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Krieg und Öko-Bilanz: It´s global dominance, stupid!

In Bezug auf die Investitionen existieren Zahlen. Bei insgesamt global nahezu einer Billion Euro an jährlichen Ausgaben für militärisches Equipment handelt es sich ungefähr um das Vierzigfache an dem, was aufgrund internationaler Beschlüsse in Projekte mit einer ökologischen Dimension veräußert wird. Dieses Verhältnis spricht Bände und lässt nur einen Schluss zu: das Streben nach Macht und Dominanz ist in den Kreisen der Regierungen, unabhängig ihrer systemischen Zugehörigkeit, weitaus ausgeprägter als die Sorge um die natürlichen Lebensgrundlagen. Wäre die Furcht vor Klimawandel und Ederwärmung tatsächlich so ausgeprägt, wie immer wieder beteuert, müsste das Zahlenverhältnis zwischen Militärinvestitionen und Maßnahmen zur ökologischen Nachhaltigkeit ein komplett anderes sein.

Hinzu kommt, dass jede Form der kriegerischen Auseinandersetzung ein massiver Eingriff in den Naturhaushalt ist. Und, angesichts der seit Jahren in den verschiedenen Regionen dieser Welt geführten heißen Kriege, findet ein Ausmaß an Zerstörung statt, das alle unternommen Maßnahmen zur CO2-Reduktion etc. bei weitem übersteigt. Alles, was an politischer Umsteuerung von Produktion und Konsum veranstaltet wird, machen Kriege im Handumdrehen zunichte. 

Allein der Vergleich von Investition und Zerstörung zeigt, wie hilf- und belanglos die Beschwörungen hinsichtlich der notwendigen Umsteuerung der Lebensweise ist. Wer Kriege protegiert, sich für die Barbarei statt für die Zivilisation entscheidet, und auf der anderen Seite eine Pazifizierung der kapitalistischen Produktion predigt, kann nur eines für sich beanspruchen: eine mit vielen Finten und Hintertürchen erschaffene Ideologie zu protegieren, die von den wahren Absichten ablenkt.

Zu den vielen, immer wieder vorgelegten Bilanzen gehören eben nicht jene, die die Augen öffnen würden. Zu der Frage nach Krieg und Dominanz kommt nämlich noch eine andere: Wer produziert eigentlich das, was das vermeintliche Treibhaus fördert? Die Milliarden Mittellosen der Erdbevölkerung oder diejenigen, die sich in der Minderheit befinden, in Wohlstand leben und den Ressourcenverbrauch anheizen als gäbe es kein Morgen mehr? Auch diese Zahlen liegen vor. Herunter gebrochen auf die einzelnen Gesellschaften ist das sehr deutlich zu erkennen. Die Reichen sind die Ressourcenverbrenner. Und sie sind es, die in ihrem Streben nach Macht und Dominanz sich einen Teufel um jede Art von Ökobilanz scheren. 

Insofern stellt sich mit aller Macht die Frage, wie es kommen kann, dass ausgerechnet in den Ländern, in denen der Ressourcenkonsum am größten ist, die Bewegungen zur Rettung der natürlichen Lebensgrundlagen weder die Frage nach Krieg und Frieden, noch die nach einer Veränderung der Besitzverhältnisse stellen? Denn, wenn sie das nicht tun, wie es deutlich sichtbar der Fall ist, welchen Zweck verfolgen sie dann? Wollen sie den armen Teufeln, deren Beitrag zu der vermeintlichen Katastrophe gering ist, noch hinsichtlich ihres Konsums ein schlechtes Gewissen einreden? Und wollen sie davon ablenken, wer die Gesellschaften in die Kriege treibt und sich die großen Brocken bei den Raubzügen in die Taschen steckt? Ein kleiner Blick auf die seit dem Krieg in der Ukraine vollzogenen Veränderungen der Besitz- und Nutzungsrechte von Agrarflächen zeigt, dass es um ganz materielle Dinge geht, und nicht um die liberale Demokratie. 

It´s the economy, stupid, verrieten 1992 die Wahlkampfstrategen des ehemaligen amerikanischen Präsident Bill Clinton, worum es ging. Angesichts der jetzigen Phase muss dieser Satz komplettiert werden. It´s global dominance, stupid. Diese Erkenntnis hilft wesentlich weiter, als sich darüber Gedanken zu machen, ob man eine Strecke mit dem Auto oder mit dem Fahrrad zurücklegt. Solange Panzer durch die Lande rollen, die 530 Liter Diesel auf 100 Kilometer verbrauchen, scheint es doch um ganz andere Dinge zu gehen, oder?   

