Vieles ereignete sich im zur Neige gehenden Jahr, über das sich nachzudenken lohnt. Es ist aber auch so, dass der Zug der Zeit über so manches, das uns bewegt, unbarmherzig hinwegrollt und dann doch in wenigen Monaten zumindest im Bewusstsein gar keine große Rolle mehr spielt. Was aber bleibt, das sind die Faktoren, die unser Dasein bestimmen. Da ist die Frage von Krieg und Frieden, die existenziell ist, weil davon das direkte Überleben abhängt, da bleibt die Frage nach den Mitteln, die ein Mensch braucht, um auch in Friedenszeiten überleben zu können und da ist der Faktor der Umweltbedingungen, die so sein müssen, dass wir Säugetiere in der jetzigen biologischen Form eine gute Prognose auf den Fortbestand haben. Alle drei Bedingungen sind seit langem nicht überall auf dem Globus gegeben. In zu vielen Regionen tobt ein Krieg, in zu vielen Regionen herrscht Armut und die Menschen sterben des Hungers und in zu vielen Regionen haben sich die Umweltbedingungen so entwickelt, dass bereits gelitten und irgendwann kein Leben mehr möglich sein wird. Tendenz: Kriege breiten sich aus, die Armut nimmt zu und der Raubbau am Planeten setzt sich fort.
Angesichts dieser Ausgangslage sei eine Überlegung erlaubt. Laut dem Stockholm Institute for Peace Research, kurz S.I.P.R.I. genannt und ob seiner wissenschaftlichen Vorgehensweise wie seiner Neutralität international anerkannt, haben die Staaten dieser Welt in diesem laufenden Jahr insgesamt mehr als 2 Billionen Dollar für Militärausgaben aufgewendet. Angeführt wird die unselige Liste von den USA, die alles mit mehr als 800 Milliarden Dollar überragen, gefolgt von China mit ca. 290 Milliarden bis hin zur Bundesrepublik Deutschland, die neben den jährlichen Ausgaben von ca. 52 Milliarden Euro nun noch ein Sondervermögen von 100 Milliarden für die militärische Aufrüstung angelegt hat.
Militärausgaben sind, noch bevor sie zum Einsatz kommen, denn bei ihrem Einsatz sprengen sie alles, was noch sinnvoll als ökologischer Fußabdruck bezeichnet werden könnte, von ihrer Konzeption her ein Klimakiller per se. Sie basieren auf dem Verbrauch von Unmengen fossiler Energieträger und ihre Emissionen bei Anwendung ruinieren alle Bilanzen. Das zu Ende gehende Jahr war, wie die Jahre davor, ein Jahr des Krieges. Dass viele Menschen anders empfinden und genau das Jahr 2022 als besonders schrecklich in dieser Hinsicht begreifen, hängt mit der geographischen Nähe eines neuen Krieges zusammen und mit der propagandistischen Verarbeitung desselben. Das Perverse: Diese Kampagnen werden betrieben, um noch mehr Kriegswerkzeuge herstellen und verkaufen zu können.
Im Jahr 2022 fanden allerdings auch zwei Konferenzen statt, die sich mit der ökologischen Entwicklung des Planeten befassten. Einerseits die COP27 im ägyptischen Sharm El-Sheikh, bei der es um die Klimaentwicklung ging und die Weltnaturschutzkonferenz im kanadischen Montréal. Beide Konferenzen wurden mit hochkarätiger internationaler Besetzung abgehalten, Staatspräsidenten gaben sich die Klinke in die Hand, Tausende von Teilnehmern waren angeflogen und, wie immer bei solchen Gelegenheiten, bis spät in die Nacht wurde verhandelt. Was unter dem Strich herauskam, stand in keinerlei Verhältnis zu den skizzierten Problemen. Wenn man es in Geld messen wollte, so käme man zu dem Schluss, dass es, und damit sind alle gemeint, die dort dabei sind, der vermeintlich freie Westen wie der gelenkte Osten, alle, die industriell konstituiert sind und die das Wachstum predigen, insgesamt, global, d.h. weltweit nicht einmal ein Vierzigstel der weltweiten jährlichen Militärausgaben bereit sind aufzuwenden, um etwas gegen die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen zu unternehmen.
Wer, das meine Frage, glaubt bei einer solchen Gegenüberstellung überhaupt noch an die Möglichkeit zur Besinnung, wenn die Grundlagen der menschlichen Existenz denen, die die Verantwortung tragen, nicht einmal ein Vierzigstel dessen wert sind, was sie bereit sind für die bewusste und geplante Zerstörung auszugeben? Und wer, bitte schön, wird nicht von gerechtem Zorn und Verachtung übermannt, wenn gerade diese Figuren es wagen, einer armen Seele, die ihre Zukunft existenziell gefährdet sieht und sich irgendwo festklebt, um auf sich aufmerksam zu machen, vorwirft, sie befinde sich auf dem Weg zum Terrorismus? Die Zeitenwende, die nötig wäre, würde keiner von diesen Zynikern politisch überleben.