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„Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein!“

Was machen Menschen und Organisationen, die andere davon überzeugen wollen, sich ihnen anzuschließen? Sie zeigen, was sie können, sie versuchen ihre Leistungen positiv darzustellen und sie stellen sich geduldig den Fragen derer, die sich für sie interessieren. Und was machen sie nicht? Sie drohen nicht, sie stellen keine Ultimaten und sie enthalten sich jeglicher Erpressungsversuche. Warum? Weil Attraktivität durch Leistung und Verhalten hergestellt wird. Attacke und Bedrohung hingegen bewirken das Gegenteil. Sie befördern die Abneigung derer, die man gewinnen will und sie führen zur eigenen Isolation. 

Das, was im so genannten zivilen Leben als ein Allgemeinplatz gilt, ist für das Genre der westlichen Politik zu einem unlösbaren Rätsel geworden, das niemand mehr in der Lage ist zu entschlüsseln. Die Abwendung vieler Staaten, die man für das eigene Vorgehen gewinnen will, ist das Resultat von einer Strategie, die im Volksmund bereits mit einer Redewendung beschrieben ist: „ Und willst du nicht mein Bruder sein, so schlag ich dir den Schädel ein.“

Dass diese Devise zur Generallinie der USA, ihrer NATO und der EU geworden ist, lässt sich täglich neu belegen. Die Begründung, so sie überhaupt geliefert wird, ist immer wieder exklusiv das russische und chinesische Feindbild. Dass es bei der eigenen zunehmend prekären Lage gewichtige Ursachen gibt, für die man selbst Verantwortung trägt, wird dabei geflissentlich unter den Tisch gekehrt. 

Dass die eigene Leistungsfähigkeit, die bereits seit Jahrzehnten durch die Auswirkung eines Reglementierungs- und Kontrollwahns in Form einer auswuchernden Bürokratie gelitten hat, sich in manchen Bereichen nicht mehr mit dem neuen, ausgemachten Hauptkonkurrenten messen lassen kann, wird nun noch beschleunigt durch die radikale Umschichtung der staatlichen Ausgaben. Weder wird der mentalen wie institutionellen Bildungsmüdigkeit, noch der infrastrukturellen Veralterung der Kampf angesagt, sondern fleißig in militärische Drohpotenziale investiert. Massig Geld für Kanonen, nichts für Köpfe. Die einzige Attraktivität, an der gearbeitet wird, ist der Duft des Sprengstoffs. Wen das anzieht, kann man sich denken. So ist es kein Wunder, dass zunehmend die Köpfe, deren Wirken existenziell für gute Verhältnisse sind, das Weite woanders suchen. 

Leider ist zu attestieren, dass das, was momentan an der Demontage der eigenen positiven Fähigkeiten und Kenntnisse nicht ausschließlich als Resultat des bösen Willens zu werten ist. Es handelt sich um eine unheilvolle Mixtur von Ahnungslosigkeit, Hörigkeit und das Klammern an ein eigenes, von dem verhängnisvollen Kurs abhängendes Auskommen. Dass auch eine solche Form der Inkompetenz und Charakterlosigkeit aggressiv und gefährlich werden kann, sieht man in ihrem Umgang mit Kritik. Die Art der Aggression verrät aber auch die Schwäche, die aus den ständig präsenten existenziellen Ängsten resultiert. Unüberwindbar ist das indessen nicht.

Alle Versuche, sich mit den Vertretern dieser desaströsen Politik auseinanderzusetzen, führen zu nichts. Der effektivere Weg wird der sein, an der Attraktivität dessen zu arbeiten, was als eine Gesellschaft zu bezeichnen ist, die tatsächlich auf Recht und Leistung, tatsächlicher Lebensqualität sowie Freiheit und Toleranz basiert. Wer Recht mit Regel, Leistung mit Alimentation, Lebensqualität mit Wachstumsraten, Freiheit mit Bevormundung und Toleranz mit Inquisition verwechselt, hat in einer solchen Gesellschaft nichts verloren. 

In einer Situation, in der von Politik wie Medien auf Kriegswirtschaft hingearbeitet wird, ist es wichtiger denn je, ein Ziel vor Augen zu haben, das geeignet ist, Menschen zu gewinnen und dem destruktiven Treiben ein Ende zu bereiten. 