Biden/Harris: The Thrill Is Gone

In den westlichen Demokratien existieren drei Termine, an denen Bilanz gezogen wird. Nach den ersten 100 Tagen der Amtsführung, nach einem Jahr und vor den nächsten Wahlen. In den USA jährt sich momentan die Amtseinführung des demokratischen Präsidenten Joe Biden und seiner Stellvertreterin Kamala Harris. Auch aus europäischer Sicht ist es interessant, dieses Datum zum Anlass zu nehmen, um einen Blick auf die amerikanischen Verhältnisse zu werfen. Und obwohl es eine unzulässige Einschränkung der Perspektive ist, wenn man sich exklusiv auf Umfrageergebnisse stützt, so beschreiben solche zumindest gewisse Tendenzen. Und, folgt man den Demoskopen, dann ist die bisherige Bilanz alles andere als ermutigend, zumindest für die Amtsinhaber und ihre Parteien. Denn die Zustimmungswerte sind sowohl für den Präsidenten als auch, und bei ihr noch weitaus drastischer, für die Vizepräsidentin dramatisch zurückgegangen. Und das nicht nur bei den parteilosen Wählerinnen und Wählern, sondern auch bei den Mitgliedern des eigenen Lagers. 

Erklärt wird das mit Mehrheiten im Kongress und im Senat, mit Corona und mit der Spaltung des Landes, an der sich nichts geändert habe. Das trifft sicherlich alles zu, aber es bleibt zu sehr an der Oberfläche. Aber wie könnte man von der hiesigen Berichterstattung mehr erwarten als von der us-amerikanischen? Die USA befinden sich in einem eigenen, inneren Klärungsprozess, der noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, dessen Ausgang völlig offen ist und der auch die hiesigen Verhältnisse in dramatischer Weise mitbestimmen wird. 

Nicht, dass es nicht Stimmen in den USA gäbe, die sich dessen nicht bewusst wären. Ganz im Gegenteil: in der selbstkritischen Analyse der eigenen Identität und Rolle sind bestimmte Teile der Gesellschaft bereits weit fortgeschritten. Festzustellen ist, dass die globale hegemoniale Monopolstellung der USA ihren Zenit überschritten hat. Dies gilt in militärischer wie in ökonomischer Hinsicht und der erreichte Zustand wird mit dem Begriff der strategischen Überdehnung beschrieben, d.h. die Kräfte, die erforderlich sind, um zumindest den Schein der Full Spectrum Dominance aufrechtzuerhalten, übersteigt den tatsächlichen Nutzen. Hinzu kommt eine tiefe soziale wie politische Spaltung des Landes, der Unterschied zwischen Reich und Arm ist so groß wie nie, wobei die Definition von Armut bereits auf einem Level ansetzt, das aus fremdländischer Perspektive bereits an Irrsinn grenzt, aber es spiegelt die Verhältnisse die ihrer Dramatik treffend wider.

Die beiden miteinander konkurrierenden Parteien, Demokraten wie Republikaner, haben eines gemeinsam: sie zweifeln beide nicht an der Notwendigkeit, das einzige, alles beherrschende Imperium bleiben zu wollen. Insofern sind beide Parteien eine Garantie für alle globalen Verwerfungen, die daraus resultieren, unabhängig von der Rhetorik, mit der die Demokraten im Wahlkampf gegen den vormaligen Präsidenten Trump angetreten sind. Was eine andere, sozialere und tolerantere Gesellschaft anbetrifft, so kann dem nicht entsprochen werden, wenn der frei durch die Zonen des Globus wabernde Finanzkapitalismus, der die Notwendigkeit billigen Zugriffs auf Ressourcen mit sich bringt, inklusive der Ressource Arbeitskraft im eigenen Land. 

Nach einem Jahr hat sich für viele Wähler herausgestellt, dass sich an dem für sie verhängnisvollen Pfad der Entwicklung auch unter neuer Führung nichts ändern wird, egal welche Rhetorik sie anwendet und unabhängig von immigrantisch genealogischen Referenzen. Imperium bleibt Imperium. Und in Imperien weiß man,  dass bei schwierigen innenpolitischen Situationen ein Krieg, möglichst weit weg vom heimischen Herd, vieles zu übertünchen in der Lage ist. Etwas, was man sich hier in Europa besonders vor Augen führen sollte, will man sich nicht auf einem Opfertischchen bei einem östlichen Picknick wiederfinden.

