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Eurobakel: Die Verhältnisse auf den Kopf gestellt!

Bei der Betrachtung alter Gewissheiten muss konstatiert werden, dass nichts mehr so ist, wie es war. Eine Folge ist ein babylonisches Stimmengewirr, zumindest was den politischen Diskurs anbetrifft. Die Vorwürfe aus allen Lagern, die sich auf links oder rechts beziehen, bringen den hilflosen Versuch zum Vorschein, die alten Gewissheiten zurückzuholen. Doch es nützt nichts, die alten Koordinaten funktionieren nicht mehr. Da laufen als klassisch links bezeichnete Individuen über die Bühne, die nationalistischer und kriegsgeiler nicht sein können, da fangen alte Stalinisten an zu moralisieren, als befänden sie sich in einem Priesterseminar, da schwadronieren traditionelle Liberale von staatlicher Sanktionskunst und da erscheinen konservative und reaktionäre Kräfte und pochen auf urdemokratische Tugenden.

Wir reden hier von den Staaten, die sich in der EU versammelt haben, deren Sprecher täglich das große Loblied auf die konstitutionellen Demokratien singen und sich selbst eines regulatorischen, interventionistischen und die Souveränität einschränkenden Führungsstils schuldig gemacht haben. Dass da noch irgend etwas funktionieren sollte, das aus tiefer, innerer und demokratischer Überzeugung entsprösse, ist das Märchen, an das zunehmend niemand mehr glaubt.

Irgend etwas ist falsch gelaufen. Und, wenn man den verantwortlichen Akteuren glauben schenken will, ist das nicht das Ergebnis des eigenen Handelns, sondern immer das Werk anderer böser Kräfte. Mal ist es Russland, mal China oder es sind die Populisten, die im günstigsten Fall immer auf den Gehaltslisten der ersteren stehen. Zumindest mental gehören sie zum Feind. Dass diese Kräfte, die nun von Schweden bis Italien parlamentarische Mehrheiten bei unterschiedlicher Wahlbeteiligung erhalten, spricht dann wohl dafür, dass Putin und Konsorten über brillante Geheimdienste und exorbitant intelligente Propaganda verfügen. Anders wäre es aus der Logik des verantwortlichen Personals nicht zu erklären. 

Blickt man in die jüngste Vergangenheit, noch vor dem Krieg um die Ukraine, dann waren es noch britisch-insulare Schwurbler, denen die Rest-EU den Brexit zu verdanken hatte. Dass auch bei diesem Schritt die Politik der EU mit ihrem zunehmend bürokratisch-dirigistischen Anspruch in der Verantwortung stand, wird schlichtweg ausgeblendet. Gut, wenn man Feinde hat, die alles auf sich vereinen, wogegen sich emotional mobilisieren lässt. Dann kommt das eigene Verhalten nicht auf den Seziertisch.

Von Feuerbach stammt die kluge Überlegung, dass jede formulierte Illusion nicht nur eine Flucht in das Idealistische, sondern auch ein Protest gegen das Gegebene darstellt. Er bezog das auf die Religion. Religion, Philosophie und Politik sind jedoch das Ergebnis einer fortschreitenden Säkularisierung. Bei der Betrachtung der gegenwärtigen Tendenzen im Wahlverhalten scheint es vernünftig zu sein, diesem Gedankengang zu folgen. Demnach ist die Zuwendung zu allem, was der klassischen alten Linken als traditionalistisch und nationalistisch galt, nicht nur eine Illusion, weil es zu keiner Lösung in einer globalisierte Welt führt, aber eben auch ein Protest gegen sich auflösende Ordnungen, den um sich greifenden sozialen Kannibalismus innerhalb der Gesellschaften und die Zuspitzung auf Kriege zu sein. Wer meint, diese Motive als reaktionären Unsinn diskreditieren zu müssen, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. 

Für die obrigkeitsstaatlich und EU-frommen Akteure scheint die Sache sehr klar zu sein: Wer sich gegen das Desaster, welches am besten mit dem Motto „Feinde ringsum!“ Beschrieben werden kann, ist ein rechter Agent. So stellt man die Verhältnisse auf den Kopf. Was dabei herauskommt, dafür existieren beredte historische Beispiele. Ein gutes Ende hatte keines.   