Der Absturz des Individualismus

Die pädagogischen Konzepte ganzer Kulturkreise offenbaren die jeweilige Einstellung zum Leben. In den heroischen Zeiten der Nationalstaaten war bzw. gehört die Orientierung des zu erziehenden Nachwuchses auf den Schutz und den Erhalt des Gemeinwesens. Da wird der Staat, um den es geht, als zentraler Wert vermittelt und das Glück des Individuums mit dem Großen und Ganzen als Identität gesehen. Beim Blick aus unserer, d.h. der zentraleuropäischen und dort besonders der deutschen Perspektive gilt diese Auffassung als längst überholt und veraltet, obwohl die zentralen Mächte dieser Welt noch so funktionieren. Nicht nur China und Russland, sondern auch die USA sind so konzipiert. In China ist es der Sozialismus, in Russland das Mütterchen Russland und in den USA die amerikanische Verfassung, auf die sich die Intention der kollektiven Pädagogik ausrichten. Es geht um die Identität von Individuum und Nation.

Wie die Lebenswelten und Realitäten in diesen Ländern aussehen, ist eine andere Sache. Aber die Bemühungen, über die Erziehungsinstitutionen einen Sinn zu vermitteln, der sich aus einem Heroismus speist, ist bemerkenswert. Denn in der Tat hört sich das, was als deutsches Erziehungsideal in diesem Kontext andeutet als etwas ganz andres an. Ob es besser ist, sei dahingestellt. Erstaunlich und bei der Geschichte dieses Landes alles andere als selbstverständlich ist nämlich der Umstand, dass die persönliche, individuelle Befindlichkeit und Entwicklung den höchsten Stellenwert einnimmt. Selbst im benachbarten Frankreich, wo die Revolution für die individuelle Freiheit die gewaltigsten Feste feierte, existieren noch Verweise auf die Grande Nation, der die Jugend des Landes verpflichtet ist. Insofern scheint die Bundesrepublik Deutschland das synthetisch reine Produkt des Post-Heroismus zu sein.

Um Missverständnissen vorzubeugen, es geht um die großen Tendenzen, nicht um Nuancen. Selbst bei der Beschreibung des Individuums, in den gedachten großen pädagogischen Konzepten, existieren je nach Kulturkreis Unterschiede. Während noch in der Verfassung (!) der USA nicht nur von dem Recht, sondern von der Pflicht des Individuums auf der Jagd nach dem Glück die Rede ist, ist in Deutschland nur von Rechten die Rede. Rechte wiederum werden in Anspruch genommen oder auch nicht. Die Paradoxie, auf man im Falle Deutschlands stößt, ist einerseits die überproportionale Existenz des Individuums gegenüber dem Gemeinwesen und andererseits ein Vakuum, weil die individuelle Sphäre gar nicht in dem außergewöhnlichen Maße in Anspruch genommen wird. Ursache mag ein langer, aus Trägheit akzeptierter Prozess der systematischen Entmündigung sein. Statt des Kraft strotzenden Individuums steht dort eine Bürokratie, die beansprucht, als Agentur des Individuums das Glück für alle an Land zu ziehen.

Der Individualismus hierzulande scheint zu einer bloßen Phrase verkommen, weil die Akteure dazu fehlen. Grundlage eines agierenden Individuums sind Können und Erfolg, denn der Erfolg ist die Mutter der Motivation, die ihrerseits den Prozess der wachsenden Befähigung auslöst. Die Pädagogik dieses Landes ist jedoch weder auf die Tat des Einzelnen noch auf dessen Erfolg ausgerichtet, sondern sie entstammt nahezu komplett aus Ansätzen der therapeutischen Behandlung. Alles, was als pathologisches Resultat der Entmündigung zu erwarten ist, säumt die Alleen der pädagogischen Weisheit. Es sind Forderungen nach Zu- Und Hinwendung, nach Wertschätzung und Achtsamkeit, die allesamt im therapeutischen Rahmen ihren Sinn haben, aber für das Individuum, um nicht zu sagen das historische Subjekt zu wenig, viel zu wenig hermachen, um erfolgreich zu sein.

Wer alles glaubt, der darf nicht klagen

Die Welt ist nicht so, wie sie erscheint. Vieles, was als sicher gilt, kann bei näherer Betrachtung, im kritischen Blick, zerbröseln wie eine ausgedorrte, welke Blume und manches Übersehene entpuppt sich als ein starker Keim, der plötzlich, wie über Nacht, zu blühen beginnt. Die Erkenntnis dessen ist, bei ein wenig Reflexion, keine unerreichbare Sache. Wer die Entwicklung der Dinge genau beobachtet, hat die Chance, die Unebenheiten der realen Existenz und die Aura, die der Schein verbreitet, voneinander zu unterscheiden. 

