Schlagwort-Archive: Sybille Berg

Der Trick mit den Analogieschlüssen

Vor vielen Jahren, in Bayern herrschte noch ein Franz-Josef Strauß, da erstellte die Satirezeitschrift Titanic eine Reportage, die betitelt war mit der Frage „Was brummt denn da im Kopf des Dr. Stoiber?“ Letzterer war damals Adjutant des Alleinherrschers und am Anfang seiner Karriere. Dabei tat er alles, um nach oben zu kommen und nichts war ihm peinlich. Die Redakteure des Magazins waren daraufhin in den Geburtsort des Beklagten gegangen und hatten versucht herauszufinden, an welcher Stelle genau der spätere Nachfolger des Herrschers denn hätte auf den Kopf gefallen sein können.

Diese Episode kam mir in den Kopf, als ich in Spiegel online die Kolumne von Sybille Berg las. Unter dem Titel „Putin, der olle Islamist“ gelingt es der Autorin, eine Analogie zwischen des Rechtsradikalen in Deutschland und Russlands Präsident Putin herzustellen. Die gemeinsame Basis beider zu verurteilender Lager ist ihre Homosexuellenfeindlichkeit. Und, selbst redend, sind alle diejenigen, die nicht in die Meute derer mit einfallen, dass Putin der Böse und vielleicht die vom Faschismus geprägten und in ihrer Homophobie ebenfalls exponierten verbündeten Kräfte in der Ukraine die Guten sind.

Natürlich kann man so argumentieren. Aber es birgt in sich eine regelrecht heiße Kriegsgefahr, weil diese Logik der von Kreuzfahrern und Inquisitoren gleicht. Da existiert zwischen den verschiedenen Rollen von Individuen, politischen Strömungen, Parteien und Staaten keinerlei Differenzierung mehr. Ehrlich gesagt, glaube ich kaum, dass diejenigen, die momentan versuchen, ein gewisses Verständnis für die russische Sicht der Dinge einzufordern, den gleichen Chauvi-Style, den Machismo, die Homophobie oder den Waffenfetischismus Putins gut heißen. Aber das steht nicht zur Debatte. Zur Debatte steht, ob zunächst die USA und dann auch die EU und vor allem Deutschland in den letzten 25 Jahren ihr Wort gebrochen und entgegen aller Beteuerungen bei der Vereinigung der beiden deutschen Staaten die NATO-Osterweiterung betrieben haben oder nicht. Russland als souveräner Staat wird vertreten durch einen Repräsentanten, und der heißt Putin. Dass dieses Land im Dissens zu einem Wortbruch steht, der im Kopf der Kolumnistin keine Rolle spielt, ist eher ihr Problem.

Die Autorin treibt ihre eigene Logik noch weiter und meint in ironischer Eleganz zu stehen, wenn sie die Homophobie und Frauenfeindlichkeit des Islam eigentlich auch als folgerichtigen Grund für die Verbrüderung der Rechten mit dem Islam sieht. Auch das kann man oder Frau so machen, nur zeugt es von eigenen Vorurteilen und Projektionen, die weit spektakulärer sind, als die der Angeklagten.

Das alles ist nicht schlimm. Nachweislich handelt es sich in dabei um eine Kolumne, in der man nicht alles so ernst nehmen muss, wie es eigentlich das behandelte Thema oft erfordert. Aber, semper aliquit haeret, irgendetwas bleibt immer hängen. Und darauf spekuliert auch eine ironische Kolumne. Die Autorin versucht, alle, die in einem äußerst komplexen und Gefahr behafteten Konflikt um Differenzierung bemüht sind, in die Aura der Homosexuellen- und Frauenfeindlichkeit zu stellen. Damit dokumentiert die Journalistin, dass sie in puncto Diffamierung durchaus Stärken aufzuweisen hat. Für ihre Analogieschlüsse bekäme sie sicherlich ein Testat, das ihr nicht weiter verhülfe. Vielleicht spendiert der Spiegel ihr ja auch einmal eine Bildungsreise in die ukrainische Provinz jenseits der russischen Sympathie. Sie könnte vieles berichten, über die dortige alte Tradition der Toleranz und den atemberaubenden Fortschritt der Frauenemanzipation, vielleicht sogar von dem ausgeprägten Philosemitismus. Sollte sie gar bereit sein, das eine oder andere Wort zu revidieren, dann stünde ihr gar ein Preis zu, vielleicht der für die Lernfähigkeit.

