Die Konsistenz des Hugo Chávez

Für die schreibende Zunft in unserem Land ist es ungeheuerlich. Eine Figur wie Hugo Chávez wird erneut mit unzweifelhafter Mehrheit zum Präsidenten Venezuelas gewählt. Der Mann, der vielen als suspekt und undurchschaubar gilt und dessen Auftritte legendär sind. Unvergessen seine Bemerkung, als er unmittelbar nach dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush das Rednerpult betrat, schnupperte und in das laufende Mikrophon rief, es röche nach Schwefel, ein Zeichen dafür, dass der Leibhaftige wohl an diesem Ort gewesen sei. Hugo Chávez ist ein Frondeur, mal feurig chevaleresk, mal melancholisch an die Herzen appellierend, zumeist berechnend und seinerseits unberechenbar. In Lateinamerika genießt er heute, zu Lebzeiten, schon einen Ruf, wie ihn nur Simon Bolivar, Emilio Zapata, Salvador Allende, Ché Guevara oder Fidel Castro erreichten, alles Figuren, die irgendwo im magischen Realismus eines Garcia-Marquez spielen könnten, aber doch zur Wirklichkeit dieses immer wieder überfallenen und ausgeplünderten Kontinents gehören.

Hugo Chávez trat noch einmal an, nachdem er erfolgreich gegen den Krebs gekämpft und sich seit langer Zeit mit einem fast ebenbürtigen Konkurrenten, dem liberalen Henrique Capriles Radonski, hatte messen müssen. Hugo Chavez hat es wieder geschafft, der 58-Jährige twitterte nach Übermittlung der Stimmenauswertung ganz zeitgemäß über sein IPhone Sätze, die aus der Revolutionsromantik stammen: Danke, mein geliebtes Volk! Es lebe Venezuela! Es lebe Bolivar! Und das Volk dankte es ihm, indem es in den Straßen skandierte Uh, ah, Chávez no se va! (Chávez geht nicht!).

Das Volk hat sich mit mehr als 54 Prozent für den Präsidenten entschieden. Chávez hat an seiner Politik der großzügigen Subvention des Gesundheitssektors, der Bildung und des Wohnungsbaus festgehalten, während sein Herausforderer Henrique Capriles Radonski, der für eine Liberalisierung der staatsmonopolistisch gelenkten Wirtschaft eintrat, immerhin auf respektable 45 Prozent der Stimmen kam.

Die hiesige Presse bemängelt, dass Hugo Chávez ein Profiteur der Ölpreisentwicklung der letzten Jahrzehnte war, was kaum zu bestreiten ist. Keine Frage, die Preise pro Barrel stiegen in den letzten 15 Jahren um das Zehnfache und die Verwendung dieser großzügigen Revenuen kam dem sehr einfachen Volk Venezuelas zugute. Letzteres ist die Massenbasis für Chávez und diese hat sich noch einmal gegen den Mittelstand und die Oberschicht durchgesetzt, die eine andere Konzeption für das Land haben.

Wahrscheinlich haben die Kritiker des vor allem wirtschaftspolitischen Weges Hugo Chávez´ gar nicht Unrecht, denn nachhaltig ist es nicht, die Erlöse aus Rohstoffverkäufen einfach auszugeben, anstatt sie in die Entwicklung neuer, Öl unabhängiger Produktivkräfte zu investieren. Aber im Vergleich zu anderen Staaten, die über üppige Einnahmen aus dem Ölgeschäft verfügen, mutet der sozialromantische Ansatz eines Hugo Chávez doch eher sympathisch an. Das Gebaren vieler arabischer Staaten, die sich hochrüsten bis unter die Haarspitzen, die Terrororganisationen finanzieren, die sich einkaufen in Industrieunternehmen anderer Länder, die sich selber im eigenen Land in Compounds gettoisieren und den weltweiten Frauenhandel kultivieren, die an allen Enden ihrer Region Konflikte schüren und in deren Ländern folglich irgendwann, wenn das Öl versiegt ist, wieder der Wüstensand über die Ödnis weht, diese Länder erfahren im Gegensatz zu Venezuela kaum Kritik unserer angeblich so kritischen, in Wahrheit jedoch hoch manipulativen und propagandistisch agierenden Presse. Das ist eine Symptomatik, die mehr beunruhigen muss als die Ausgabenpolitik eines Präsidenten Hugo Chávez.