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Football Leaks: Macht euch vom Acker, Freunde!

Es gibt Akteure in unserem Leben, über die wir uns immer wieder ärgern, egal, was passiert. Ob es sich um Personen, Institutionen oder Organisationen handelt, ist unerheblich. Sie gehören einfach dazu und immer, wenn sich etwas ereignet, sind sie dabei und gießen trübes Wasser in den schönen Wein. Das ist ihre Rolle. Dem werden sie gerecht. Manchmal stellt sich die Frage, wie das Leben wohl ohne sie wäre und die Betrachtung, dass dann vielleicht etwas fehlen würde, keimt zuweilen auf. Vielleicht brauchen wir den Drecksack in unserem Dasein, der im kritischen Fall den Unmut auf sich zieht und uns selbst etwas entlastet. Ab und zu, aber selten, sorgt diese Instanz dann aber selbst dafür, dass es einfach nicht mehr weiter geht. Dann ist der Bogen überspannt, das Fass übergelaufen und die Duldsamkeit an ihrem Ende. Dann hilft nur noch ein kalter Schnitt, auch wenn das Blut spritzt, denn alle sind sich einig, dass die Operation vonnöten ist, weil ansonsten die ganze Gemeinschaft in ihrem Selbstwert derartig ramponiert ist, dass sie sich den sprichwörtlichen Blick in den Spielegel selbst nicht mehr zumuten könnte.

Im Fußball ist diese Erscheinung der FC Bayern München. Bereits heute erscheint er als Legende, ungezählte Titel füllen die Vitrinen, und sein heutiges Bild wird gesäumt von journalistischen Termini, die unangebracht sind und schon lange den Verdacht des unverstellten Menschenverstandes hätte auf den Plan rufen müssen. Da wird, wenn die Truppe auf dem Platz agiert, von einer Machtdemonstration gesprochen, selbstverständlich ist jede Aktion Weltklasse und insgesamt geht es nur um die Dominanz. 

Der FC Bayern ist ein Staatsverein, in dem sich die Nomenklatura aus Politik, Wirtschaft und Showgeschäft zusammengefunden hat. Er ist ein Abbild der Münchner politischen Verhältnisse, die schon immer skurril waren und in denen Monopolismus und Intransparenz eine lange Tradition haben. Sein Top Management besteht seit Jahren aus ehemaligen Fußballprofis, bei denen sich die Symptome von narzisstischer Störung und die Geldgier des ehemaligen Underdogs wunderbar komplettieren. Dass dort nach einer letztmaligen Konkurrenzsituation der Wille zum ungebrochenen Monopol wieder aufkam und zumindest zeitweilig erreicht wurde, zeigt, wie sehr persönlich und speziell die Motive des eigenen Handelns beschaffen sind.

Dass nun unter dem spektakulären Titel Football Leaks die Pläne bekannt wurden, die europäischen Top Clubs aus der UEFA herauszulösen und in einer eigenen europäischen Liga quasi zu privatisieren, passt voll in die Zeit. Auch in der Politik erleben wir das letzte, vielleicht entscheidende Gefecht des Neoliberalismus. Da geht es schlichtweg nur noch um privaten Reichtum oder Gemeinwesen. Insofern steht der Fußball wieder auf dem Sockel des Kollektivsymbols. Die Befindlichkeit der existierenden internationalen Fußballverbände ist dabei keine Werbung für das Bestehende. Auch dort haben Korruption und Bereicherung seit langer Zeit um sich gegriffen. 

Als Fazit könnte gelten werden, dass die genannten Akteure dazu beigetragen haben, den Fußball zu einem Event zu pervertieren, das seltsamerweise die Realität gut widerspiegelt. Es ist die pervertierte Gesellschaft, deren Zweck bei der privaten Bereicherung beginnt und auch wieder endet. Angesichts der jetzigen Pläne einer erneuten Privatisierung und Vermarktung ist es folgerichtig, dem Tross alles Gute zu wünschen und sich schlicht von dem Gewese abzuwenden. Macht euch vom Acker, Freunde, für einen guten Kick bedarf es eines Balles und eines kleinen Stück Feldes, und eure Arenen, Zirkusartisten, Advokaten, Leibärzte und journalistischen Spaßvögel steckt euch an euer blankes Haupt. Das Spiel ist aus!

