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Let it roll Baby!

Nun rollt er wieder. Der berühmte Ball, der viele Millionen Menschen in den Bann zieht. Zum Auftakt begleitet von Bildern der sozialen Auseinandersetzungen im Land des Geschehens, die ein Licht auf die Brisanz werfen, in der sich Brasilien momentan befindet. Und begleitet von den Kommentatoren, die vieles erzählen, aber wie immer an den tatsächlichen Fragen vorbei schlittern, mit einer Sicherheit, die beeindruckt. Und begleitet von Meldungen, die sich beziehen auf den in Dekadenz zuckenden Weltverband FIFA, der geschüttelt wird von einer systemischen Triade, die am besten beschrieben wird mit den Begriffen Kollusion, Korruption und Nepotismus. In diesem Kontext wird nun auch der Name Franz Beckenbauer genannt. Da ist es nichtig, ob er ein aktiver Teil dieses Managementprinzips geworden ist oder ob einmal wieder ein Machtkampf tobt, der die Saubermänner zu marginalisieren sucht. Beides ist möglich. Beides ist scheußlich.

Und es geht einmal wieder um Schiedsrichter, die die Frage aktualisieren, ob Quoten die Lösung für eine gelungene Partizipation sind, wenn die Leistung nicht stimmt. Das zieht sich durch die wenigen Spiele, die bis heute ausgetragen wurden wie ein roter Faden. Aber das ist nun auch wieder nichts Neues. Das Eröffnungsspiel hat in hohem Maße dokumentiert, wie groß der Druck ist, der auf den brasilianischen Spielern lastet. Wenn die nicht gewinnen, dann können sie emigrieren. Marcello, dieser bullige, motivierte Spieler, zeigte nach dem unglücklichen Eigentor sein Gesicht. Es offenbarte das Existenzielle, den Wahnsinn, der das Land in einen Ausnahmezustand versetzt. Dass Brasilien dann gegen das motivierte und von Einzelkönnern durchsetzte Team aus Kroatien gewann, war dennoch, trotz eines dubiosen Elfmeters, folgerichtig. Popstar Neymar und der spritzige Oscar machten den Unterschied. Zu spielerischer Eleganz, der gewohnten Gala brasilianischer Teams, ließen die Kroaten sie nicht kommen. Sie mussten hart arbeiten, das war schweißtreibend wie in einer Silbermine.

Und dann kam der amtierende Welt- und Europameister, im Glanze lupenreiner Bilanzen und funkelnder Dekoration, und wurde von den Niederländern filetiert wie ein verfetteter alter König. Das System des Tiki-Taka, mit dem die nun bereits ein Jahrzehnt währende globale Dominanz erreicht wurde, ist durchschaut. Dass mit Louis van Gaal, dem Maniak aus den holländischen Flutwiesen dieses System tranchiert wurde, entbehrt nicht der Ironie, gehört er doch zu den ehemaligen Verfechtern eben dieser Idee. Da hat das Insiderwissen die Revolution gewaltig beflügelt. Auch in diesem Spiel waren wieder die Physiognomien das Bemerkenswerte. Iker Casillas, die Torwartikone aus Madrid, zeigte die ganze Trauer, die der Verlust der Macht verursacht. Und das brasilianische Publikum fraternisierte mit den Ikonoklasten aus dem Land der Tiefebene, wo die Begrifflichkeit des Raumes schon immer eine andere war. Das zeigte Robin van Persie mit seinem genialen Tor. Es war der Stich ins Herz der alten Kolonialmacht.

Auch Mexiko und Chile demonstrierten in beeindruckender Weise, dass sie nicht nur wegen der ehrenhaften Teilnahme angereist sind. Sie untermauerten genauso wie Brasilien und die Niederlande, dass im Kampf um die Herrschaft das Verwalten alleine nicht ausreicht. Mag der Apparat auch noch so ausgeklügelt und funktionssicher sein, er wird nicht reichen, um die Dominanz zu verteidigen. Um etwas zu reißen, erfordert es eine Idee, die das Neue beinhaltet. Es erfordert Können, aber wichtiger noch ist das Wollen und die Geschwindigkeit, mit der der Plan umgesetzt wird. Perfektion nützt nichts, wenn die Entschlossenheit fehlt. Vor uns liegen erkenntnisreiche Wochen.

