Ostermärsche und jene, die den Frieden hassen wie die Pest

Traditionen haben eine Eigenart. Auf der einen Seite vermitteln sie Zuversicht und das Gefühl von Kontinuität. Auf der anderen Seite können sie das Gefühl eines falschen Beharrens auf gestrigen Vorstellungen hervorrufen. Insofern sind Tradition und Dialektik ein auf Lebenszeit vermähltes Paar. Denn in ihnen wohnt tatsächlich immer beides. Historische Kontinuität und Beständigkeit und das Baden in alten Bildern und Metaphern.

Allerdings existieren auch Traditionen, die von Menschen gepflegt werden, die sich glücklich schätzen würden, wenn sie sie nicht mehr bedienen müssten. Eine solche Tradition sind die Ostermärsche. Sie sind immer unter dem Motto der Friedensmahnung gelaufen. Und man kann ohne Abstriche allen zugestehen, die zum Teil bereits seit Jahrzehnten die Märsche aktiv gestalten, dass es ihnen mehr als Recht wäre, wenn sie nicht mehr nach Frieden rufen müssten. Wenn Friede herrscht, muss man ihn nicht fordern. Da global gesehen dieser Befriedungszustand nie in Sicht war, stellt sich die berechtigte Frage, ob die Tradition der Ostermärsche nicht allein deshalb ein Evergreen bleiben muss, weil in der Geschichte der Menschheit, unabhängig von bestimmten Gesellschaftsordnungen, immer irgendwelche Imperien untereinander oder mit Aufständischen Krieg führten. Wer sich damit nicht abfinden will und der Auffassung ist und bleibt, dass das Wort immer wichtiger ist als das Beil oder der Schuss, ist also in einer solchen Tradition gut aufgehoben.

Was seit einigen Jahren auffällt, ist die biologische Konsistenz derer, die auf den Ostermärschen unterwegs sind. Es mutet mehrheitlich an wie eine Seniorenveranstaltung, auf die sich die Jugend nicht verirrt. Das kann damit zu tun haben, dass die verheerenden Geschichten des Kriegs im kollektiven Gedächtnis aufgrund einer relativ langen hiesigen Friedensphase nahezu erloschen sind. Und es ist kein Wunder, dass in einer solchen Situation das Wort der Zyniker wieder laut wird, es sei mal wieder Zeit für einen heißen Krieg, damit die friedensverwahrlosten Generationen einen Eindruck von existenziellen Verheerungen bekommen könnten. 

Trotz dieser Tendenz, die sich durch die Anzahl der Teilnehmer wie deren Haarfarbe wird festmachen lassen, sollte man heilfroh sein, dass es noch Menschen gibt, die sich nicht davon abbringen lassen, den Finger in die Wunde zu legen. Und, ganz aktuell, aufgrund der im geopolitischen Maßstab abgehaltenen Gefechte, in denen auch in Deutschland unverantwortliche Bellizisten unter der Lampe der Aufmerksamkeit stehen und ihre blutrünstigen Pläne in den Äther bellen, ist es umso wichtiger, Zeichen zu setzen. Damit nicht der Eindruck entsteht, dass dieses Land mit seinem gesamten Personalportfolio nichts aus dem Desaster der Vergangenheit gelernt hat. Denn hört man die Lobbyisten des militärisch-industriellen Komplexes schreien, dann ist der Imperialismus und der Krieg für Ressourcen wieder salonfähig. Da hilft auch nicht der Versuch, das alles mit einem Angriff auf die hehren Ideale der liberalen Demokratie zu kaschieren. Eine Kurze Betrachtung der Bündnispartner zeigt, wie verlogen das alles ist.

Eines dürfte klar sein. Wenn sich die verborgenen Tore zu einer den Frieden im Sinn habenden  Diplomatie wieder öffnen sollten, dann wird die Stunde der Schreihälse schnell abgelaufen sein. Dann sind sie verbrannt wie die Motten im Licht. Und deshalb, bitte achten Sie auf die Verlautbarungen der nächsten Tage, werden sie Gift und Galle gegen die Ostermärsche spucken. Keine Unverschämtheit, keine Beleidigung und keine Beschuldigung wird ihnen zu dumm sein, als dass sie sie nicht hinausschreien. Achten Sie nur darauf, und Sie werden eine wunderbare Liste von Namen haben, die nur dann von Bedeutung sind, solange der Krieg tobt. Danach wird niemand mehr von ihnen reden. Deshalb hassen sie den Frieden wie die Pest. 

3 Gedanken zu „Ostermärsche und jene, die den Frieden hassen wie die Pest

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  2. Alice Wunder

    Ist doch schon schwächer geworden dieses Jahr. Je erfolgreicher die Rückwärtsverteidigung, desto attraktiver das Einfrieren des Bestehenden.

  3. Till Sitter

    Ja, danach wird niemand mehr von den Kriegstreibern reden und sie können wieder sang- und klanglos in die zweite Reihe verschwinden. Sind sie dort unschädlich?

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