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Schluss mit dem Quatsch!

Es mutet schon fast wie ein Gassenhauer an, dass Krisen nicht nur negative Wirkungen beinhalten, sondern auch Chancen bieten. Aus einer Misere heraus etwas Neues zu wagen, ist vielleicht einfacher, als aus dem Wohlbefinden die Verhältnisse zu ändern. Denn wer sich wohlfühlt, möchte diesen Zustand erhalten, obwohl dabei verdrängend, dass gerade das Veränderung benötigt. Im persönlichen, privaten Bereich ist das Verständnis der Krise als Chance oft schon kein leicht zu erwerbendes, auf dem Feld der Politik, gar im Verhältnis von Volk und Regierung, ist das alles ungleich komplizierter. 

Der Zustand, in dem sich aktuell die Regierung befindet, kann ohne Dramatisierungseffekt als kritisch beschrieben werden. Alleine das Zustandekommen dieser Regierung war bereits ein zeitraubender Kraftakt, und nun, kaum hat sie ihre Geschäfte aufgenommen, ist ein vehementer Streit zwischen historischen Bündnispartnern entbrannt, der allenfalls symbolischen Charakter hat, aber dennoch das Regierungshandeln lähmt. Denn längst ist es Konsens im gesamten Regierungslager, dass sich ein Zustand wie 2015 nicht wiederholen darf und die Einreise von Migranten in das deutsche Staatsgebiet so weit wie möglich limitiert werden soll. 

Worum geht es also? Die Frage zu beantworten ist nahezu unmöglich, weil es nicht um Wirkungen von Politik geht, ein Streit darüber ist eine klassische, aber nachvollziehbare Verwerfung. Feststellen zu müssen, dass es lediglich um Wahlspekulation und Ämtererlangung und nicht um politische Inhalte geht, ist Grundlage für die Erkenntnis, dass die Krise der Regierung gleichzeitig die Krise des Systems ist. Und jetzt wird es brenzlig: Die Sinnentleerung des politischen Diskurses und seine Reduktion auf symbolische Handlungen ist eine Entwicklung, die in Zusammenhang steht mit einer anhaltenden Entmündigung des Souveräns und einer zunehmend propagandistisch verkauften Staatspolitik. Wem da der alte Ostblock einfällt, als die selbst ernannten Volksdemokratien selbst redend für das Volk sprachen und es keinen Kampf mehr um politische Inhalte, sondern allenfalls noch um die Formulierung der Politik gab, der hat ein gutes Gedächtnis.

Der demokratische Prozess dieses Landes leidet unter genau so einer Sinnentleerung, die kaschiert wird durch eine abstrakte Diskussion um mehr Verantwortung, bei der das Wofür keine Rolle spielt, und die gekennzeichnet wird durch Attribute wie „alternativlos“, aus denen der Geist der alten Staatsparteien sprüht. Dass der Kampf gegen jede Form des Andersseins gespickt ist mit Verdächtigungen „mutmaßlicher“ und „vermeintlicher“ Missetäter, macht die Angelegenheit schon beinahe als Modell attraktiv. Nichtsdestotrotz dokumentiert dieser Zustand eine Krise, die auch ihre Möglichkeiten bietet.

Jetzt, in dem Augenblick des möglichen Strauchelns, die alte Selbsttäuschung des kleinen Übels zu bemühen, ist nur noch abgegriffen und führt nicht weiter. Die große Chance, die diese Krise bietet, ist die radikale Fokussierung politischer Inhalte. Schluss mit dem Quatsch, so könnte ein alter Bänkelsänger zitiert werden, jetzt wird diskutiert! Das, was zunächst nur als der Wechsel eines Denkmodells erscheint, nämlich das Abwenden von Strukturen (mehr Geld für das Militär, mehr Geld für die Bildung) und das Zuwenden zu den beabsichtigten Wirkungen (und jetzt wird es heikel: Landesverteidigung oder Intervention, analytische Fähigkeiten oder Konditionierung?), kann zu einem großen Wurf werden, der die Politik und den Streit darüber zu einer Qualität zu heben, die den Namen verdient hat. 

Nutzen wir die Krise eines ermüdeten Systems! Reden wir über die beabsichtigten Wirkungen von Politik. Ganz konkret!