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Und wieder kommt der Sensenmann

Im Süden Europas, genauer gesagt in Griechenland, da sehen sie ihn wieder. Wie er ausholt zu einem neuen Schlag, mit dem er das gebeutelte Land endlich befrieden will. Weil es ihm nicht reicht. Weil es ihm nicht reicht, wie es unter der Aufsicht von Weltbank und EU alles liquidiert, was ein Gemeinwesen ausmacht. Das geht bereits seit Jahren so. Und so, wie es aussieht, wird es nie reichen, um ihn, den Sensenmann aus Germanistan zu befriedigen. Die Schulden, die das Land hat, sind dreimal so hoch wie alles, was dieses Land in einem Jahr an Werten schafft. Wer, so stellt sich die Frage, wäre in der Lage, das aus eigener Kraft zu begleichen? Aber das interessiert niemanden, vor allem nicht den Sensenmann, seinerseits Finanzminister der Deutschen, der sich den heimlichen Titel des europäischen Liquidators längst erworben hat.

Sensenmänner sind immer unbarmherzig. Der Kleinmut dieses Sensenmannes resultiert, wie meistens, aus mangelnder Herzensbildung, einem Attribut aus der klassischen deutschen Bildung, das vielen neben ihm auch fehlt und von dem diese nicht einmal mehr wissen, dass es so etwas gab. Aber, und das ist das wichtigste Element in seinem Spiel, dieser Sensenmann weiß, dass vieles zutage käme, wofür er sich schämen müsste. Mehr noch, wenn das Volk im eigenen Land, bei dem er kurioserweise noch beliebt ist, wenn dieses Volk herausfindet, welcher Betrug hinter diesem Szenario lauert, dann Gnade ihm, dem Sensenmann. Doch nur, vor wem?

Und gerade weil die Erlösung sich nicht bietet, fuchtelt er weiter mit der Sense vor den tränenden Augen der Griechen herum und treibt sie in Verzweiflung und Depression. Er und die mit ihm assoziierte Mischpoke, die so gerne über den Populismus schimpft, hat selbst gebastelt an einer Legende, die den Namen des Populismus mit Fug und Recht verdient. Denn nach dieser haben die Griechen, ja, die Griechen an sich, sie haben von der wohlmeinenden Europäischen Union einen Kredit nach dem anderen ergattert, um es sich gut gehen zu lassen. Sie haben auf der faulen Haut gelegen und sich allen möglichen Luxus gekauft. Vor allem aus Germanistan, versteht sich, bis hin zu U-Booten, auf denen sie ihre Libertinage schamlos ausgelebt haben. Und dann, als die Kredite fällig wurden, haben sie sich dumm gestellt und so getan, als seien sie völlig überrascht. Dieses Narrativ aus dem Hause des Sensenmannes wird von allen, die den Populismus lernen wollen, nachgeplappert wie es in den Schulen des heiligen Buches geübt wird. Reflexion findet nicht statt, wozu auch.

Und, bevor heraus kommt, dass es ein System ist, nach dem Germanistan in und mit der EU operiert, dass die Kredite regelrecht den Nehmern aufgedrängt werden, damit sie kaufen, und zwar Produkte aus dem Land des Exportweltmeisters und eben auch Produkte, die sie gar nicht brauchen, und dass sie eigentlich nie in der Lage sein werden, diese Kredite zurückzuzahlen, dass sie dafür zu Tode saniert werden und die Gutgläubigen in Germanistan selbst dafür bürgen müssen und sich herausstellt, dass die hohe Konjunktur nur deshalb funktionierte, weil sie auf Pump erfolgte und die folgende Pleite alle werden bezahlen müssen, nur nicht die, die sie verursacht haben, bevor das bekannt wird, da schwingt der Dunkelmann die Sense mit besonderem Schwung. Die Sonne wird erst dann wieder über Europa aufgehen, wenn dieser Spuk beendet ist.

Europa schaut nicht in den Spiegel!

