Ein dumpfes Grollen liegt in der Luft. Es dringt von einem Konflikt herüber in die verschiedenen Regionen dieser Welt. Je näher sie am Ort des Geschehens liegen, desto mehr ist der Konflikt sogar zu riechen. Es ist entsetzlich. Vom humanistischen und zivilisatorischen Standpunkt ist es ein Inferno. Angefangen hatte alles mit ein paar Graffitis an einer Schule im syrischen Homs, mit denen Schüler gegen den Herrscher Assad protestiert hatten. Die wurden dann eingesammelt von uniformierten Schergen des Regimes. Kinder wurden gefoltert, was den Protest der Väter und Mütter und dann der ganzen Stadt nach sich zog. Der Konflikt weitete sich allmählich auf das ganze Land aus und er nahm an Komplexität ständig zu.
Zunächst war es ein spontaner Widerstand der Bevölkerung gegen das Regime, dann entstanden oder zeigten sich in beiden Lagern unterschiedliche Gruppen, hier die Schiiten, Aleviten und Christen, dort die Sunniten, Islamisten und Kurden. Zuweilen kämpften sie gegeneinander. Die Opposition bekam Zuwachs aus dem Ausland, eine Internationalisierung eines nunmehr dreijährigen Bürgerkrieges ist festzustellen. In ihn involviert sind Länder wie Saudi-Arabien, Irak, Iran, Israel, Jordanien, die Türkei, Russland und die USA, und, seit einigen Stunden auch noch Ägypten. Schwieriger und komplexer könnte das alles nicht mehr sein und die Gefahr, dass die betroffenen Parteien den Überblick verlieren und ein Fass in die Luft jagen, das noch mehr Explosivität enthält als alle annehmen, wächst stündlich.
Der amerikanische Präsident Obama hatte vor einiger Zeit in einem Interview eine rote Linie benannt. Falls das Regime Assad damit beginne, so Obama damals, Chemiewaffen gegen die Bevölkerung einzusetzen. Sei diese überschritten sehe er die Notwendigkeit, im Namen der Menschenrechte militärisch eingreifen zu müssen. So wie es aussieht, hat Obama mit dem Zynismus des nah-östlichen Autokraten nicht gerechnet. Die chemische Keule zerfetzte tausende Zivilisten. Nun ist guter Rat teuer. Intervenieren die USA militärisch, dann hat vor allem der pazifistisch-defätistische Standpunkt wieder einmal Recht behalten und die USA als Hauptfeind der Menschheit identifiziert. Intervenieren sie nicht, so werden sie als Papiertiger verspottet werden.
Und obwohl die Position des amerikanischen Präsidenten nahezu alle Voraussetzungen eines tragischen Settings erfüllt, geht es nicht um ihn. Es geht um die Syrer, die weder in der einen noch in der anderen Diktatur leben wollen und des Krieges müde sind. An sie denken wenige. Der Westen orientiert sich an seinen Prinzipien und das in sie eigebettete Völkerrecht, während der Nahe Osten seine direkten Lebens- und Überlebensinteressen im Auge hat. So wie es aussieht, werden die Vereinten Nationen und ihr Sicherheitsrat nicht einmal in der praktischen Ächtung von Chemiewaffen einen Konsens erzielen. Das ist beschämend genug. Und es werden die Ideologen, sofern sie weit genug von dem Elend entfernt sind ein Mikado-Spiel vorführen, bei dem sie immer mit ihrer Rechthaberei gewinnen werden.
Die Prognose liegt nahe, dass es keine Lösung für das Schicksal der syrischen Bevölkerung geben wird, die dem Format von Zivilisation, Menschenrechten und Humanität entspräche. Alle politischen Agenden, die momentan ablaufen, haben diese Zielsetzung bereits nicht mehr auf dem Schirm: Nicht Assad, nicht die islamistische Opposition, nicht die Kurden, nicht die Nachbarstaaten, nicht Russland, nicht der Westen. Rechthaberei wie Triumphalismus könnten deplatzierter nicht sein. Demut und Beschämung sollten herrschen. Überall.
