zum Teil Bestandteil des Systems. Sie sollen nicht so tun, als seien sie empört. Immer wieder grandios sind zum Beispiel die Statements des medialen Kaisers Franz Beckenbauer. Hatte er in der Vergangenheit bereits in Katar keine Sklaven in seinen gekühlten Luxussuiten gesichtet, so verteidigte er gestern noch die FIFA gegen die zahnlose Kritik der UEFFA. Da ist Vorsicht geboten. Wenn der Hoeneß freikommt, sitzt vielleicht der Franz. Und Platinis Sohn hat schon einen Posten in Katar. Alles wunderbar.
Zu kritisieren sind die europäischen Institutionen, die nichts bewirkt haben gegen dieses kriminelle Milieu. Dass nun ausgerechnet US-amerikanische Ermittlungsbehörden aufkreuzen, scheint allerdings auch kein Zufall zu sein. Zu schnell und zu deutlich wurde bei der ganzen Sache die Vergabe der nächsten WM an Russland und die danach an Katar in den Fokus gestellt. Wenn es darum geht, die nächste WM in Russland zu verhindern, dann ist die ganze Nummer ebenso perfide wie die Methoden eines Sepp Blatter. Die Rufe nach der Selbsterneuerung des Fußballs, die nun durch den Äther hallen, sind ziemlich scheinheilig. Nähmen wir, die Aficionados, sie ernst, dann verzichteten wir einfach mal ein, zwei Jahre auf den ganzen Rummel. Das halten wir genauso aus wie der Fußball selbst, nur dessen verkommene Broker, die bissen ins Gras.
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