In der letzten Nacht haben Teile der türkischen Armee versucht, den Ministerpräsidenten Erdogan und die AKP-Regierung zu stürzen. Was anfänglich als wohl durchdachte Aktion aussah, ist anscheinend an der Mobilisierung der Massen durch Erdogan gescheitert, obwohl endgültig noch keine Aussage gemacht werden kann. Der Herrscher hat bereits angekündigt, was mit denen geschehen wird, die sich an der Aktion beteiligt haben. Mehr noch, es ist zu erwarten, dass nach der Gleichschaltung der Medien und der Justiz nun die der Armee, der Bastion eines weltlichen Laizismus schlechthin, folgen wird. Dadurch, dass der Putschversuch der einstigen befreundeten Gülen-Bewegung zugeschrieben wird, bietet sich ein historischer Vergleich an.
Dass, nach den Säuberungen in den Medienanstalten und in der Justiz der islamistisch-autokratische Herrscher Erdogan sich auch das Militär vornehmen würde, respektive dass er bereits damit begonnen hatte, in dem er einzelne Generäle auszutauschen begann, war allen klar. Und dass sich daraus vielleicht auch der Versuch eines Staatsstreiches ableiten ließe, ebenfalls. Denn die Umwandlung einer Armee, die auf den laizistischen Grundsätzen Kemal Atatürks aufgebaut war in ein Werkzeug eines vom Islamismus berauschten Autokraten könnte nicht friedlich vonstatten gehen. Die Informationen, die bisher verfügbar sind, belegen diese These. Bei den Aufständischen handelt es sich nicht um die Generalität, sondern in erster Linie um den mittleren Offizierskörper, der mit angesehen hatte, wie ein General nach dem anderen entlassen und durch Erdogan-Getreue ersetzt wurde. Sie sahen den Zeitpunkt für gekommen, dem ein Ende zu setzen und die Türkei vor dem endgültigen Abrutschen in die Diktatur zu bewahren.
Als in der Nacht von den Ereignissen vor allem in Istanbul und Ankara berichtet wurde, ließen die internationalen Reaktionen naturgemäß nicht lange auf sich warten. Interessant war der Konsens der Einschätzung aus dem kompletten NATO-Lager. Sowohl der amerikanische Präsident und die Kandidatin Clinton, als auch NATO-Generalsekretär Stoltenberg und Kanzlerin Angela Merkel sprachen von der Hoffnung, dass sich die demokratisch gewählte Regierung in der Türkei durchsetzen werde. Da ist noch einmal etwas zu rekapitulieren:
Nachdem Präsident Erdogan und die AKP bei den letzten Wahlen die absolute Mehrheit verloren hatten, vor allem durch das gute Abschneiden der gemäßigten kurdischen Partei HDP, wurde diese zunehmend kriminalisiert und ein regelrechter Krieg gegen sie geführt. Die Regierungsaktionen gingen und gehen bis hin zur Bombardierung von kurdischen Städten innerhalb der Türkei. Bei den folgenden Wahlen würde dann die Mehrheit zurückgeholt, was zur direkten Folge hatte, die Immunität der kurdischen Abgeordneten aufzuheben und sie endgültig aus der Politik zu eliminieren. Während all das geschah, saßen renommierte Journalisten wie respektierte Richter und Staatsanwälte bereits in den Gefängnissen und warteten auf drakonische Strafen.
Die Gleichschaltung von Justiz, Medien und Militär scheint das Recht einer gebeugt demokratischen gewählten Regierung zu sein, zumindest nach der Meinung der eingangs zitierten Politikvertreter aus Reihen der NATO. Sicher ist, dass Erdogan, sollte er die Oberhand in diesem Machtkampf behalten, weiter daran arbeiten wird, aus der Türkei ein diktatorisches Monstrum zu machen. Der Verweis auf die Gülen-Bewegung stößt die Nase direkt auf die historische Analogie zum Röhm-Putsch. Auch da entledigte sich der Nazi Hitler der immer noch gutgläubigen Sozialisten in den eigenen Reihen. Es sieht so aus, als folgte Erdogan exakt dem Regiebuch der Machtergreifung der deutschen Faschisten. Und die NATO ist voll auf Appeasement und bescheinigt dem Diktator auch noch demokratische Legitimation. Machen wir einfach nur unsere eigene Regierung für das verantwortlich, was sie in dieser Gemengelage tut: Sie ist nicht mehr tragbar!
