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Und jetzt noch schnell das Tafelsilber verhökern!

Bundesfinanzminister Schäuble ist ein wacher Geist. Als die Flüchtlinge in großer Anzahl nach Deutschland kamen, warf er sogleich die Frage in den Raum, ob das alles ohne Steuererhöhungen zu finanzieren wäre. Das war politischer Sprengstoff, den er sogleich wieder entschärfte, als er merkte, dass er damit kein Lob erzielen würde. Jetzt, nach der Wahl Donald Trumps und der damit verbundenen Frage, ob die Globalisierung und der Wirtschaftsliberalismus nicht an einem Punkt angekommen sind, der große gesellschaftliche Verwerfungen zum Vorschein bringt, holt er wieder etwas aus der Schublade, das ihn als den puristischsten Vertreter des Wirtschaftsliberalismus entlarvt. Wenn die Verhältnisse schon dahin treiben, dass sich etwas ändern könnte, warum dann nicht noch schnell etwas Tafelsilber des Staates verhökern?

Mit dem Vorschlag, die Bundesautobahnen zu privatisieren, ist genau das geplant. Es geht darum, Infrastruktur, die aus Steuergeldern finanziert wurde, noch schnell den großen Versicherungskonzernen anzubieten. Der Zustand, in dem sich zumindest im Westen des Landes viele dieser Autobahnen befinden, ist sehr verbesserungswürdig, vor allem, weil die nötigen Investitionen in den letzten Jahrzehnten unterblieben. Im Osten hingegen wurde, unter anderem mit Mitteln aus dem Solidaritätsbeitrages der Steuerzahler eine Qualität geschaffen, die sich sehen lassen kann. Solidaritätsbeitrag und Zugriffe auf die Rentenkassen haben die Infrastruktur im Osten mitfinanziert. Das Defizit der Instandhaltung im Westen hingegen ist unter anderem Opfer der Ideologie der schwarzen Null. Nun den Versuch zu machen, das alles zu privatisieren, ist ein weiterer Akt der Enteignung von Volkseigentum. Parbleu!

Die Diskussionen um das Erstarken des so genannten Populismus zeitigen einerseits vor allem, dass aus den Ereignissen nichts gelernt wird. Es geht in den meisten Punkten nicht darum, die Populisten zu widerlegen. Das ist einfach, aber es führt zu nichts. Es ginge vor allem darum, die Ursachen dafür, dass Populismus so erfolgreich sein kann, zu erforschen. Die Globalisierung hat die Gesellschaft tief gespalten in diejenigen, deren Leben sich durch sie bereichert hat und diejenigen, die brutal abgehängt wurden. Eine Politik, die die zunehmend bedrohlichen Verhältnisse verändern will, muss sich mit genau diesen Ursachen beschäftigen. Diese Ursachen sind vielfältig, aber die wichtigsten Bausteine sind die Vernichtung öffentlichen Gutes und die Vernichtung von Arbeit. Nur wer sich dieser Frage stellt, meint es ernst.

Wer sich weiter damit zufrieden gibt, sich über das Erscheinungsbild der Populisten zu mokieren, der macht es sich nicht nur bequem, sondern er wird an der Entwicklung nichts ändern. Die Schlaumeier, die mit ihren Prognosen hinsichtlich der US-Wahlen nichts anderes zutage förderten als ihre eigene Unfähigkeit, gesellschaftliche Entwicklungen zu analysieren und sich eher als kindliche Tagträumer entpuppten, baden sich jetzt in Exzessen über die Dummheit der anderen. Ihre Ignoranz ist genauso gefährlich wie der Populismus selbst, weil sie ihm nur zuarbeiten, indem sie die Vorurteile, die dieser schürt, mit ihrem Verhalten belegen. Arroganz war noch nie ein guter Ratgeber.

Schäubles Vorstoß, die Autobahnen zu privatisieren, zeigt, dass die wirtschaftsliberalistischen Abkocher gar nicht daran denken, etwas zu ändern. Sie vernichten Allgemeingut wie Arbeitsplätze und hinterlassen der Welt einen Scherbenhaufen. Statt sich im Feuilleton über die intellektuelle Begrenztheit weniger Gebildeter auszulassen, muss die Politik der wirklichen Brandstifter in den Fokus. Und die sitzen im eigenen Land, und schlimmer noch, sie sitzen sogar in der Regierung.

