Schlagwort-Archive: Steuerhinterziehung

Das Syndikat vom Tegernsee

Was für eine Nummer! Wäre es nicht der Club, der allwöchentlich in einem See der Weltklasse-Superlative ersöffe, so wäre man gut beraten, von einer Schmonzette zu sprechen. Der glorreiche FC Bayern, seinerseits die selbst auserkorene Blaupause auf den Dauererfolg, feierte auf seiner Jahreshauptversammlung seinen Protagonisten. Der jetzige Präsident, frühere Spieler und jahrzehntelange Manager tat etwas, was er auf einer Jahreshauptversammlung tun musste: Er legte Rechenschaft ab hinsichtlich der Finanzen und der sportlichen Resultate und wie es das Auditorium gewohnt war, ging es kaum noch höher hinaus: Alle Titel, die der Vereinsfußball bietet, wurden gewonnen, das Festgeldkonto ist so prall wie nie, der Umsatz so hoch wie selten und der Überschuss natürlich auch. Der Fußballclub Münchens, der einst von erfolgreichen Kaufleuten gegründet und während der Nazi-Zeit schlecht beleumundet wurde, ist gereift zu einer Medienmarke und einem Branchenmonopol, wie es Deutschland vorher nicht kannte.

Das, was weniger zu Sprache kam und eher nur zu einer emotionalen Seifeneinlage gereichte, war eine Analyse des Personals, mit der das Monopol erobert und gesichert werden konnte und das dabei ist, mit propagandistischen Initiativen wie dem Financial Fair Play das zu kaschieren, was die Macht zu sichern scheint: Die Struktur eines Syndikats, dem es egal ist, womit gehandelt wird, dass sich nur noch nährt aus der Dominanz in allen relevanten Bereichen und das an Virtuosität nicht mehr zu überbieten ist, wenn es darum geht, der Konkurrenz in den Grauzonen des Akzeptablen so richtig weh zu tun.

Dass sich das Personal, welches sich um eine derartige Vormachtstellung verdient gemacht hat, nicht wie die legalistischen Häschen verhält, liegt da nur auf der Hand. Der FC Tegernsee, wie er manchmal liebevoll genannt wird, verfügt momentan über einen Präsidenten, gegen den ein Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung vorliegt. Der Vorsitzende wiederum hat einen Strafbefehl wegen eines massiven Verstoßes gegen die Zollbestimmungen und eine hohe Geldstrafe akzeptiert. Ein Abwehrspieler wiederum saß gerade im Gefängnis wegen Betrugs, Brandstiftung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz während ein Angreifer sich vor dem Gericht seines Heimatlandes wegen sexueller Handlungen mit minderjährigen Prostituierten verantworten muss. Nicht erwähnt seien die nicht justiziablen, aber dennoch im öffentlichen Diskurs deplatzierten Injurien anderweitigen Personals bei der Verunglimpfung anders Denkender.

Wer mit einer derartigen Truppe aufwartet, der verrät sehr viel über die Verfolgung der eigenen Ziele und der beleumundet sich selbst. Nicht, dass in einem Sport, bei dem es zur Sache und um viel geht, um gezierte Befindlichkeiten ginge. Nein, wenn dieser Sport eine positive Wirkung haben kann, dann ist es die Botschaft zu vermitteln, dass Konkurrenz und Wettbewerb trotz harter Bedingungen auch mit Regeln und Respekt von statten gehen können. Und auch, dass die Kooperation innerhalb eines Teams mehr basieren sollte auf gesteigerter Effektivität als auf Demütigung und Machtdemonstration.

Der wohl enthüllendste Moment der Mitgliederversammlung war der, als der Präsident mit dem Haftbefehl gerade im Kontext mit selbigem gefeiert wurde wie ein Held. Da wurde aus dem Sportverein in Sekundenschnelle ein Syndikat. Da wurde für einen Augenblick deutlich, wie es bestellt ist um die Vorbildfunktion dieses Metiers für die jungen Leute im Land, wo alles, was die positiven Attribute des Wertewandels der letzten Jahrzehnte ausmacht, von einem übergewichtigen Mann und seiner Fangemeinde zermalmt wurde. Wenn es so etwas gibt, dann war es eine Sternstunde der Finsternis.