Ignoranz und Propaganda

Wer kennt sie nicht, die Situation! Man steht vor einem Machwerk an Argumentation oder Interpretation und weiß gar nicht, wo man anfangen soll, sich damit auseinanderzusetzen, weil es dermaßen von Fehlannahmen, Sottisen, Irrationalitäten und Boshaftigkeiten strotzt, dass man am liebsten das Elaborat ignorieren wollte und stattdessen das Dasein genießt. Aber manchmal wäre das eben unverantwortlich, weil weder Ideologie noch Ignoranz etwas Gutes nach sich ziehen. Momentan häuft sich diese Situation. Anlass dafür sind nicht selten die Ereignisse in und um die Ukraine.

Im Spiegel Online, kurz und zutreffend SPON genannt, passiert momentan vieles, das mit Verharren in blankem Entsetzen quittiert werden müsste, wollte man nicht standhalten. Neben einer Kolumne, in der sich Sybille Berg vor kurzem dazu verstieg, alle, die nicht ihr Weltbild teilen, als deutschnationale Frauenhasser zu diskriminieren und in der sie eine Hetzschrift verfasste, lässt nun ein gewisser Sebastian Fischer einen Artikel vom Stapel, der sich folglich in bester Gesellschaft befindet. Unter dem Titel In der antiamerikanischen Nische macht er nämlich folgendes aus: Die heutigen Putinversteher, übrigens eine Wortkreation aus der Welt unbewältigter Beziehungskisten, seien eigentlich antiamerikanische Pubertierende.

Dann kann man nur staunen. So einfach ist das Weltgeschehen. Allen, die sich nicht auf Abenteuer einlassen und Eroberungslüste auf dem Terrain der internationalen Politik verspüren, wird mal so eben ein pubertäres Autoritätsproblem attestiert, von einem Organ, das selbst im Rahmen der NSA-Affäre, die ihrerseits nichts anderes ist als die Zerstörung einer adoleszenten Illusion, die bösesten Auslassungen gegen die USA und ihre Bevölkerung produziert.

Nur eine leise Ahnung von Diplomatie und ein rudimentäres Grundverständnis vom Völkerrecht hätte eigentlich zu folgendem führen müssen: Bei einem antagonistischen Gemisch wie der Ukraine, politisch wie ethnisch und kulturell, wird es schwierig sein, eine konkordante Lösung für die Zukunft zu finden. In einer Situation akuter politischer Krise auf den ersten daher gelaufenen Bündnispartner, der durch nichts legitimiert ist, zu setzen, führt zu Eskalation. Einen Prozess des Vorrückens gegen das Terrain der ehemaligen Supermacht Sowjetunion in zwei Dekaden nicht wahrzunehmen und nicht in der Lage zu sein, sich auch nur temporär in die Situation Russlands zu versetzen, führt zur sicheren Diagnose des politischen Autismus. Russland als Aggressor darzustellen ist in diesem Kontext lausige Propaganda. Und die Ereignisse auf der Krim als völkerrechtswidrig zu bezeichnen, dokumentiert Dummheit wie Unverfrorenheit zugleich.

Das Völkerrecht, wiewohl ein spätes Ergebnis des Kolonialismus, basiert vor allem auf einer so genannten Drei-Elemente-Lehre, die auf den Faktoren Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt basiert. Eine Kongruenz dieser drei Begriffe ist weder auf der Krim noch in der ganzen Ukraine gegeben. Schaut man sich die Historie an, weiß man auch warum. Eine zweite Frage ist, wie man damit umgehen sollte, wenn das Völkerrecht wichtig erscheint. Aber weder den momentanen Bündnis-Oligarchen des Westens noch dem Westen selbst scheint daran besonders gelegen zu sein. Die einzige Macht in der Region, die noch einen kausal vertretbaren Ansatz in puncto Völkerrecht vorbringen kann, ist tatsächlich Russland. Das ist pure Logik. Und der ausgemachte Antiamerikanismus ist pure Projektion. Die Kritik richtet sich vor allem gegen die Europäische Union und die Bundesrepublik. Das, was da an der Tag gelegt wurde, könnte als Lehrstück für pubertäres Agieren genommen werden. Ginge es da nicht um handfeste Interessen, die in diesem Falle nun einmal nicht friedensstiftend sind.