Fundstück: Die einfachen Prinzipien des Dean Mott

10.01.2016

Relativ klar sind die Bilder von einem Journalismus, wie er sein sollte. Es ist merkwürdig. Vieles, was heutigen Verwerfungen unterliegt, resultiert aus einer Verletzung von Grundsätzen, die irgendwann, in früheren Zeiten, geprägt oder übernommen wurden und die als unangefochtenes Grundgesetz in der Hall of Fame der Demokratie standen. Bei der Vorstellung der wesentlichen, positiven Merkmale eines für die Demokratie adäquaten Journalismus ist es genauso.

Zu bedenken dabei ist die Tatsache, dass der Übernahme guter journalistischer Prinzipien zunächst die Barbarei vorausging. Die Vorstellung von Radio, Rundfunk und Presse, die in Deutschland und im benachbarten Ausland während Diktatur und Krieg herrschte, war geprägt von Organen wie dem Stürmer und Protagonisten wie Joseph Goebbels. Da war aus Journalismus Propaganda geworden und diese Art der Massenbeeinflussung ist eine der tragenden Säulen des deutschen Desasters gewesen. Dass heute viele Menschen die Entwicklung in der deutschen Medienlandschaft nicht nur so kritisch, sondern auch so emotional hochgeladen verfolgen, hat sehr mit dieser Geschichte zu tun..

Bei der Lektüre der Biographien derer, die das Bild des guten Journalismus in der frühen Republik nicht durch ihre politische Haltung, sondern durch exzellentes Handwerk und einen Berufsethos geprägt haben, fällt auf, dass diese allesamt von den Siegermächten zu Hospitationen in ihre Länder geholt wurden. Und für den Journalismus, der heute so vermisst wird, übrigens auch dort, standen England und die USA. Ganze Schiffsladungen und Flugzeuge voller junger Journalisten führen über Kanal oder Teich, um zu lernen.

Eine der bis heute wohl bekanntesten Schulen für den Journalismus in den USA war die School of Journalism unter dem damaligen Dekan Dean Mott in Columbia, Missouri. Nach Angaben des österreichischen Journalisten Hugo Portisch, der auch dort hospitierte, waren es folgende, einfache Prinzipien, die Dean Mott den jungen Presseleuten mit auf den Weg gab:

„Nummer eins: Das Wichtigste für jeden von euch muss die persönliche Unabhängigkeit sein, keine Verbrüderung mit Politikern! Nummer zwei: ihr habt immer der Wahrheit verpflichtet zu sein, check, er-check, double-check – also überprüfen, nochmals überprüfen und selbst dann nochmals überprüfen – nämlich auf den Wahrheitsgehalt dessen, was ihr berichtet und kommentiert. Zusatz: Und wenn ihr euch irrt oder falsch informiert würdet, dann habt ihr dies so rasch wie möglich im gleichen Medium richtigzustellen. (…) Zur Wahrheitsfindung aber habt ihr zwei weitere Grundsätze zu beachten (…) immer auch die andere Seite anhören und (…) im Zweifel für den Angeklagten.“

Laut Portisch saßen diese Botschaften tief, weil sie für die aus Deutschland und Österreich angereisten Journalisten völliges Neuland waren. Jedenfalls wurden sie hierzulande adaptiert und waren lange Zeit die Essentials der Journalistenausbildung. Es gehört nicht viel dazu, sich ein Bild davon zu machen, inwieweit die heutigen Nachrichtenorgane sich diesem Codex des Journalismus verpflichtet fühlen. Bemerkenswert ist, dass die aus einem Zwangsmonopol zur Sicherung der Demokratie heraus finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten sich extrem weit von diesen journalistischen Grundsätzen entfernt und einen großen Schritt hin zu den Prinzipien von Propaganda, Vereinfachung und Emotionalisierung, gemacht haben. 

Die Ereignisse der Silvesternacht in Köln und anderswo waren wieder einmal auch aus der Perspektive des Journalismus ein herausragendes Beispiel für die grausame Qualität, in der sich die Berichterstattung befindet. Verzögerung von Meldungen, parteiische Darstellungen, das Heranziehen windiger Zeugen, die Fraternisierung mit Politikern etc., all dies wurde bestens illustriert. Die schlimmsten Propagandisten verdienen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten 50.000 Euro und mehr pro Monat. Das kommt nicht von ungefähr, hinter der Etablierung von Propaganda steht ein politisches Design.