EU: Inquisitorisches Selbstbewusstsein

Jetzt, nach dem Brexit, wäre die historische Chance, sich zurückzulehnen und die Entwicklung der Europäischen Union einmal in Ruhe zu betrachten. Wenn ein Land, aus welchen vorder- und aus welchen hintergründigen Motiven auch immer, sich entschlossen hat, die EU zu verlassen, zumal vom Kaliber Großbritanniens, sollte soviel Selbstreflexion zu der Räson gehören, die erforderlich ist, ein derartiges Netzwerk am Leben zu erhalten. So, wie es aussieht, hat der Brexit jedoch dazu geführt, dass die Hardliner, die die Argumente gegen eine Weiterentwicklung der EU zuhauf geliefert haben, die Oberhand behalten und noch eine Schüppe drauflegen.

Die Motive, die EU zu verlassen sind vielschichtig, aber der Ruck, der Europa als Protest gegen die EU erschüttert, basiert vor allem auf zwei Faktoren, die immer wieder und von politisch sehr unterschiedlichen Perspektiven genannt werden und die es vermögen, große Massen zu mobilisieren. Das ist zum einen die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die in den letzten Jahren riskante Finanzgeschäfte geduldet, luftige Kreditvergaben befürwortet und das folgende Desaster durch eine bis dahin ungekannte Austeritätspolitik gegen die Mitgliedsländer finanziert hat.

Der andere, den Ärger nährende Faktor sind die demokratisch nicht legitimierten Kommissare, die mit ihren bürokratischen Vollstreckern eine Reglementierung zustande gebracht haben, die unter dem Stichwort der Standardisierung die zum Teil die nationale Identität begründenden Eigenheiten nivelliert haben und zudem von einer Weltfremdheit dominiert wurden, die ihresgleichen sucht.

Wenn die EU zu einem Geschäftsterrain für die Reichen mutiert und mit bürokratischer Bevormundung agiert, dann ist es kein Wunder, dass irgendwann Protest um sich greift. Neben den harten Fakten, zu denen noch einige hinzugefügt werden können, wie zum Beispiel die monströse Liaison mit dem Militärbündnis NATO, ist die Kommunikation über die wesentlichen Punkte dieser Politik einer Psychologie verfallen, die nur zwei Zustände zur Folge haben kann, entweder Aufruhr oder Depression.

Denn die Kritik, die von allen Teilen des Kontinents an dieser Programmatik formuliert wird, wird als das Werk von Europahassern diskriminiert. Das ist eine absolutistische, totalitäre Logik. Wer sich nicht dem Kurs der Dominanten anschließt und diesen kritisiert, der hasst das Konstrukt Europa. Diese kommunikative Logik ertönt jeden Abend über die öffentlich-rechtlichen Kanäle und sie richtet mehr Schaden an als so manche nationalistische Phrase. Denn, kalt betrachtet, ist diese Logik das Besteck der Inquisition. Wer sich so sicher fühlt, wer sich so wenig um die Kritik aus allen Teilen des Kontinents schert und wer diese Kritik als das Werk des Hasses verdammt, der hat die Leibspeise des Großinquisitors bereits samt Nachtisch verdrückt und ist zu keiner rationalen Wahrnehmung mehr fähig.

So ist es kein Zufall, dass nach dem Brexit zum ersten Mal die EU-Kommission beschlossen hat, gegen zwei Länder, die die EU-Stabilitätskriterien verletzt haben, Sanktionen zu verhängen. Es handelt sich dabei um Portugal und Spanien, die die EU-Verschuldungsgrenze im einen Fall um 1,4, im anderen um 2,1 Prozent überschritten haben. Es handelt sich um zwei Länder, die wirtschaftlich am Boden liegen, weil ihnen die Kreditschwemme genauso wenig bekommen ist wie die folgende Austeritätspolitik. Der Chef der Eurogruppe Dijsselbloem und der deutsche Finanzminister Schäuble sind die Treiber dieser Sanktion. Sie scheinen es darauf anzulegen, keine Gefangenen mehr zu machen, sondern alles niedermetzeln zu wollen, was sich ihrer Ideologie in den Weg stellt. Der Wirtschaftsliberalismus, der in den USA, woher er kam, längst beerdigt ist, tanzt mit diesen Figuren einen letzten, schaurigen Makabré. Es geht so weiter, und der Brexit war der Anfang.