Über Privatisierung und Berichterstattung

Schon mal den Namen Carillion gehört? Nein? No surprise. Außerhalb von Britain, dieser Konzern ist eigentlich unbekannt. Das ist nicht weiter schlimm, er war vor allem dort tätig. War. Die Tatsache, dass er nicht mehr tätig ist, sollte allerdings weltweit in den Medien stehen. Carillion war der Musterfall der umfassenden, breiten Privatisierung öffentlicher Dienste in […]

über Wahnsinn Privatisierung — sunflower22a

Die fundamentalistische Ideologie der Neuzeit

Sie brüsten sich damit. Die Journalisten von BILD weisen in ihrer heutigen Ausgabe stolz daraufhin, dass sie bereits vor fünf Jahren eine Schlagzeile hatten, in der es hieß: Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen! Und nun, da die Arbeit vollbracht ist, stehen tatsächlich griechische Inseln zum Verkauf. Insgesamt befinden sich diese Inseln in einem Privatisierungspaket, das dem Schuldnerland 50 Milliarden Euro einbringen soll. Es geht dabei um Land, um Immobilien, um Flughäfen und Häfen. Es ist der Gipfel an Privatisierungsrausch und es ist der europäische und vor allem deutsche Bankrott gegenüber dem Wirtschaftsliberalismus.

Nicht, dass es dabei um eine rein akademische Diskussion ginge. Nein, es geht darum, ob Wirtschaftsinteressen die Politik dominieren. Die Äußerungen und Auftritte eines deutschen Finanzministers dokumentieren die Metamorphose von der Politik zur Ökonomie. Und sie dokumentieren die Aggressivität und den Revanchismus, mit der gegen alles vorgegangen wird, was noch in irgendeiner Weise auf den Anspruch eingeht, dass Politik die ungezügelten Interessen einzelner Gruppen dominieren muss. Es handelt sich um ein Debakel für die Politik generell. Sie hat abgedankt in einem Land, in dem Vulgärökonomen unangefochten erklären können, was für das Gemeinwesen erforderlich ist und was nicht.

Besonders bemerkenswert ist die Position, die sich bis zur ersten manifesten und umfangreichen Krise des Monetarismus vehement gegen seine Expansion gewehrt hat. Es sind dies die Kräfte des Keynesianismus gewesen, d.h. einer Perspektive, die das Primat in der Politik sieht und die Wirtschaft politisch zu steuern sucht, indem sie positive Stimulanzen setzt. Eigentlich genau das, was die griechische Syriza vorhatte und von bundesrepublikanischem Dogmatismus auf das schärfste kritisiert wurde. Der Keynesianismus ist der Kontrapunkt zum Sparexzess. Eigenartigerweise ist diese Art des Keynesianismus die klassische Politik der deutschen Sozialdemokratie gewesen, bis sie in der Regierungsverantwortung war und seit der Weltkrise im Jahr 2008 für Lösungsansätze verantwortlich zeichnete. Seitdem schweigt sie zu dem weiteren Voranschreiten von Reich gegen Arm, seitdem ist sie im Strom des Wirtschaftsliberalismus. Wer das zu verantworten hat, ist sekundär, dass sie es als Partei tut, verspielt ihre Chance auf die Zukunft. Der intern diskutierte Vorschlag, auf eine eigene Kandidatur bei der nächsten Wahl zu verzichten, ist nicht absurd, sondern folgerichtig.

Alles, was in diesem Land und in unserem Kulturkreis diskutiert wird und die Gemüter erregt, hat eine Ursache, die zu benennen keine Angelegenheit von Irrationalisten mehr sein kann. Der weltweite Kampf von Reich gegen Arm ist ein weltweiter Kampf gegen die Zivilisation unserer Tage. Der Wirtschaftsliberalismus und seine Vasallen putschen ganze Nationalstaaten, ganze Gemeinwesen und ganze Kulturkreise zurück in den Zustand der Barbarei. Alles, was das gesellschaftliche Dasein lebenswert macht, wird für die großen Mehrheiten der einzelnen Sozialsysteme immer unerreichbarer, weil es reduziert worden ist auf die individuelle Bezahlbarkeit. Das bezieht sich auf so etwas wie ein gesichertes Dasein, das bezieht sich auf so etwas wie Bildung und das bezieht sich auf so etwas wie bezahlbare Gesundheitsversorgung und bezahlbaren Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen. Wer wissen will, wohin die Barbarei dieser Ideologie führt, der fahre nach Griechenland. Und wer wissen will, welche ethische Verrohung damit im eigenen Kulturkreis verbunden ist, der lese BILD.

Und wer in der Lage ist, Zusammenhänge zu lesen, der wird auch begreifen, dass Flüchtlingsbewegungen auf dieser Welt, die nun auch uns erreichen, zurückzuführen sind auf die systematische Barbarisierung dieses Planeten durch die fundamentalistische Ideologie der Neuzeit, den Wirtschaftsliberalismus. Die Novellierung von Asylverfahren und die Neuformulierung von Asylkriterien sind Hokuspokus, wenn die weltweite, systematische Zerstörung sozialer Systeme nicht gestoppt wird.