Bob Dylans Klarheit der Sprache

Wer seinen Augen und vor allem Ohren traut, der war immer gut beraten, eine Stimme zu hören, die seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts das verschlafene, verklemmte, verbrämte und verklebte Bürgertum heftig aufschreckte. Das Märchen von der christlich bürgerlichen Ehe, natürlich einer weißen, von der abendländischen Kultur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wurde von diesem daher gelaufenen Immigranten, der mit einer schrottigen Westerngitarre daherkam, einfach geschreddert. Er schrieb und sang von den Verwerfungen des amerikanischen Lebens, von den Lügen und ihren Dekors und es gelang ihm wie keinem, in der Alltäglichkeit des rauen Daseins eine Poesie zu begründen, die atemberaubend war und ist.

Immer stand er gegen den Mainstream, er spielte Folk, als der Swing zur schalen Tanzmusik verkam, er rockte, als das Rebellenestablishment in den Folk zog und als dieses begann zu rocken, zog es ihn zu Stille und Innerlichkeit. Auf jedem seiner avantgardistischen Wege hinterließ er Musik, die auf allen Kontinenten Resonanz fand und er formulierte Texte, die zur großen Kunst des 20. Jahrhunderts zu zählen sind. Und wenn es je einen qualitativen Nachweis für die mögliche Fusion von Rebellentum und Ästhetik gegeben hat, dann ist sein Name an vornehmer Stelle zu nennen.

Nun, immer wieder existieren historische Phasen, die sich dadurch kennzeichnen, dass sie wie die Eiszeit über die Zivilisation herziehen und alles erstarren lassen, woraus eine attraktive Kultur ihr Leben zog. Das kann mal in der Form von glatt rasierten Schädeln und Uniformen geschehen und mal im verlotterten, vermeintlich demokratischen Gewande. Oder, und das ist die perfideste Form der zivilisatorischen Zerstörung, die schneidigen Barbaren bedienen sich der vermeintlichen Demokraten, um ein Marionettentheater aufzuführen. Ein Beispiel für diese Variante bietet, stellvertretend für andere westeuropäische Länder, das politisch korrekte Frankreich unter der Regierung Francois Hollandes.

Bob Dylan, die Ikone gegen Rassismus und Verlogenheit, wurde in Paris von einer kroatischen Vereinigung wegen Rassismus und Aufruf zu Hass angezeigt, weil er in einer Ausgabe des Rolling Stone im Jahr 2012 ein Interview gegeben hat. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Da es sich um eine monströse Interpretation handelt, hier die Sätze im Wortlaut, zitiert direkt aus dem Magazin Rolling Stone:

„Dieses Land ist einfach zu abgefuckt, was die Hautfarbe angeht. (…) Leute gehen sich gegenseitig an die Kehle, nur weil sie verschiedene Hautfarben haben. Es ist der Gipfel des Wahnsinns und wirft jede Nation – oder Nachbarschaft – zurück. Schwarze wissen, dass einige Weiße die Sklaverei nicht aufgeben wollten, dass, wenn es nach ihnen gegangen wäre, die Schwarzen immer noch unter ihrem Joch stünden. Sie können nicht so tun, als wüssten sie das nicht. Wenn du das Blut eines Sklaventreibers oder eines Klan-Mitglieds in deinen Venen hast, spüren diese Schwarzen das. Diese Sachen klingen bis heute nach. Genauso wie die Juden Naziblut ausmachen können, oder die Serben das Blut von Kroaten.“

Im Falle der Kroaten spielt Dylan auf das faschistische Ustascha-Regime während des II. Weltkrieges an, das sich schlimmer Pogrome an Juden, Serben, Sinti und Roma schuldig gemacht hatte. Die juristische Finte, mit der der Rat der Kroaten in Frankreich (CRICCF) Bob Dylan vor Gericht und zur Verurteilung bringen will und der Eifer, mit dem die französische Staatsanwaltschaft die Causa vorantreibt dokumentieren nur eines: Die Zeiten, dass Political Correctness eine Zeiterscheinung einiger verirrter Hardliner zu sein schien, sind längst vorbei. Im Herzen Europas konstituieren sich gegenwärtig Terrorregime gegen die freie Meinungsäußerung und sie suchen einen diktatorischen Code zu etablieren, der die Differenzierung zwischen Gut und Schlecht gar nicht mehr zulässt.

„No reason to get excited (…)
There are many here amoung us
Who feel that life is but a joke
But you and I, we´ve been through that
And this is not our fate
So let us not talk falsely now, the hour is getting late.”

Aus: Bob Dylan, All Along The Watchtower