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ICIJ, Panama Papers und die Zementierung von Feindbildern

Das International Consortium of Investigative Journalism (ICIJ), ein Zusammenschluss investigativer Journalisten, hat mit den Panama Papers einen großen Coup gelandet. Nach Recherchen von hunderten Journalisten vor allem über die panamaische Kanzlei Mossack Fonseca ist nach und nach ein Bild entstanden, das nun vor dem staunenden Weltpublikum ausgebreitet wird. Ein Netzwerk von Briefkastenfirmen entpuppt sich als ein mächtiger Gegenentwurf von Globalisierungsgewinnern gegen die vereinsamt dastehenden Nationalstaaten, die zunehmend Schwierigkeiten bekommen, ihre eigenen Aktivitäten aus Steuereinnahmen zu finanzieren. Es ist die Blaupause für ein gewaltiges Betrugsmanöver aller, die in ihren Heimatländern keine Steuern zahlen und die Gesellschaften, denen sie den Reichtum verdanken, schlichtweg im Stich lassen.

Was bis dato von ICIJ im Internet veröffentlicht wurde, ist ein lesenswertes Dossier über System und Funktionsweise der Briefkastenfirmen und ein Who is Who derer, die sich in diesem System bewegen. Da lesen sich viele prominente Namen, von Politikern, Staatsleuten, aber auch von Sportlern. Unter ersteren ist unter anderem, frivolerweise der isländische Ministerpräsident zu finden, der sein Amt der Bankenpleite und den damit verbundenen Skandalen zu verdanken hat und unter letzteren befindet sich auch der argentinische Ausnahmefußballer Lionel Messi. In beiden Fällen ist zu hoffen, dass das vorzeitige Ende ihrer momentanen Tätigkeiten sehr schnell eintritt. Im Falle Islands ist das die Sache der Isländer, und da muss man sich wahrscheinlich keine Sorgen machen. Im Falle Messis ist es die Fußballwelt. Sehr schnell wird sich zeigen, ob die Kritik so Vieler an der FIFA ernst gemeint ist oder nicht. Wenn Messi weiterspielen darf, dann ist das wohl alles eine Inszenierung.

Richtig spannend allerdings wird es bei der weiteren Durchsicht des infiltrierten politischen Personals. Da ist Ihre Majestät, der König von Saudi Arabien persönlich aufgeführt. Bei Saudi Arabien handelt es sich bekanntlich um eine verbündete Macht, die nach wie vor mit Waffen beliefert wird und deren skandalöses Verhältnis gegenüber den Menschenrechten sowie deren bekannte Unterstützung terroristischer Netzwerke zu keinerlei Kurskorrektur geliefert hat. Und da findet sich zum Beispiel auch Präsident Poroschenko von dem neuen Bündnispartner der Ukraine. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil erst kürzlich noch ein 40 Milliarden IWF-Kredit ins Land wanderte, für dessen Bürgschaft die EU steht. Poroschenko als Verbündeter ist nicht minder beschämend wie Erdogan, aber was im einen Falle der Traum vom Versiegen des Flüchtlingsstroms ist, war im anderen der Traum von NATO-Raketen auf der Krim.

Wer jedoch glaubt, dass die hiesige Presse, die von sich selbst behauptet, sie würde permanent zu Unrecht kritisiert, diese Beispiele zum Anlass nähme, um die Außenpolitik der Bundesrepublik kritisch unter die Lupe zu nehmen, hat weit gefehlt. Genau das Gegenteil ist der Fall. Als erster Reflex folgt eine beträchtliche Zahl an Zeitungen dieses Landes der weiteren Zementierung eines bereits weit entwickelten Feindbildes. Dabei geht es um Kindheitsfreunde des russischen Präsidenten Putin, die auch bei der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca geführt werden. Der Name Putin taucht zwar dort nicht auf, aber der Verdacht der Nähe genügt, um die Schlagzeilen damit zu bedienen, dass Putin selbst in das System der Briefkastenfirmen verwickelt ist. Sollte er das sein, armes Russland. Aber exkulpierte das die eigenen Verbündeten?

Wieder einmal zeigt sich, dass der Umgang mit einer Krise mehr Erkenntnisse liefert als vielleicht die Krise selbst. Es sei empfohlen, die ICIJ-Dokumente mit dem zu vergleichen, was die Presse darüber schreibt. Es wird eine lehrreiche Stunde!