Die Schlafwandler sind wieder da!

Allen, die sich morgens wie abends die Augen reiben angesichts der permanenten Eskalation mit dem Brennpunkt Ukraine, sei empfohlen, sich das Buch „Die Schafwandler“ des Historikers Christopher Clark durchzulesen. Dort wird eindrücklich dargelegt, wie eine teils irrationale, teils emotionale und eine teils bewusste Befeuerung von Feindbildern in das Debakel des I. Weltkrieges führten. Das Problematische bei der Lektüre ist das ständig präsente Gefühl, dass das als historische Studie angelegte Buch auch als Regieanweisung für die aktuelle Entwicklung begriffen werden kann. Um es kurz zu machen: die Schlafwandler sind wieder unterwegs. Und ein Krieg ist eine realistische Perspektive.

Abgesehen von der unsäglichen, nahezu kollektiven Entgleisung der westlichen Berichterstattung, die nichts anderes zu tun hat, um mit gezielter Desinformation und Bezugnahme auf die windigsten Quellen bemüht ist, das Verhältnis von Ursache und Wirkung auf den Kopf zu stellen und sorgfältig designte Feindbilder zu etablieren, hat die Politik eine Verwahrlosung durchlebt, die vor einigen Jahren noch vielen Menschen als unvorstellbar erschien. Wenn sich Regierungen auf Informationen ihrer Geheimdienste beziehen, die schon bei der Lektüre als Ausgeburten verzweifelter Begründungssuche entlarvt werden, dann lässt man am besten alle Hoffnung fahren. Wie die jüngst von der britischen Dunkelkammer lancierte Geschichte, Russland, oder besser gesagt, der lebende Satan Putin, plane den Einsatz einer Marionettenregierung in der Ukraine. Der dort identifizierte Kandidat, selbst aus Russland verbannt, konnte reklamieren, was er wollte, der kalte Klatsch wurde weiter propagiert.

Wohin man schaut, alles erscheint irreal. Der deutsche Marine-Admiral, der auf einem Workshop in Indien Realitäten aussprach und dabei heimlich mit einem Smartphone, von wem auch immer, gefilmt wurde, musste seinen Hut nehmen, weil Deeskalation bereits zu den Vergehen zählt, die die Politik nicht verzeiht. Dann berief die Ukraine den deutschen Botschafter ein, um ihm ob dieser Äußerungen die Leviten zu lesen. Da wäre, unter normalen Verhältnissen, die Zeit gewesen, dass ein deutscher Bundeskanzler der Marionette in einem Oligarchenstaat, der mit Demokratie nicht zu tun hat, deutlich macht, worin die Grundsätze deutscher Außenpolitik bestehen. Stattdessen glaubt man mit der Abberufung des Admirals seine Schuldigkeit getan zu haben.

Das, was sich als EU bezeichnet, zeigt in diesem Szenario sein wahres Gesicht. Es geht in keiner Weise um eine europäische Friedensarchitektur. Es geht um einen geostrategischen Vorposten us-amerikanischer Interessen und um die Ausblendung Russlands als Bestandteil des europäischen Kontinents, es sei denn, es ist befriedet und liegt am Boden. Dass dabei die Rechnung ohne den Wirt gemacht wird, scheint die geschichtsvergessenen Schlafwandler nicht zu interessieren. Besonders Deutschland und Frankreich sollten aus der Geschichte der Konfrontation mit Russland gelernt haben. Aus Frankreich sind Töne zu hören, dass dort die Botschaft angekommen ist. In Deutschland zittert man vor den Vorwürfen schlimmer Schergen, man wirke wie ein Nazi, wenn keine Lieferung von Waffen in die Ukraine befürwortet werden. Anscheinend hat die Droge der woken Ideologie die Hirne derartig vernebelt, dass so etwas wie Selbstachtung, zu der auch das Eintreten für die eigenen Interessen gehört, auf der Strecke geblieben ist. 

Eines sollte nicht aus dem Blick geraten: Taktieren und Abwarten in einer heißen Phase der Eskalation wird untergehen in den Detonationen, die manche gar nicht mehr abwarten können. Es ist die Stunde eines donnernden Auftritts für den Frieden. Aber wem sollte das noch gelingen?  