Die Geschehnisse lassen sich nicht bremsen, ein politisch gewichtiges Ereignis wird bereits durch das nächste abgelöst. Zeit für eine Rast existiert nicht und die notwendige Reflexion über Ereignisse bleibt wegen des Tempos aus. So ist in vielem der Lauf der Dinge, es sei denn, man hätte einen gesellschaftlichen Konsens über die Notwendigkeit der Reflexion. So ist es aber nicht. Und so ist es normal, dass die Chance, aus den Prozessen, die uns beherrschen auch noch zu lernen, vergeben wird. Und so geht das Leben weiter, von Verhängnis zu Verhängnis, von Blackout zu Blackout, von Fehleinschätzung zu Fehleinschätzung. Herrschen Defizite im Innern, so ist der Blick auf das Außen gerichtet, das von einem schärferen Blick wahrgenommen wird als das Innere.

So wird deutlich, warum die Verhältnisse von Afghanistan bis in den Sudan, vom Jemen bis nach Syrien und von Mali bis Nigeria, von der Ukraine bis zum Kosovo immer wieder die Gemüter der Gazetten erregen, aber die Mordanschläge im eigenen Land irgendwie bagatellisiert werden und der Zustand im Bündniseuropa so langsam registriert werden. Dabei wäre es, zur eigenen Positionierung, von großem Nutzen, den Zustand Europas zu analysieren, bevor dasselbe auf hohem Thron zu Gericht über die Restwelt sitzt.

Im Norden, in Skandinavien, wo die Welt in normalen Zeiten in Ordnung zu sein scheint, ist die wirtschaftliche wie politische Lage im Großen und Ganzen stabil, aber wegen konkreter Anschläge auf ihre demokratischen Traditionen mental destabilisiert, existieren Anzeichen einer Abschottungspolitik. In den Niederlanden, einst Blaupause für eine multi-kulturelle Gesellschaftsorganisation, haben sich die Fronten verhärtet und ist die Sanftheit aus dem Alltag gewichen. In Belgien, dem Land ohne Regierung, wird deutlich, wie lange dort bereits eine nicht staatliche, im Schattendasein existierende Parallelgesellschaft auf den Countdown mit der formalen Demokratie wartet. In Frankreich kämpft eine alte Kolonialmacht mit der Moderne einen Kampf, der durch großen Strukturkonservatismus ebenso geprägt ist wie durch die Nach-Generationen des Ancien Regime. In Spanien, Portugal und in Griechenland versuchen die Finanzmagnaten des modernisierten Nordens die Gemeinwesen zu auktionieren und es formen sich Gegenbewegungen, die politisch noch eine große Rolle spielen werden.

Italien ist vielleicht der Staat, der, wäre er nicht traditionell mit einem Krisenmanagement behaftet, die Rolle des Moderators spielen könnte, nämlich durch den eigenen Pragmatismus und die fehlenden Mittel, um von der Schwäche der anderen profitieren zu können. Mehr als 2000 Jahre der Erfahrung von heikler politischer Gestaltung liegen dort quasi auf der Straße. Rational wäre dieses Management nicht, aber es ließe sich mit ihm leben, außer im Zentrum, wo die Dogmatiker derweilen ihr Unwesen treiben.

Im Osten hingegen, vom Süden bis in den hohen Norden, musste als Eintrittspreis der Offenbarungseid geleistet und danach die harte Schule der liberalen Wirtschaftstheorie durchlaufen werden. Sie haben ihren Preis bezahlt, sie haben vieles verloren von dem Wenigen, das lebenswert war vermutlich sogar alles. Nun, nach der Radikalkur für ihr Gemeinwesen und dem Verlust letzter Sicherheiten, sollen sie sich Experimenten aussetzen, die im fetten, butterhaltigen Norden bereits für Aufsehen sorgen. Dass sich dort der Widerstand regt und dass dieser recht spröde und provinziell vor der Tür erscheint, ist alles andere als überraschend.

Angesichts der sehr spärlich beschriebenen Zustände in den einzelnen europäischen Staaten wäre es in hohem Maße verdienstvoll, sich dieser Probleme anzunehmen, bevor der Blick in der großen Welt herumschweift und Lösungsmodelle entworfen werden, die allenfalls aus dem Offizierscasino stammen könnten.

„Und Germanistan marschierte wieder ein“

Es ist noch nicht sonderlich lang her, da erhitzten sich hierzulande die Gemüter über für Frage der griechischen Staatsschulden, die damit verbundenen Kredite und die Art und Weise, wie das Land aus dieser Fälle wieder herauskommen könne. Bemerkenswert ist, dass die Temperatur dieser Diskussion weit über der um den jetzigen, völkerrechtswidrigen und durch kein internationales Mandat gedeckten Angriffskrieg in Syrien lag. Die Beobachtung legt die Deutung nahe, dass in Deutschland Geld weit mehr erregt als Krieg und Tod, was wiederum eine gesonderte Überlegung wert wäre.

