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Picknick auf dem Amselfeld

Beim Erfassen der Nachrichten, jetzt, am Ende einer langen Kette, die durchaus Sinn macht, hört es sich dennoch an wie Meldungen aus einer verkehrten Welt. Der baden-württembergische Ministerpräsident, ein Grüner, beschwert sich bei der Bundesregierung, dass die Verfahren für Asylsuchende aus bestimmten Ländern zu lange dauerten und somit Abschiebungen hinausgezögert werden. Dabei ging es ihm vor allem um Menschen aus dem Kosovo. Zur gleichen Zeit verteidigte eine Sprecherin des bayrischen Ministerpräsidenten das Land, um das es ging, den Kosovo, und bat darum dem Land Zeit zu geben, um was auch immer zu richten.

MP Kretschmann hat natürlich Recht, wenn er die Frage stellt, wieso Bürgerinnen und Bürger eines de facto EU-Staates Asyl in einem anderen EU-Land beantragen. Und MP Kretschmann ist da natürlich auch kalkuliert etwas zynisch. Denn der Kosovo dokumentiert in sehr anschaulicher Weise, wie die EU-Politik seit der Zerschlagung Jugoslawiens funktioniert hat und welche militär-strategischen Aspekte eine Rolle spielen.

Unter der Regierung Schröder/Fischer war es 1998 gelungen, quasi als Morgengabe für die internationale Politik, nicht nur für einen Krieg, der den Kern des ehemaligen Jugoslawiens zerschlagen sollte, nicht nur zu werben, sondern auch aktiv an ihm mitzuwirken. Serbien als Herzstück des ehemaligen Jugoslawiens musste geschwächt werden. Was den Bombardements auf Belgrad folgte, war die Abtrennung des Kosovo von Serbien. Ein Gebiet, dass historisch serbischer nicht sein konnte, wurde von einer internationalen Allianz segregiert und als unabhängig deklariert. Und obwohl kein klares Votum der dort lebenden Bevölkerung möglich war, bevor die nativen Serben von dort nicht vertrieben wurden, um eine demographische albanische Mehrheit zu sichern, wurde eine Regierung anerkannt, die ihrerseits eher dem Bild einer kriminellen Vereinigung denn einer demokratisch legitimierten politischen Allianz glich. Soviel auch, ganz nebenbei, zu Fragen des Völkerrechts.

Und dann kam der Goldregen. Obwohl nicht als Vollmitglied der EU anerkannt, nahm man es de facto auf, der Euro wurde als so genannte Fremdwährung eingeführt und gilt seitdem als Landeswährung. Subventionen aus Brüssel flossen pro Jahr in Höhe von 2,5 bis 4 Milliarden in die Hände eines korrupten Syndikats, das sich zunehmend als Drehscheibe für Waffen-, Drogen- und Menschenhandel etablierte. Eine europäische Öffentlichkeit über diese Verhältnisse existiert bis heute nicht, was den den Eindruck untermauert, dass hier in Europa schon längst zur Praxis gehört, was manche Romantiker immer noch exklusiv den USA vorwerfen: Das Arbeiten mit doppelten Standards, die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Lumpen, je nach dem, ob sie nützen oder nicht. Wer den Kosovo in seinem Zustand als Bündnispartner mit Subventionen am Leben erhält und gleichzeitig Verhältnisse in anderen Teilen der Welt anprangert und sogar mit militärischen Interventionen droht, der hat die Unschuld verloren. Und diejenigen, die dieser Argumentation folgen, können besten Falles noch psychopathologische Erklärungen anführen, um sich zu exkulpieren.

Die rein militär-strategische Modellierung des Kosovo war allerdings eine rein us-amerikanische Angelegenheit. Indem das Camp Bondsteel zu einem Flughafen auch für schweres Militärgerät ausgebaut wurde, existiert bereits eine Alternative, sollte die Türkei aus welchen Gründen auch immer der NATO von der Schüppe springen. So wird ein Syndikat suspekter Elemente aus dem Sack der EU gefüttert, die eigene Bevölkerung pauperisiert und terrorisiert, sodass sie Asylanträge auch in Deutschland stellt. Und Bayern bittet um Nachsicht. Die geschilderten Hintergründe im Blick, scheint die Welt doch wieder ganz in Ordnung zu sein. Ob einem das gefällt oder nicht.