Eine dreiste Referenz an den Absolutismus

Der Krieg der Sterne war nahezu eine Romanze gegen das, was sich im Cyber-Kosmos bereits andeutet. Da werden von unsichtbaren Mächten Millionen von Menschen beeinflusst, ohne dass die es merken und damit sind dann Wahlen entschieden. Analog geht es in der Frage um Konsumentenverhalten. Da wird ein ganzes Gesundheitssystem gekidnappt und erpresst. Da werden Sicherheitssysteme am laufenden Meter geknackt. Der Cyber-War ist längst ausgebrochen und er ist anscheinend der Preis, den die Digitalisierung zur Zeit einfordert.

Kein System ist sicher, die Investition in entsprechende Sicherheitssysteme ist kaum einem Wirtschaftsunternehmen, geschweige denn dem Staat, aus wirtschaftlichen Erwägungen zuzumuten. Wahrscheinlich gäbe es einen Weg, hoch brisantes Wissen zu schützen, aber mit diesem Gedanken beschäftigen sich die Sklaven der Digitalisierung wiederum nicht. Es wäre so banal wie logisch und läge in der Herausnahme desselben aus den digitalen Banken und bestünde in physisch-analogem Vorgehen. Was allerdings bei aller Unruhe sicher zu sein scheint, ist die Identifizierung der Feinde, der Angreifer in diesem digitalen Krieg. Zumeist ist es Russland, ab und zu China, und wenn gar nichts mehr geht, ist es Nord-Korea. Der Cyber-Krieg wird propagandistisch genutzt, um von der eigenen Unzulänglichkeit abzulenken und neue Feindbilder zu schaffen. Und das Kuriose dabei: Es sind die alten!

Es ist kein Wunder, dass in den USA, einem Land, in dem die Billionensummen, die in die Forschung des militärisch-industriellen Komplexes seit Jahrzehnten gehen, zu der Entwicklung massentauglicher Computer geführt hat und von wo aus die Digitalisierung ihren Siegeszug unternommen hat, vielleicht auch als erstes Land die Risiken der Digitalisierung zu spüren bekommen hat. Vermeintlich! Der Vorwurf, ausgerechnet das in Sachen Digitalisierung rückständige Russland – in der Sowjetunion war die Kybernetik lange Zeit als revisionistische Wissenschaft verboten – , dass aus diesem Russland der amerikanische Wahlkampf beeinflusst und entschieden sein soll. Bei der Frage, wie das geschehen sein soll, wird es meistens diffus, die den Frieden hassenden Geheimdienste behaupten zwar immer, ihnen lägen eindeutige Beweise vor, zeigen tun sie sie aber nicht. Wichtig ist die Aussage, dass es die Russen waren und dass sie die Massen heimlich beeinflusst und die dann Trump gewählt haben.

Wäre es nicht das Vorspiel für beabsichtigte militärische Konflikte, man müsste Tränen lachen. Aber das Zeitalter zeichnet sich dadurch aus, dass selbst der gröbste Unsinn millionenfach kopiert und verbreitet wird. Wie wäre es, wenn die amerikanischen Demokraten, und die Republikaner natürlich dazu, einmal analysierten, was in ihrem Land in den letzten Jahrzehnten schief gelaufen ist. Wenn sie sich daran machten, zu entziffern, wieviele Existenzen vernichtet und wie viele Landstriche im eigenen Land verwüstet wurden durch den Wall Street-Liberalismus und wie es denen geht, die dabei gestrandet sind, und die mit ansehen zu müssen, wie viele andere Länder durch die gleiche Politik und das Mantra des Regime Change vernichtet und dem Chaos überlassen wurden?

Doch die Analyse von drastischen Fehlentwicklungen schmerzt und so bleibt man bei der Version, hinter allem stecke der Russe. Und weil das so schön zu funktionieren scheint, hat die hiesige Bundesregierung und gleich auch noch der neue Bundespräsident die Russen davor gewarnt, sich in die bevorstehenden Bundestagswahlen einzumischen. Denn tun sie das nicht, die Russen, und geht alles mit rechten Dingen zu, dann muß die bestehende Regierung aufgrund ihrer hervorragenden Politik natürlich bestätigt werden. Was für eine dreiste Referenz an den Absolutismus.