Denjenigen, die aus der Beobachtung des Seins und seines trügerischen Scheins eine Profession gemacht haben, haben demokratische Verfassungen besondere Rechte eingeräumt. Dafür, dass sie lernen, den Kern des Realen aus der Schale der Verkleidung herauszuschälen und diesen Vorgang einer breiten Öffentlichkeit darzustellen, und dafür, dass sie sich nicht blenden lassen vom flutenden Licht der Macht, genießen sie Privilegien des Schutzes. Ihnen wird erlaubt, sich gegen die Mächtigen zu stellen, wenn es die Umstände erfordern, und ihnen wird erlaubt, die Quellen ihrer Arbeit zu verbergen, um sie zu schützen. Keine demokratische Gesellschaft, die etwas auf sich hält, verzichtet auf diesen Schutz, wohl wissend, dass er zu den elementaren Garantien für eine wirksame Kontrolle der Öffentlichkeit über die Geschäftsführung der Macht gehört. 

Journalistinnen und Journalisten sowie die öffentlich finanzierten Medien haben die Aufgabe, die Welt auf ihre tatsächliche Befindlichkeit zu untersuchen, ihre widersprüchliche Erscheinung darzustellen sowie danach zu suchen, ob das Vorgefundene den Botschaften derer entspricht, die vom Volke mit einem temporären Mandat zur Amtsführung ausgestattet worden sind. Dafür genießen sie den gesetzlichen Schutz. 

Im fernen Amerika, als die fatale Symbiose von 9/11 und George W. Bush griff, traten viele Veränderungen in der westlichen demokratischen Kultur ein, die auf diese Symbiose zurückfallen und die mit dem grundlegenden Anspruch demokratischer Staatsformen nicht einhergehen. Eine dieser letalen Stöße gegen die demokratische Kontrolle war das Konzept der „Embedded Journalists“ im Zweiten Irakkrieg 2003. Da durften nur noch ausgewählte amerikanische Journalisten mit an die Front und wurden innerhalb der regulären Truppenbewegungen mitgeführt. Und im Handumdrehen wurde aus dem Auftrag einer kritischen Sicht staatlich finanzierte Kriegspropaganda. 

Ob es in Deutschland innerhalb der betroffenen Zunft große Empörung über diese Vergewaltigung der eigenen Profession gab, ist nicht bekannt. Dass aber seitdem eine eindeutige Abkehr von dem einsetzte, wofür ausdrücklich das Monopol der Öffentlich-Rechtlichen etabliert worden war, ist offensichtlich. Heute, im Jahr 2015, fällt nur noch auf, dass Botschaft wie Sprache von Regierungsgewalt hier und öffentlich protegiertem Journalismus dort nahezu identisch sind. Obwohl es abgedroschen klingt, aber es drängt sich angesichts des amerikanischen Vorbildes aus dem Irakkrieg doch auf. Der öffentlich finanzierte Journalismus scheint im Bett der Macht zu liegen. Betrachtet man die Stars der politischen TV-Medienvermittlung, so erhalten sie aus den Zwangsgebühren Honorare, die in der Preisklasse von Vorstandsmitgliedern börsennotierter Unternehmen liegen. Allein diese Tatsache dokumentiert die tatsächliche Entfernung vom eigentlichen Auftrag, aus der Sicht des Volkes den Gebrauch der Macht zu beschreiben. Stattdessen produziert das Gewerbe den Schein, den die Mächtigen brauchen, um ihre eigene Agenda weitertreiben zu können. 

Intellektuell sind die Botschaften, mit denen das vom kritischen Blick zum Gewerbe der Macht avancierten Journalismus aufwartet, eher dürftig. Besorgniserregend jedoch ist die Wirkung, die diese Botschaften dennoch erzeugen. Denn auch das Volk hat verlernt oder nicht gelernt, das, was zu lesen ist, einem kritischen Blick zu unterwerfen. Die Kritik kann sich daher nicht nur an den Journalismus richten, sondern sie muss sich damit befassen, wodurch das Defizit der Leserschaft entstanden und wie es wieder zu beheben ist.