Der Biss einer Straßenzicke und die Grandezza eines Herrn

Nicht nur die amerikanischen, sondern auch afrikanische Mannschaften haben dafür gesorgt, dass große europäische Fußballnationen die Gruppenphase nicht überlebt haben. Nachdem Welt- und Europameister Spanien deklassiert nach Hause fahren muss, hat es bereits ebenso England wie dann auch Italien getroffen. Englands Abgang war früh klar und es gehörte keine große prognostische Fähigkeit dazu, dieses schnelle Ende vorauszusagen. Italien wiederum starb ohne die morbide Schönheit, die vielleicht das positive Image gerettet hätte.

Nein, was das Ensemble um Majestäten wie Pirlo und Buffon gegen Uruguay bot, war keiner Diskussion würdig. Ausgelaugt und ideenlos wirkten sie, Pirlos Geniestreiche blieben aus und nur Buffon ließ die Dimension vergangener Grandezza aufblitzen. Lediglich seine Worte nach dem Aus dokumentierten, welcher Gigant sich von der internationalen Bühne wohl für immer verabschiedete. Er verlor kein Wort über dubiose Schiedsrichterbesetzungen und -entscheidungen. Selbstkritisch verwies er auf die Tatsache, dass es eben nicht reiche, wenn man in zwei Speilen selbst kein einziges Tor geschossen habe und nun allein dafür verantwortlich sei, wenn die traurige Heimreise angetreten werden müsse. Andere seien besser, und die hätten es verdient. Das war Sportsgeist, den anscheinend nur noch die aufbringen, die bereits in den Annalen stehen.

Dabei hätte man sich beklagen können über eine allzu harte Rote Karte für das eigene Team und vor allem über eine ausgebliebene für den uruguayischen Pistolero Luis Suarez, der gegen England noch mit zwei atemberaubenden Toren auf sich aufmerksam gemacht hatte, gegen Italien aber dadurch auffiel, dass er seinem italienischen Gegenspieler in die Schulter biss, was nicht geahndet wurde. So wurde aus dem Helden gegen England eine Straßenzicke gegen Italien. Für viele war neu, dass diese Art von Attacke nicht seine erste in seiner Karriere war und er sich damit die Aura eines Mike Tyson erwarb.

Obwohl dann doch sehr viel Glück im Spiel war, erkämpfte sich Griechenland wiederum das Weiterkommen gegen die glücklosen, aber durchaus starken Akteure der Elfenbeinküste, die nur durch einen Elfmeter in der 93. Minute den Abschied nehmen mussten. Griechenland zeigte eine geschlossene Mannschaftsleistung und und war von Kampfeswillen beflügelt, was ihnen die deutschen Kommentatoren wiederum im Vorfeld nicht zugetraut hätten. So kommt es, wenn man lange gehegte und gepflegte Klischees für bare Münze nimmt.

Und obwohl Argentinien es sich hätte gegen Nigeria leichter machen können und Nigeria selbst sehr früh wusste, dass auch sie es geschafft hatten, lieferten beide Teams ein Spiel, als gäbe es kein Morgen mehr. Das war technisch gut und kämpferisch brillant, von beiden Seiten, und zeigte, dass es so etwas wie Spielfreude auch jenseits der als abgebrüht und professionell geltenden Haltung noch gibt. Argentiniens Messi, mit dem sich so mancher Mediokrer gerne misst und Nigerias Musa zeigten, über welches Kaliber sie tatsächlich verfügen. Allein die beiden schossen vier Tore in einem Spiel, in dem es vermeintlich um nichts mehr ging.

Da bleibt die Frage, wie sich das bevorstehende Spiel der Deutschen gegen die USA gestalten wird. Die Unken des Metiers erinnern gerne an das Unentschieden von Gijon aus dem letzten Jahrtausend, bei dem sich die Akteure Österreichs und Deutschland gegenseitig den Ball zuschoben, weil ein Unentschieden beiden reichte, während aufgebrachte Zuschauer die reibende Handbewegung mit den Geldscheinen machten, weil sie die Verkommenheit zurecht ankotzte. Ja, auch Kassandra ist ein durchaus deutsches Phänomen, das immer wieder zum Vorschein kommt. Aber wir, die wir infiziert sind von der Magie eines Spiels, das trotz aller Beugungsversuche, Entartungen und Diskriminierungen immer wieder aufblitzt, wir alle wissen um das philosophische Axiom: Wichtig ist auf dem Platz!