Wenn es schon nicht das Mittel einfacher Logik ist, dann sollte es zumindest der Geruchssinn sein. Denn es stinkt vor allem, wenn der Wind aus dem Osten kommt. Wenn er über den Hindukusch hierher weht oder antike Städte im heutigen Irak oder in Syrien berührt. Denn alles, was aus Richtung Ukraine noch kommen wird, ist bereits bei diesen Winden zu riechen. Da kommt der ganze Gestank gescheiterter Kreuzzüge eines von sich selbst überzeugten Zivilisationskolonialismus herüber. Zwar erleben es die in diese Maßnahmen verwickelten Menschen selbst als Desaster, nämlich Politiker wie Soldaten, aber eine Reflexion über das sich wiederholende Elend findet nicht statt, schlimmer, sie ist weder vorgesehen noch erlaubt.
Die gegenwärtige Verteidigungsministerin der Bundesrepublik, deren Amtsbezeichnung seit langem einen Euphemismus darstellt, hatte bei ihrem Amtsantritt noch versprochen, dass die zwanzigjährige Operation Afghanistan auf jeden Fall evaluiert werden müsse. Sie hatte das große Glück der russischen Intervention in der Ukraine, denn seitdem ist Afghanistan Geschichte. Sie liegt unbewältigt wie unbewertet in den Archiven oder als Krankenakte von manch traumatisierten Soldaten in den Praxen von Psychotherapeuten. In Afghanistan herrscht allerdings wieder der Status quo ante, da ist die Militärpräsenz als eine weitere Episode des Kolonialismus längst in Vergessenheit geraten und es herrscht, wie vorher, ein prähistorischer Tribalismus. Der hatte zuvor schon die Armee des britischen Empire und des sowjetische Imperiums so gedemütigt, dass beide danach in die Knie gingen.
Vielleicht ist es auch diese historische Erfahrung, die doch eine Rolle spielt. Der die Weltordnung nach seinen Regeln erhalten wollende westliche Imperialismus hat sowohl in Syrien wie in Afghanistan seine Schranken gezeigt bekommen und sich in einer Situation, die als dramatische taktische Defensive beschrieben werden muss, zu einem Denken verleiten lassen, dass jede Auseinandersetzung mit Kräften, die die eigene Dominanz geostrategisch gefährden könnten, als eine finale Entscheidungsschlacht ansieht.
Die Ukraine ist ein großes europäisches Land, das historisch wie kulturell auf immer, übrigens unabhängig davon, wie dieser Krieg ausgeht, verbunden bleiben wird. Die geostrategische Bedeutung des Landes ist immens, die ökonomische ist nicht zu unterschätzen. Dennoch ist sie eine Figur auf dem großen Schachbrett des amerikanischen Imperiums. Gegenwärtig hält dieses Imperium die Figur, vom Schachbrett genommen, in der Hand und überlegt, welcher Zug der klügste ist, in der Auseinandersetzung mit Russland. Wird sie zum Bauernopfer, oder an eine Stelle auf dem Brett gestellt, wo sie zwar nicht gerissen werden kann, aber kaum mehr eine Rolle spielt? Matt setzen kann man Russland mit der Ukraine nicht. Für die Ukraine ist das ein Debakel, für das Imperium Tagesgeschäft.
Ach ja, da war auch noch Corona. Und, sieht man genauer hin, dann hat dieses durchaus als historisch zu bezeichnende Ereignis wohl ein ähnliches Schicksal wie der militärische Einsatz in Afghanistan. Von Evaluierung keine Spur. Was auffällt, ist, dass die Summen, die bei einer Verbesserung des Gesundheitssystems fehlten, nun in potenzierter Form als Waffen in die Ukraine überwiesen werden. Prioritäten sind gesetzt. Dafür ist gesorgt.
Immer mehr Menschen schlagen bei diesen Ereignissen, die eine ganz andere Wucht haben als die kleinen Winde davor, die Hände über dem Kopf zusammen und fragen sich, was da eigentlich gespielt wird? Meine Empfehlung: Machen Sie es wie die beschriebenen Schachspieler, entfernen sie sich mental vom Brett und werfen einen Blick auf das Ganze. Nehmen sie mal hier, mal dort eine Figur in die Hand, und räsonieren darüber, ob sie sie opfern oder in die Bedeutungslosigkeit entlassen wollen.