Narzisstische Verblendung

Auch wenn es zu den Ritualen eine Demokratie gehört, sollten Wahlkämpfe nicht einfach als irrelevant abgetan werden. Zum einen haben sie zuweilen Unterhaltungswert, auch wenn die meisten Wählerinnen und Wähler wissen, dass es sich um eine Inszenierung handelt, deren Verfallsdatum mit dem Wahltag feststeht. Vielleicht erfährt man auch Dinge, die einfach wissenswert sind, zum anderen entlarven sich die konkurrierenden Parteien so manches Mal, indem sie den Mitbewerbern das System ankreiden, zu dem sie selbst gehören. Das ist zumindest amüsant.

 Was allerdings dem Volke bleibt, ist die Möglichkeit, den Geistes- und Gemütszustand derer, die sich um ein Amt und die Macht bemühen, zu diagnostizieren. Denn aus jeder Wortmeldung sprechen ein Geist und eine Haltung, und wenn es sich um puren Opportunismus gegenüber dem Zeitgeist handelt. Manchmal ist es auch eine Mischung aus allem, Statement, Appell und Schönwetter. Analytisch sind sie alle interessant und jeder Spot, der im Fernsehen ausgestrahlt wird, ist es wert, auf seine offenen und versteckten Botschaften durchleuchtet zu werden.

 Der wohl bis dato denkwürdigste und meisterhafteste Beitrag in diesem Wahlherbst stammt allerdings von der CSU. Jenseits aller Wahlkampfklischees werden hier Botschaften übermittelt, die konzentrierter und streitbarer nicht sein könnten. Da sitzt ein laut vor sich hin räsonierender Horst Seehofer im Oberhemd in einer bayrischen Küche. Vor der obligatorischen Holzwand. Es sieht so aus, als sei es während einer frugalen Brotzeit, auf dem Tisch steht ein Glas Wasser, ein bereits leicht bräunlich schimmernder geschnittener Apfel, ein Salzstreuer und ein Kanten Brot. Die dann eingespielte Mimik, in der sich der Räsonierende immer wieder im Bilde von Rodins Denker ans Kinn fasst, verdeutlicht, dass es sich um das karge Mal des Philosophen handelt. Es soll wirken wie der einsame Monolog des abwägenden, aber sich seiner Sache sicher seienden strategischen Denkers, der die Geheimnisse des Daseins kennt und den Erfolg nur deshalb so seriell einfährt, weil er sich selbst genug ist und die Dialektik des Gewinnens als Erkenntnis mild belächelt. In einem Satz wie „der Erfolg von heute ist der Feind der Zukunft“ wird das deutlich. Und dass Bayern als Referenzstück für erfolgreiches Agieren verstanden werden will, versteht sich dann bereits von selbst.

 Trotz der Professionalität in Aufbau, Wortwahl, Bild und Metaphorik unterliegt auch dieser Beitrag dem Schicksal aller seiner Konkurrenten: Die Betrachter neigen nun einmal dazu, die erzeugte Illusion mit ihrer realen Welt abzugleichen. Diese sieht individuell sehr unterschiedlich aus und es ist bekannt, dass in Bayern auch überproportional viele wirtschaftlich Erfolgreiche wohnen. Aber es gibt auch die Kehrseite, diejenigen, die aus den Metropolen ziehen müssen, wenn sie ihre Jobs verlieren, weil sie die astronomischen Mieten nicht bezahlen können oder einfach nur diejenigen, die in Neuperlach darauf warten, dass das Fass in die Luft fliegt. Und auf der Referenzliste dieser Regierung stehen nicht nur erschütternde Justizskandale, sondern auch das Milliardengrab einer gigantomanisch von Dilettanten betriebenen Alpenbank. Diverse, fragwürdige und verschleierte Polizeieinsätze, Korruptionsvorwürfe, die erst gar nicht untersucht wurden und Steuervergehen, die schon wenige Tage nach der Wahl zu den Akten gelegt werden, sind auf dieser Liste ebenso zu finden.

 Und vieles spricht dafür, dass es einen Archetypus unter den Protagonisten dieses Musterlandes gibt, der so gekonnt in dem Spot der CSU inszeniert wurde. Es ist der der narzisstischen Verblendung.