Infektionsgeschehen

Es existiert keine Lebenssphäre mehr, in der der Begriff nicht auftaucht. Seit einer gefühlt unendlich langen Zeit, immer wieder und sogar zunehmend. Das Infektionsgeschehen, wie es so vieldeutig heißt, bestimmt das Leben. Oder besser gesagt, das Infektionsgeschehen bestimmt, inwieweit sich die politische Administration dazu ermächtigt fühlt, grundsätzliche Freiheitsrechte einzuschränken. Der Streit, der darum entsteht, ist ein uralter im rechtsphilosophischen Sinne. Ist, in Anbetracht der abzuwehrenden Gefahr, die Einschränkung der Freiheit verhältnismäßig? Und angesichts dieser Frage, die so kühl und kalkulatorisch verhandelt werden müsste, entfacht sich ein Feuer, das eher als Indiz für unsere aus den Fugen geratene Zeit gehalten werden kann. Die einen werfen den anderen vor, die Gefahr zu überhöhen, um die Freiheitsrechte zu stürmen. Die anderen wiederum bezichtigen die Gegner der Maßnahmen der Verharmlosung der Gefahr und deklarieren sie selbst damit zum gesellschaftlich unsolidarisch handelnden Gefahrenherd. Ja, das Infektionsgeschehen hat es in sich.

Was bei den Debatten um Maskenschutz, Abstandsregeln, Desinfektion und der Reduktion von Sozialkontakten eher verloren geht, ist die nachhaltige Veränderung, die mit dem Krisenmanagement einhergeht und noch weiter einhergehen wird. Schon jetzt ist zu sehen, dass die Spaltung der Gesellschaft in extrem Reich und extrem Arm beschleunigt wird. Das allein reicht aus, um sich grundsätzliche Fragen zu stellen. Denn eines ist klar: die Armen sterben häufiger als die Reichen. Die einen sitzen eingepfercht in kleinen Wohnungen eng aufeinander, während die anderen in ihren parkähnlichen Gärten flanieren und in großen Räumen vor dem wärmenden Kamin sitzen. Klischees? Ja! Treffen sie zu? Ja, mehr denn je! 

Es wäre hilfreich, die Faktoren, die momentan zum öffentlichen Diskurs gehören, auf dem Sozialatlas zu analysieren. Das immer präsente Infektionsgeschehen wird verstärkt in der Unterschicht ausgeprägt sein ebenso wie die Übersterblichkeit. Es handelt sich zwar nur um eine Prognose, sie ist jedoch ohne großes Risiko. Wer nichts hat, so die bittere Quintessenz nach Jahrzehnten des Wirtschaftsliberalismus, verliert schnell alles, und wer bereits hat, gewinnt schnell dazu. Der globale Markt wird es schon regeln, denn billige Arbeitskräfte lassen sich aus jedem „Shithole“ (Zitat des amerikanischen Präsidenten) so schnell importieren wie Zitronen oder Seltene Erden. Das Modell, mit dem das Infektionsgeschehen konfrontiert ist, ist das Produkt von vierzig Jahren kapitalistischen Triumphgeheuls. Entsprechend human wirkt es sich aus. Wer diese Auswirkungen nur einer Regierung, und zwar der jetzt amtierenden, anlastet, bewegt sich leider nur auf der phänomenologischen Ebene. 

Jenseits der epidemiologischen Dimension bezeichnet das Infektionsgeschehen also auch noch etwas anderes. Es handelt sich dabei um ein bereits langes, aber nicht wirklich bekämpftes Virus. Es ist ein Derivat der kapitalistischen Krankheit, das besonders heimtückisch ist. Es wurde entwickelt in den Labors der Chicago School of Economics, die Laboranten nannten sich kokett die Chicago Boys. Die ersten Mutationen waren gedacht, um Staaten in Südamerika zu destabilisieren und beherrschbar zu machen. Das gestaltete sich als so erfolgreich, dass sie das Virus isolierten und als Prototypen für globale Infektionsvorhaben weiter kultivierten. Heute ist die Krankheit in allen Ländern, in denen der Westen operiert, prächtig entwickelt. Sie bildet die Grundlage für die Zweitindikation namens Corona. Letztere kann sich so verheerend auswirken, weil das erste Virus, das des Wirtschaftsliberalismus, bereits hervorragende Vorarbeit geleistet hat. 

Wenn der Begriff „Infektionsgeschehen“ fällt, sei bitte daran gedacht, dass es sich nicht nur um eine epidemiologische und medizinische Dimension, sondern auch und vor allem um eine politische handelt.