Die Zeit der Sensenmänner

Im Zeichen der Demoskopie stehen sie derweilen hoch im Kurs. Sie gelten als die, die ungeachtet des Zeitgeistes den Mut besitzen, unbequeme Wahrheiten zu sagen und kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sie mahnen die eiserne Faust an, wo gestalterische Phantasie angebracht wäre. Sie schreien nach Ordnung, wo Flexibilität gefordert wäre und sie begünstigen Feindbilder, die keinem helfen werden. Aber das scheint alles unerheblich zu sein. Die medialen Kommunikationsorgane stilisieren sie zu Helden, dabei könnte ihre Botschaft dürftiger nicht sein. Egal, woher das Elend kommt, ordentlich den Knüppel raus, dann ist auch wieder Ruhe. Sollte das die Maxime sein, die in Deutschland wieder Mehrheiten zu gewinnen in der Lage ist, dann wäre es vergeudete Zeit, über mögliche Perspektiven für dieses Land überhaupt noch zu räsonieren.

Doch zurück zu den drei SSS. Seehofer, der reine Symbolkämpfe inszeniert, Schäuble, der die Ent-Solidarisierung Europas bis zur letzten Jacketkrone ausgefochten hat und nun auch Edi Stoiber, der im Kreise von Pommes & Pralinen seit Jahren zur Pilzkultur der Brüsseler Euro-Bürokratie gehört, die er eigentlich abschaffen sollte. Edi droht jetzt auch, und weil es so en vogue ist, fällt er in den Chor der anderen beiden, die es so lieben, Ultimaten zu stellen. Nicht, dass die Sympathien der Frau gölten, die sich seit Jahren um Entscheidungen drückt, aber die drei Schergen aus dem Süden der Republik, die verkörpern beileibe nicht die Alternative, derer es bedürfte, um aus Problemlagen Lösungskonzepte zu machen.

Jetzt, in einem Moment, in dem der Konservatismus auf einen Regimewechsel drängt, fallen die drei politisch längst desavouierten Schergen aus dem Gebüsch und klimpern auf der Tastatur der Staatsräson, um ihren Machtanspruch zu untermalen. Aber, Hand aufs Herz, wer von ihnen wäre denn in der Lage, die Macht und das Amt zu übernehmen? Sie selbst wohl kaum und alleine die Namensnennung möglicher Kandidatinnen und Kandidaten aus dem konservativen Lager verursacht Stockgeräusche in der Luftröhre. Zu sehr hat die Meisterschülerin des Pfälzer Bürgerkönigs an der Technik der Macht geleckt. Protestantisch bieder, wie sie ist, duftet das Fallbeil bei ihr nicht nach Hausmacher und Kraut, sondern bitter nach Metall. Aber spielt das eine Rolle? Weggeätzt hat sie alle, die aufgrund von Begabung oder Fleiß in Frage gekommen wären.

So bleibt die Drohung der drei Sensenmänner nichts anderes als eine wahltaktische Finte, mit der sie versuchen wollen, vor den bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt den Wellenreitern des politischen Populismus Stimmen zu entreißen. Ihr Zubiss liegt längst des nächtens, wenn es Zeit zum Meucheln wäre, im Corega-Bad. Und so bekommen sie gar nicht mehr mit, wer im Schutze der Dunkelheit die Straßen des Landes beherrscht. Sähen sie es, mit ihren starigen Blicken, so stellten sie fest, dass es nicht Syrer und Mohren sind, die dieses Land bedrohen, sondern Neid und Missgunst, Zwist und Angst und eine bleierne Hoffnungslosigkeit.

Wenn die Bussarde kreisen, so heißt es in ländlichen Gebieten, dann ist die Zeit des Sensenmannes angebrochen. Dann taucht er auf, kommt aus den wabernden Nebeln und lässt seine scharfe Sense durch die milchige Luft surren, dabei ein Grinsen aufgesetzt, das gar keines mehr ist. Denn wo der Tod herrscht, da gibt’s auch nichts zu lachen. Nur die Persiflage schafft das noch. Und diese Sensenmänner, die sich nun wieder anbieten, die gehören in diese Kategorie.