Auch wenn oder gerade weil sich die schreibende Zunft immer weniger um ihr eigenes Metier kümmert, die Sprache ist das beste Indiz dafür, was in den Köpfen vor sich geht. Und obwohl mittlerweile eine breite, allerdings nicht subventionierte Öffentlichkeit darüber Kenntnis besitzt, dass die Zunft selbst alles hinter sich gelassen hat, was zu einem gewissen Ethos und einem Minimum an Professionalität gehört, ist es dennoch erstaunlich, mit welcher Hemmungslosigkeit wieder einmal das Spiel der Täuschung betrieben wird. Es ist kein Zufall, dass einem bei der gegenwärtigen Art, wie die aggressiven, irreführenden und verhetzenden Texte und Filme über das Publikum ausgekübelt werden, die Titel einer Trilogie des guten alten Leo Malets in den Sinn kommen: 1. Das Leben ist zum Kotzen. 2. Die Sonne scheint nicht für uns. 3. Träume, schlimmer als der Tod.
Zum einen fiel in den letzten Tagen auf, dass sich in den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten zunehmend und konzentriert Spielfilme im Programm finden, die allesamt nur eines im Sinn haben, nämlich das alte, schreckliche Bild aus den Tagen des Kalten Krieges vom bösen Russen wieder zu beleben. Entweder wird Russland als das Reich des Bösen selbst beschrieben, wo exklusiv die Verbrecher das Sagen haben und rechtschaffene Leute terrorisiert werden. Oder das Russenpack hat sich in unserem schönen Berlin oder im ach so seriösen London festgesetzt und treibt aus der dunklen Unterwelt ein höllisches Spiel mit den Werten der Demokratie. Das es so etwas auch gibt, steht außer Frage, die Konzentration dieser Klischees zu den besten Zeiten des Abendprogramms bezeugen jedoch den Willen, neben den politischen Tiraden, die seit dem Konflikt um die Ukraine die Trommelfelle terrorisieren, nun auch die emotionalen Zorndepots aufzuladen.
Und nun die Wahlen in der Ukraine. So wie es aussieht, sind die Politiker, die heute die Ämter bereits innehaben, in ihrem Zugriff bestätigt worden. Zum einen wurde das auch höchste Zeit, denn legitimiert im Sinne demokratischer Denkweise waren sie vorher nicht. Dass in der bevölkerungsreichen Ost-Ukraine bis jetzt nicht gewählt wurde, wird mit dem lapidaren Satz erklärt, demnächst gäbe es ja noch Provinzialwahlen im Osten, aber die würden an dem Ergebnis wohl nicht viel ändern. So kann man es auch sehen, aus der Perspektive des Propagandisten versteht sich.
Die sprachlich allerdings markanteste Entlarvung geschieht durch ein anderes, wie heißt es so anglizistisch verbrämt, genau, Wording. Da wird nämlich davon gesprochen, das Wahlergebnis der Ukraine sei ein eindeutiges Votum für Europa. Zur Erklärung für alle Begriffsstutzigen: Europa wird hier synonym für die EU gebraucht. Für Europa heißt für die EU und die von ihr initiierte Politik der Osterweiterung der NATO. Oder anders herum erklärt: seit den Wahlen in der Mittel- und West-Ukraine hat der europäische Kontinent ca. 2500 Km Richtung Osten verloren. Er zählt nicht nur nicht mehr bis in die Ost-Ukraine, sondern auch nicht mehr bis Moskau und auch nicht mehr bis an den Ural. Der Umstand suggeriert eine prompte Asiatisierung eines Großteils des europäischen Kontinents quasi über Nacht. Aus einem von hier aus, d.h. den Studios in Mainz und Hamburg inszenierten semantischen Wandels eines Teils der Ukraine, Weissrusslands und Russlands selbst als asiatisch kann auch schnell eine asiatische Okkupation werden, die sich die Europäer zurück ins Reich des Guten holen müssen. Zuzutrauen ist diesen seidigen Opportunisten alles. Das haben sie bewiesen. Das riecht nach schlechtem Leben, wenig Sonne und höllischen Träumen.