Gestern gab es hier eine lange Debatte im Parlament, ob Grossbritannien seinem Verbuendeten mal wieder militaerisch zur Seite springt. Ich muss sagen, dieses Mal war ich wirklich froh zu sehen, dass es sich die Regierung dank Opposition nicht einfach machen konnte. Es ist ein wirklich schwere Entscheidung, was zu tun bleibt. Egal, welche Entscheidung getroffen wird, sie kann eigentlich nur falsch sein. Wenn wir nichts tun, sanktionieren wir die Greueltaten des Regimes (wobei ich mir sicher bin, dass sich auch die Opposition die Finger schmutzig macht). Und ein militaerischer Angriff wird immer auch zivile Opfer nach sich ziehen. Opfer sind in jedem Fall die einfachen Familien, die einfach nur ihr Leben leben wollen. Liebe Gruesse, Peggy
Hallo Peggy,
es scheint so zu sein, dass die Irak-Erfahrungen doch zu einem Lernprozess in der englischen Politik geführt hat! Ich teile deine Skepsis: Selbst wenn Assad fällt, sind die Probleme nicht gelöst. Dann werden erstmal hunderttausende Aleviten und Christen massakriert. Auch wenn uns die Ereignisse digital und über Satelliten übermittelt werden: es ist ein vor-aufklärerisches Szenario, das mehr an den 30jährigen Krieg als an die Gegenwart erinnert.
Gruß Gerd
Ich stimme Ihnen zu Peggy, es gibt nur falsche Entscheidungen.
sehr großartiger text und sehr traurig.
Deine Taxte sind immer großartig. Ich beschäftige mich nicht so intensiv mit Politik, weil es ein Thema ist, was für mich mit unlösbaren Aufgaben verbunden ist und außerdem mir ständig die vollkommene Machtlosigkeit des einzelnen Menschen vor Augen führt. So verzichte ich auf Kommentare der Politiker, der Presse, des Funks – und lese ein paar Leute, wo ich annehmen kann, daß es dazu beiträgt, daß ich wirklich in etwa begreife, um was es geht und wovon die Rede ist. So lange ich lebe, wann war da die Welt mal einigermaßen friedlich und in Eintracht?Habe ich Gedächtnislücken?
Ich glaube, dass es zum Wesen von Politik gehört, Missstände aufzugreifen. Die Phasen des Glücks, von denen wir alle träumen, scheint es in der realen, sehr komplexen Welt nicht zu geben. Das gelingt wohl nur privat, und dem öffentlichen Ärgernis, so meine ich, dürfen wir uns dennoch nicht durch Nicht-Beachtung entziehen.
das ist diese art kriegslogik, die vermutlich seit es kriege gibt, unverändert ist, es geht um macht, nicht um menschen.
Gerade wenn es um Macht geht, geht es um Menschen. Denn da wo kein Mensch ist da auch keine Macht. Die Frage ist wahrscheinlich die: Wo hat das alles angefangen…und ich denke wenn man die Dinge Schritt für Schritt zurückverfolgt wird man bei einigen Menschen landen, die keine andere Möglichkeit sehen sich mächtig zu fühlen, als andere Ohnmächtig zu machen/zu erniedrigend/klein zu halten/zu ängstigen.
Ich wünschte Mensch würde so schlau sein nach all den vielen Kriegen diese Dinge anders als mit Unmenschlichkeit auszutragen. Schergen an den Fußball oder so, das wär mein Traum.
Naja, diesen Einwand bezüglich der Macht kann ich nicht gelten lassen, denn wo es keine Menschen gibt, gibt es auch keinen Krieg, keine Humanität, und nicht einmal Fußball.
Na eben. Alles Menschengemacht. Einer fängt an und ein anderer macht weiter und so weiter und am Ende ist es ein Knoten…aber vor dem Knoten hat es jede Menge einfacher Möglichkeiten gegeben menschlich zu handeln. Danach wird es erheblich schwieriger.
Ganz weit ausgeholt wenn sich jeder Mensch gut um sich selber kümmern würde und sich seiner Schattenanteile bewußt wäre. Würde es nie zu einem Krieg kommen – glaube ich. Denn dann gäbe es keinen Feind und kein Feindbild. Nur unterschiedliche Ansichten und Lebensweisen.