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Der Satan und die City of London

Als kürzlich noch darüber gerätselt wurde, wer in dem Konflikt zwischen Israel und Palästina vermitteln könne, tauchten verschiedene Namen auf, die für einen Versuch der Befriedung infrage kommen könnten. Unter anderem war zu hören, der ehemalige britische Premierminister Tony Blair bringe sich in dieses Spiel. Und manchmal lohnt es sich, auch die Programme der BBC anzuschauen. Denn dort wurde eine junge Politologin befragt, was sie meine, wieso ausgerechnet Tony Blair genannt werde. Ihre Antwort war kurz und prägnant: Weil Satan nicht verfügbar ist.

Schnitt: Vor einigen Tagen war im britischen Guardian zu lesen, dass der ehemalige Premier Boris Johnson, der seinerseits durch seine Intervention die Zeichnung eines Friedensvertrags zwischen Russland und der Ukraine, der zwei Monate nach Kriegsbeginn in Istanbul verhandelt worden war, verhindert hat, dafür von einem britischen Waffenkonzern eine Millionen britische Pfund als Prämie erhalten habe. Bis heute ist diese Nachricht nicht dementiert. 

Egal, wie sie heißen und welchem Parteilager sie entstammen: Es besteht eine Kontinuität britischer Politik hinsichtlich der Entfachung und Perpetuierung von Kriegen. Und das hat Tradition. Was vielen gar nicht so bewusst ist: Nahezu alle Konflikte, als deren Resultat bis heute Unmengen von Blut fließen, wurden bereits durch das British Empire angelegt. Auch wenn seit dem II. Weltkrieg der Stab der hegemonialen Herrschaft an die USA übergeben werden musste, so ist die Anlage der Konflikte noch das Werk der alten Meister. 

Von Hongkong über Syrien/Iran/Afghanistan bis nach Palästina, immer stammte das Mastermind aus der City of London. Dort saß und sitzt das Syndikat. Von dort stammt auch die Theorie des Sir Halford John Mackinders, die besagt, man müsse einen Keil zwischen Zentraleuropa und Russland treiben, um die Weltherrschaft zu wahren. Alles, was heute noch als die Werte basierte Weltordnung bezeichnet wird, wurde in der City of London ausgeheckt und der einzige Wert, der damit gemeint ist, ist der durch fremde Hand geschaffene Reichtum, dessen man sich bemächtigen will.

Wer sich in Bündnissen wähnt, die die westliche Zivilisation vor östlichen Barbaren schützen wollen und die sich auf die hohen Werte der Demokratie berufen und sich dort wiederfindet unter Gestalten wie Tony Blair oder Boris Johnson, hat das Attribut der Zurechnungsfähigkeit seit langem verspielt. Mit diesen Figuren ist weder eine Zivilisation zu schützen noch sind mit ihnen humanistische Werte zu verteidigen.

Das Verhältnis zu den Architekten globaler Raubzüge, die in der City of London ihre Studios haben, ist einer radikalen Revision zu unterwerfen. Anstatt sich von dem ganzen Tand und der Glorifizierung eines anachronistischen, degenerierten Königshauses blenden zu lassen und medial zu feiern, sollte eine Bestandsaufnahme erfolgen, die die tatsächlichen Kosten und Verluste mit solchen Bündnispartnern aufrechnet. Dazu bedarf es allerdings einer selbstbewussten Politik, die die eigenen Interessen im Auge behält. Vergleicht man allerdings das rücksichtslose, blutrünstige und bis auf die Knochen hemmungslose Personal, welches in der City of London sozialisiert wurde mit den Phantasten, die hierzulande in einer schwadronierenden Presse gehypt werden, dann ist klar, wer Koch und wer Kellner ist. Oder noch besser, wer der Jäger und wer das Kaninchen. 