Es geht nicht um den Fall des BVB!

Die Zeitungen versuchen sich zu übertreffen. Mehrheitlich schreiben sie vom unerwarteten, wundersamen Absturz des BVB. Der Verein und der Trainer, die in den letzten Jahren nicht nur die Bundesliga, nein, sogar ganz Europa mit einer erfrischenden, beseelten wie erfolgreichen Spielweise beglückt haben, dieser Verein und dieser Trainer stehen nach 13 Spieltagen auf dem letzten Platz der Bundesligatabelle. Und teils empathisch, teils genüsslich wird darüber berichtet, wie armeselig sich die Spielweise des Ensembles präsentiert und wie versteinert der Trainer daher schaut. Ganz nach dem Motto: Die Wege zumindest des Fußballlebens sind unergründlich und treffen kann es jeden.

Aber ganz so ist es natürlich nicht. Die immer noch in den Büchern als FC Bayern geführte Vereinigung war durch den Dortmunder Himmelssturm zumindest für zwei aufeinander folgende Jahre seines gefühlten Monopols beraubt worden, was dazu geführt hat, dass das Vorstandspersonal in einer konzertierten Aktion damit begann, sehr gezielt, die Leistungsträger des Konkurrenten abzuwerben. Die Verkündigung des Wechsels von Mario Götze kurz vor dem Championsleague-Finale war der erste, emotional auch wuchtige Schlag gegen den BVB. Der zweite folgte im Endspiel selbst, bei dem es zweifelhafte, spielentscheidende Handlungen des Schiedsrichters gab. Dass Dortmund das nicht reklamierte, sprach und spricht für ihre sportive Größe.

Der dritte Schlag folgte mit der Verpflichtung von Lewandowski und der vierte wird bereits angesetzt mit der Ankündigung der vorgesehenen Verpflichtung von Marco Reus. Die Gepflogenheiten, mit denen die mehrheitlich vorbestraften Protagonisten des als Fußballverein geführten Zusammenschusses vorgehen, hätten in der zivilen Geschäftswelt bereits zu staatsanwaltlichen Ermittlungen geführt, in der Welt des Fußballs führt sie allerdings zu großem Respekt und Bewunderung. Kaum eine Fachzeitschrift, die sich nicht in wohl meinenden Superlativen ergießt.

Resultat des feindlichen Angriffs auf den BVB ist das Durchsetzen eines tatsächlichen Monopols, und das auf lange Sicht. Langeweile macht sich bereits heute breit, weil einerseits eine Liga um die Ränge 2 – 18 kämpft und andererseits das Syndikalistenensemble den ersten Platz auf Jahre gebucht hat. Diese Situation hätte nicht nur in der Wirtschaft rechtsstaatliche Folgen, auch in der nationalen wie internationalen Politik führte er zu heftigen Verwerfungen. National trifft der Vergleich mit einem Einparteiensystem wohl die Umstände am präzisesten, international wäre ein Zusammentreffen von erster und dritter Welt die beste Metapher.

Fußballerisch ist es so wie im richtigen Leben: Nach einem grandiosen Erfolg der Nationalmannschaft, die ihrerseits unter anderem ein Produkt von Vielfalt und Toleranz ist, bricht nun die bleierne, graue Zeit monopolistischer Dominanz an, die letztendlich zu einer strukturell ganz anderen Herausforderung führen wird. Nach langen Zeiten der Langeweile wird sich irgendwann ein Unwille breitmachen, der sich hoffentlich in völligem Desinteresse gegenüber den Stargladiatoren des Monopols äußern und in einer Konzentration auf niederklassigeren Fußball Luft schaffen wird. Dominanz ohne Chance ist Tristesse für alle, die sich im Wettbewerb messen wollen.

Da stellt sich tatsächlich die Frage, was eigentlich an den gegenwärtigen Zuständen, oder schlimmer noch, an den Verursachern der Verödung noch faszinieren soll? Eine Selbstgefälligkeit, die nur noch als ein wiederum neuer Superlativ der Erbärmlichkeit gelten kann, eine das Augenmaß verlassende Ausbeute, oder der tausendfache Jubel gegenüber denen, wie auf der letzten Hauptversammlung geschehen, die auf das Recht in diesem Lande pfeifen?