Doch zurück zu Griechenland. Die hiesige Presse wie das nahezu gesamte politische Korps sprach entweder von einer faulen Nation, oder es wurden auf Griechenland Begriffe angewandt wie Missmanagement, auswuchernde Bürokratie, Korruption, Steuerhinterziehung etc. Das zog in der politisch wie immer halb informierten Gemeinde. Doch nahezu alle Kriterien ließen sich beim Management der Aufnahme ankommender Hilfesuchender auch im Märchenland Bundesrepublik ohne große Mühe durchdeklinieren. Aber, natürlich, da wird geschwiegen, denn wer den großen Boss spielen möchte, dem fällt es schwer, sich zu eigentlichen Unzulänglichkeiten zu bekennen.

Schäuble, die Zuchtrute des antiquierten Wirtschaftsliberalismus, den das Volk angeblich so mag, hatte alle Mittel eingesetzt, um die griechische Regierung in eine Schuldknechtschaft zu zwingen, deren Ausmaß jetzt auch mit einem ersten Beispiel belegt werden kann. Darüber ist wiederum nichts zu lesen, so wie die Metzger natürlich auch keine Bilder vom Schlachten im Verkaufsraum aushängen. Die Avantgarde der germanischen Invasion in das griechische Nationaleigentum ist die Frankfurter Fraport AG, der vor der Verlängerung der letzten Kreditrate seitens der griechischen Regierung das Versprechen abgerungen worden war, ihr 14 so genannte Regionalflughäfen für sage und schreibe 1,23 Milliarden Euro für den Zeitraum von 50 Jahren zu überlassen. Zu den Flughäfen gehören Rhodos und Kreta, sowie Thessaloniki. Der gegenwärtige Umsatz dieser Flughäfen beträgt 180 Millionen Euro jährlich, der Gewinn von Steuern 90 Millionen. Da über diese Flughäfen der Großteil des griechischen Tourismus abgewickelt wird, sind die Einkünfte stabil und es kann ausgerechnet werden, wie schnell die Investition amortisiert ist.

Die Idee des freien Europa, in dem sich die unterschiedlichen Völker und Staaten auf Augenhöhe begegnen und zum Zwecke eines gemeinsamen Nutzens in wirtschaftlichen wie kulturellen Austausch treten, ist bilanztechnisch längst abgeschrieben. Alles, was als Anfangsinvestition in den Büchern dieses Unternehmens steht, diente der Vorbereitung einer einzigen Freiheit, die letztendlich den Beteiligten, die in dem Projekt Europa eine konstruktive Antwort auf den letzten großen Krieg sahen, eine schwere Depression zufügen muss: Es ist die Freiheit des Raubtierkapitalismus, der ansetzt zum Sprung auf die ureigensten zivilisatorischen Errungenschaften eines jeden Staates, auf den Brauch, die nationalen Geschicke durch politische Entscheidungsprozesse zu bestimmen.

So ist es jetzt nicht mehr eine Beziehung zwischen Staaten, in der geklärt wird, wer welche Interessen vertritt. Mit der Übernahme der griechischen Flughäfen durch die deutsche Fraport bekommt der Klassenkampf eine Renaissance. Es sind die griechischen Gewerkschaften, die nicht von einer Geschäftsübernahme, sondern von einer Eroberung sprechen. Sie sind es auch, die dagegen mobilisieren und versprechen, die Annexion griechischen nationalen Eigentums nicht kampflos hinnehmen zu wollen. Das ist das Ergebnis einer Diskussion, die in Deutschland geführt wurde mit demagogischen Sentenzen wie „der faule Grieche nimmt uns unser Geld weg“. So, wie die Geschichte verlief, ist es eher ein „und Germanistan marschierte wieder ein“.

Aber nein! Die Gewinne, die die Flughäfen in Zukunft erzielen, sollen zu einem Teil an die griechische Regierung zurückfließen. Das ist doch Imperialismus für einen guten Zweck, oder?