Der Satan und die City of London

Last Exit Brexit

In der Literatur ist ein Schild mit dem Hinweis Last Exit in der Regel der Verweis auf eine gefährliche Situation. Vor allem in New York, denn wer da eine Abfahrt sogar verpasst, der kann im wahren Sinne des Wortes in Teufels Küche landen. Da geht es darum, dass das Verpassen einer Abfahrt bedeuten kann, in unbekanntes und lebensgefährliches soziales Gefilde zu kommen und dort mit Sicherheit untergehen zu können. In Tom Wolfes Roman Jahrmarkt der Eitelkeiten wird dies nicht nur deutlich, sondern zur Metapher schlechthin. Wer sich in der Welt Metropole verfährt, der ist auf Todeskurs. Und dort, wo momentan auch von einem Exit gesprochen wird, in Großbritannien, ist die Begrifflichkeit des Todeskurses nicht nur nicht deplaziert, sondern sie beschreibt eine mittlerweile alte, längst bekannte Weise der insularen Politik.

Großbritannien ist das Beispiel für einen suizidalen Kurs der eigenen Politik schlechthin. Das Gift, dass sich das Land seit nunmehr 35 Jahren kontinuierlich auf den Frühstückstisch legt, heißt Neoliberalismus und hat eine ähnliche Langzeitwirkung wie Opium. Vielleicht ist es auch das, was die Ironie der Geschichte genannt wird, dass nun das Kapitel im finalen Akt des Untergangs des einstigen Empires schreibt. Ausgerechnet jene Macht, die ihre asiatische Dominanz mit dem militärisch abgesicherten Opiumhandel nach China über große Zeiträume untermauerte, liegt jetzt da wie auf einer schäbigen Matte in einer hoffnungslosen Opiumhöhle und halluziniert ausgezehrt einem vermeintlich erlösenden Ende entgegen.

Der Neoliberalismus, genauer gesagt seine Inthronisationsmegäre Margaret Thatcher und alle die folgten, inklusive der verhängnisvolle Tony Blair, veranstalteten einen langen, kontinuierlichen Akt der Dekonstruktion. Das Mutterland des Kapitalismus, von dem aus durch Wertschöpfung der Welthandel revolutioniert wurde, bekam die glimmende Pfeife gefüllt mit der euphorisierenden Droge, die suggeriert, dass sich Wohlstand erreichen lässt ohne Leistung und Anstrengung, zumindest der jeweils eigenen. Systematisch wurde die Gesellschaft entstaatlicht und alles privatisiert, was sich versilbern ließ. Die Wertschöpfung wurde schlichtweg liquidiert, es begann mit den Gruben und Stahlhütten, es folgte alles, wozu es eines Proletariats bedurfte. Heute lungern ca. vier Millionen Proletarier in Englands Ghettos oder in fremden Fußballstadien herum, die niemand mehr braucht.

Stattdessen wurde das Heil gesucht in der Börse. Folglich wurde aus London das, was Gerhard Zwerenz einmal so treffend mit der Formulierung Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond beschrieben hat. In die City of London kann man tagsüber noch zu Besuch, wohnen kann da kaum noch ein Brite, weil es schlichtweg nicht mehr bezahlbar ist und manche Makler scherzen bereits, die Nuller auf dem Preisschild seien noch nie ihre Sorge gewesen. Ganze Straßenzüge werden bewohnt von den Börsenterroristen dieser Welt, die weitaus mehr Schaden anrichten als die armen Seelen, die mit veralteten Knarren ihr Teufelswerk untermauern.

Und nun, da Großbritannien auf der Matte liegt, taucht am Horizont der Verwüstung die Schimäre vom Brexit auf, die suggeriert, die Schwäche des Landes resultiere aus der Anbindung an einen Markt, der bestimmte Standards verlange. Die Antwort wäre zwar eine andere, denn wer keine Werte mehr schafft, der darf sich nicht wundern, wenn er irgendwann, wenn das Familiensilber verhökert ist, mit leeren Händen auf dem Markt erscheint. Die Perspektive, die sich hinter dem Brexit für das Land zeichnen lässt, ist denn auch wirklich nur noch im finalen Opiumrausch zu ertragen. Ein Land voller Gewalt, ein Land ohne Zukunft, ein in den Atlantik vorgeschobener, öder Posten der USA.