Es geht nicht um den Fall des BVB. Es geht um die Vernichtung des Wettbewerbs im Fußball. Und der BVB, das sind im Moment alle, bis auf das Syndikat. Und das schreibt ein eingetragener Schalker. Aber Blut ist dicker als Wasser!

Das Syndikat vom Tegernsee

Was für eine Nummer! Wäre es nicht der Club, der allwöchentlich in einem See der Weltklasse-Superlative ersöffe, so wäre man gut beraten, von einer Schmonzette zu sprechen. Der glorreiche FC Bayern, seinerseits die selbst auserkorene Blaupause auf den Dauererfolg, feierte auf seiner Jahreshauptversammlung seinen Protagonisten. Der jetzige Präsident, frühere Spieler und jahrzehntelange Manager tat etwas, was er auf einer Jahreshauptversammlung tun musste: Er legte Rechenschaft ab hinsichtlich der Finanzen und der sportlichen Resultate und wie es das Auditorium gewohnt war, ging es kaum noch höher hinaus: Alle Titel, die der Vereinsfußball bietet, wurden gewonnen, das Festgeldkonto ist so prall wie nie, der Umsatz so hoch wie selten und der Überschuss natürlich auch. Der Fußballclub Münchens, der einst von erfolgreichen Kaufleuten gegründet und während der Nazi-Zeit schlecht beleumundet wurde, ist gereift zu einer Medienmarke und einem Branchenmonopol, wie es Deutschland vorher nicht kannte.

Das, was weniger zu Sprache kam und eher nur zu einer emotionalen Seifeneinlage gereichte, war eine Analyse des Personals, mit der das Monopol erobert und gesichert werden konnte und das dabei ist, mit propagandistischen Initiativen wie dem Financial Fair Play das zu kaschieren, was die Macht zu sichern scheint: Die Struktur eines Syndikats, dem es egal ist, womit gehandelt wird, dass sich nur noch nährt aus der Dominanz in allen relevanten Bereichen und das an Virtuosität nicht mehr zu überbieten ist, wenn es darum geht, der Konkurrenz in den Grauzonen des Akzeptablen so richtig weh zu tun.

Dass sich das Personal, welches sich um eine derartige Vormachtstellung verdient gemacht hat, nicht wie die legalistischen Häschen verhält, liegt da nur auf der Hand. Der FC Tegernsee, wie er manchmal liebevoll genannt wird, verfügt momentan über einen Präsidenten, gegen den ein Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung vorliegt. Der Vorsitzende wiederum hat einen Strafbefehl wegen eines massiven Verstoßes gegen die Zollbestimmungen und eine hohe Geldstrafe akzeptiert. Ein Abwehrspieler wiederum saß gerade im Gefängnis wegen Betrugs, Brandstiftung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz während ein Angreifer sich vor dem Gericht seines Heimatlandes wegen sexueller Handlungen mit minderjährigen Prostituierten verantworten muss. Nicht erwähnt seien die nicht justiziablen, aber dennoch im öffentlichen Diskurs deplatzierten Injurien anderweitigen Personals bei der Verunglimpfung anders Denkender.

Wer mit einer derartigen Truppe aufwartet, der verrät sehr viel über die Verfolgung der eigenen Ziele und der beleumundet sich selbst. Nicht, dass in einem Sport, bei dem es zur Sache und um viel geht, um gezierte Befindlichkeiten ginge. Nein, wenn dieser Sport eine positive Wirkung haben kann, dann ist es die Botschaft zu vermitteln, dass Konkurrenz und Wettbewerb trotz harter Bedingungen auch mit Regeln und Respekt von statten gehen können. Und auch, dass die Kooperation innerhalb eines Teams mehr basieren sollte auf gesteigerter Effektivität als auf Demütigung und Machtdemonstration.

Der wohl enthüllendste Moment der Mitgliederversammlung war der, als der Präsident mit dem Haftbefehl gerade im Kontext mit selbigem gefeiert wurde wie ein Held. Da wurde aus dem Sportverein in Sekundenschnelle ein Syndikat. Da wurde für einen Augenblick deutlich, wie es bestellt ist um die Vorbildfunktion dieses Metiers für die jungen Leute im Land, wo alles, was die positiven Attribute des Wertewandels der letzten Jahrzehnte ausmacht, von einem übergewichtigen Mann und seiner Fangemeinde zermalmt wurde. Wenn es so etwas gibt, dann war es eine Sternstunde der Finsternis.