Aufstand der Kanaker

Es wird darüber berichtet wie man eben zu berichten müssen glaubt. Über den Aufstand auf der anderen Seite der Erdkugel. Im südlichen Pazifik.  Dort, wohin eigentlich niemand schaut. Wenn es um die großen Ereignisse geht. Und so ist es auch jetzt: im Westen. Da haben die indigenen Bewohner des zu Frankreich gehörenden Neu-Kaledoniens, die Kanaker, die Nase voll von einer kolonialistischen Unterwanderung, die nun durch ein neues Gesetz beschleunigt werden soll. Demnach sollen Franzosen aus Frankreich, die bereits heute eine knappe Mehrheit in Neu-Kaledonien ausmachen, noch schneller dort eingebürgert werden können und das Wahlrecht erhalten. Für die Kanaker würde das bedeuten, selbst bei Kommunalwahlen nicht mehr für Mehrheiten erreichen zu können, die sich für ihre spezifischen Belange einsetzen. Anfänglich friedliche Proteste schlugen nach brutalen Polizeieinsätzen in einen offenen Aufstand um. Aus Paris wurden Soldaten geschickt, die die Rebellion nun niederschlagen sollen.

Was sich weitab in der Südsee abspielt, mag aus der eurozentrischen Weltsicht eine Petitesse sein, im Rest der Welt wird genau beobachtet, was sich dort abspielt. Neben der touristischen Attraktion, die sich aus allen Vorstellungen speist, wie sich Europäer eben die Südsee vorstellen, ist der strategische Wert immens. Wer dort im Kampf um Einfluss einen Standort hat, kann beim Rennen um globale Vorherrschaft mitmischen. Angesichts der us-amerikanischen Zielformulierung, die Dominanz im Pazifik sicherstellen zu wollen, kann die französische Präsenz in Nouvelle-Calédonie nicht hoch genug eingeschätzt werden.

So weit, so gut. Doch das internationale Interesse bezieht sich auf die in guter alter kolonialer Tradition stehende Vorgehen der französischen Regierung. Wenn die Kanaker protestieren, dann schickt man Soldaten, momentan ist sogar von einer Luftbrücke zwischen Paris und der neu-kaledonischen Hauptstadt Nouméa die Rede, und zeigt mit militärischer Gewalt, wer das Sagen hat. Da fällt mit einem Schlag wieder einmal die Maske des Werte-Westens, ohne dass sich die breite Öffentlichkeit dort darüber bewusst wäre. Die alt bekannte Doppelmoral zeigt sich in voller Wirkungsmacht und destabilisiert den Westen in Bezug auf seine Fähigkeit, mit allen Staaten außerhalb der eigenen Bündniswelt noch vernünftige Beziehungen pflegen zu können. Dass dabei der Eindruck entsteht, dass man darauf auch keinen Wert mehr legt, zeigen die gegenwärtigen Protagonisten in der europäischen Politik zur Genüge.

Wer sich dennoch die Mühe machen möchte, die Reaktion im Rest der Welt zur Kenntnis zu nehmen, wird auf sehr vernichtende Beurteilungen des Vorgehens der französischen Regierung stoßen und darf sich nicht darüber wundern, dass es mit dem Wesen des Westens gleichgesetzt wird. Hegemonie und Dominanz, ohne Respekt gegenüber denjenigen, die ihnen unterlegen sind.  Die ganzen Parolen von Vielfalt, Diversität und Toleranz werden als hohle Propaganda identifiziert. 

Und man erinnert sich an das den Kolonialismus anklagende Buch Franz Fanons mit dem Titel „Die Verdammten dieser Erde“. Das Vorwort schrieb übrigens der Franzose Jean Paul Sartre und er überschrieb es mit der Zeile: „Wir sind alle Mörder“. So, wie es aussieht, ist das historische Bewusstsein eines großen Teils der Weltbevölkerung nicht so leergefegt wie das derer, die immer noch glauben, als Minderheit den Planeten beherrschen zu müssen. Der Aufstand der Kanaker in der fernen Südsee zeigt es von Neuem. 

3 Gedanken zu „Aufstand der Kanaker

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