Exterritoriale Revue 0

Jeremy Corbyn, ein bis dato eher unauffälliger Politiker bei British Labour, spaltet die Partei aufs heftigste. Den einen gilt er als Hoffnungsträger, den anderen als die Inkarnation längst überlebter Zeiten. Corbyn selbst vertritt tatsächlich eher klassische Positionen der Arbeiterbewegung: Stärkung nationaler Industrien, eine konservative Energiepolitik, stärkere Besteuerung der Reichen und bessere Löhne für die Beschäftigten in der verarbeitenden Industrie. Der Zuspruch innerhalb Labours ist immens. Tony Blair, Her Majesty of New Labour, hingegen ist entsetzt und giftet böse. Der Versuch, GB zurück in eine Zeit zu versetzen, in der nicht Londons Financial District die Politik des Landes bestimmt, erhitzt gewaltig die Gemüter.

Im Monat August noch wurde der Opfer von Hiroshima und Nagasaki gedacht. Immer noch sitzt das Leid tief und ist die Trauer groß über die abscheulichste Attacke auf ein zivilisatorisches Ballungsgebiet durch den Abwurf zweier amerikanischer Atomraketen im Jahr 1945. Quasi gleichzeitig hat die Partei des japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Regierung autorisiert, im Bedarfsfall militärisch exterritorial einzugreifen. Bis dato ist das nicht möglich. Seit der Niederlage im II. Weltkrieg hat das Land eine konsequente und strikte Position der Landesverteidigung vertreten. Angesichts umstrittener Territorialansprüche mit Russland und China kann die Initiative der Regierung auch als Drohung verstanden werden. Massenproteste in Japan sind die Folge. Hunderttausende gingen in Tokio und anderswo auf die Straße.

Ungarn entpuppt sich als das Safe House für radikalstaatliche Ideen zur Sicherung tradierter Verhältnisse. Das EU-Mitglied profiliert sich durch die Regierung Orban nicht als das gemeinsame Haus Europas, von dem die Gründer der EU noch schwärmten. Zunächst wurden Sinti und Roma durch diskriminierende Gesetze weiterhin marginalisiert, dann sollten die nationalen Freimaurerverbände ihre Mitgliederlisten der Regierung übergeben, was diese nicht taten, und nun wird ein Zaun, eine Mauer gebaut, um Flüchtlinge von außen fern zu halten. Deutschland, selbst traumatisiert durch die Existenz einer Mauer über nahezu drei Jahrzehnte, schweigt.

Im Jemen tobt weiter der Krieg. Nach Berichten, die in unseren Sphären kursieren, geht es bei dem Kampf um die Dominanz zwischen Sunniten und Schiiten. Sieht man sich die Strongholds der beiden muslimischen Richtungen an, dann geht es vor allem um die Konkurrenz zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Die im Jemen operierenden Huthi-Rebellen sind Schiiten und werden daher konsequent von saudi-arabischen Streitkräften bombardiert. Der Konflikt innerhalb der islamischen Welt um Vorherrschaft wird im Westen selten thematisiert und analysiert. Die Reduktion des Konfliktes auf Israel und den Iran erklärt vieles andere nicht. Das Morgenland bleibt vielen westlichen Politikern ein Mysterium.

Der Zeitpunkt des offiziellen Abzugs deutscher Truppen aus Afghanistan rückt näher. Das Land wird sich auch danach, unabhängig von der weiteren Form westlicher Militärpräsenz, mit den alten, tradierten Interessen auseinanderzusetzen haben. Warlords und Nomaden dominieren ein wildes Land, in dem es immer um Mohn und Waffen ging. Imperiale Mächte gingen immer leer aus, weil eine militärische Überlegenheit am Boden nie gewährleistet werden konnte. Der Interessenkonflikt um den Heroin-Rohstoff wird bleiben, der über den Zugriff auf im Land vorhandene seltene Erden ist hinzugekommen. Vieles spricht dafür, dass auch die Zukunft des Landes unruhig und gewaltsam sein wird. Und vieles spricht dafür, dass die finanziellen und militärischen Mittel, zu denen im Westen gegriffen wird, um im Spiel zu bleiben, bald nicht mehr mit dem Recht der Mädchen auf Schulbesuch erklärt werden können.