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Havarie durch Hasardeure

Kaum sind die Uniformen aus dem einen Desaster aus der Wäscherei zurück, wird mit Schwung am nächsten Rad ins Verhängnis gedreht. Afghanistan, diese von Ranküne nach 9/11 getragene Strafaktion, die ganze zwanzig Jahre gedauert hat, bei der das Grundgesetz mit dem Hinweis, seine Freiheiten würden auch am Hindukusch verteidigt, mit Füßen getreten wurde, hat bei den Verantwortlichen insofern Enttäuschung ausgelöst, weil es von den USA abrupt beendet wurde. Letztere sind dabei nich ganz so pazifistisch, wie sie sich geben. Das Kalkül, das der Erkenntnis folgt, Afghanistan nicht im eigenen Sinne befrieden zu können, ist eine Instrumentalisierung der Taliban als Infiltrationsmasse nach Russland. Erstarkte Taliban könnten ihren Islamismus in die muslimischen russischen Grenzgebiete tragen und dort für Unruhe sorgen. Ob das die Geostrategen Kramp-Karrenbauer und Maas erahnt haben, ist fraglich, denn noch jammern beide wegen des Abzugs aus Afghanistan.

Umso freudiger wurde die Einladung begrüßt, mit dem Schiffchen im Indopazifik der neuen, gelben Gefahr die Stirn bieten zu können. Und wie damals in Afghanistan mit der Freiheit, so tut man es jetzt nicht unter den Werten, für die wir stehen. Dass diese börsennotiert sind, versteht sich. Man habe, so bei kritischen Kommentaren aus dem Regierungslager, in der Corona-Pandemie gesehen, wie wichtig Lieferketten seien und wolle jetzt mit der Fregatte Bayern zeigen, dass man gewillt ist, diese zu sichern. 

Das ist schön gesprochen, verkennt oder verschleiert jedoch die Tatsache, dass die Diversifizierung der Produktion rund um den Globus keine Erfindung der Volksrepublik Chinas ist, sondern dem Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate folgt und somit der Logik der eigenen Wirtschaft und dem Diktum des freien Marktes entspricht. Wäre man konsequent, man verzeihe die Polemik, schickte man die Fregatte Bayern in die Schaltzentralen der westlichen, multinationalen Konzerne und nicht in den Indopazifik oder gar das Südchinesische Meer. 

Das Gelächter wäre dort so groß wie wahrscheinlich in China selbst, wo man den Einsatz des einstigen Exportweltmeisters mit einer Fregatte und 200 Besatzungsmitgliedern gegen das Reich der Mitte als doch etwas spöttisch gering betrachtet. Aber, auch das sollte nicht aus dem Blick geraten, hinter der Mauer versteht man sich auf Symbole wie sonst nirgendwo auf der Welt. Und vielleicht interpretiert man das deutsche Pazifikschauspiel als bloße Geste gegenüber den USA, was angesichts der eigenen militärischen Schwäche löblich wäre, oder man diagnostiziert es als Symptom einer maßlosen Selbstüberschätzung, was wahrscheinlicher ist und diesseits der Mauer zu tiefer Betrübnis führen sollte.

Obwohl innerhalb der us-amerikanischen Finanz- und Militärelite noch heftig darüber gestritten wird, was der richtige, d.h. für die Interessen der USA stehende Weg ist, nämlich Konfrontation bis zum Krieg oder temporäre Kooperation, scheinen sich die Kreise in der Bundesrepublik, die sich so gerne als Atlantiker bezeichnen, bereits für die Option der Konfrontation entschieden zu haben. Mir leerem Beutel ist gut protzen, möchte man da sagen, aber gegen die gegenwärtige Form der Selbstüberschätzung in den dominierenden Milieus Germanistans scheint kein Kraut gewachsen zu sein. Dass mit diesem rhetorischen Gefuchtelt die Kriegsgefahr steigt, ist nicht unbedingt zu erwarten. Dass allerdings bei einer Havarie eines deutschen Kriegsschiffes 14 Tausend Kilometer entfernt vom Heimatland etwas konstruiert werden kann, das dazu führt, ist nicht auszuschließen. Das wäre dann eine Havarie, verursacht durch Hasardeure. 

Nur das falsche Personal?

Der Kompass steht! Bundesaußenminister Maas, mit dem sein Amtskollege Lawrow nicht einmal mehr spricht, forderte, dass Europa gegenüber Russland Muskeln zeigt, Stoltenberg, der NATO-Generalsekretär, stellte fest, dass Gespräche mit Russland keine Verbesserung des Verhältnisses bewirken und Cem Özdemir, seinerseits ebenfalls voll auf Kurs, kam zu der Erkenntnis, dass das verschlechterte Bild seiner Partei im Internet auf Aktivitäten russischer Trolle zurückzuführen sei. Letzteres ist eine wunderbare Erklärung, wenn es mit dem grünen Höhenflug doch nicht so klappt wie erhofft. Parteiübergreifend hat sich anscheinend die Erkenntnis durchgesetzt, dass die eigene, wachsende internationale Isolation wie die sich manifestierenden inneren Krisen nur eine Ursache haben. Russland ist die Erklärung für alles. 

Es ist müßig, auf die einzelnen Anlässe einzugehen, denn die Entschlüsselung der jeweiligen Virulenzen führt zu keiner Besserung. Liest man die einzelnen Äußerungen im Kompendium, dann liegt nur ein Schluss auf der Hand: Die Verhältnisse in Russland müssen geändert werden, und zwar nicht durch diplomatische Verhandlungen und kooperative Beziehungen, sondern durch massive, letztendlich militärische Konfrontation. Das ist, betrachtet man eine bestimmte Fraktion innerhalb der us-amerikanischen Administration, eine sehr zufrieden stellende Entwicklung, nur nützt sie weder Deutschland noch Europa. Sollte es zu einer heißen Konfrontation kommen, wird es nur verbrannte Erde geben. Von der norddeutschen Tiefebene bis nach Kamtschatka. Welche Werte dann über die verqualmten und verseuchten Ebenen schweben, ist letztendlich unerheblich, denn genießen wird sie niemand mehr.

In Russland, so ganz nebenbei, werden sich die Verhältnisse in nicht ganz so ferner Zeit verändern. Auch der dortige Präsident, der nach gemeinsamem Vernehmen hinter jeder Panne im Westen persönlich zu stecken scheint, ist ein biologisches Wesen, das wie wir alle ein Verfallsdatum trägt. Entscheidender ist da wohl der Wille der in Russland lebenden Völker, und ob diese sich mit Verhältnissen anfreunden würden, wie sie im Westen zelebriert werden, ist letztendlich fraglich. Auch wenn der globalisierte Supermarkt den Anschein erweckt, als seien die Bedürfnisse der Menschen auf der ganzen Welt gleich: alle Länder haben ihre eigne Geschichte, ihre eigene Kultur und ihre eigenen Werte. Wer den Irrglauben teilt, die existierenden Unterschiede seinen Zwangskonstruktionen, die darauf warteten, dass sie von den angenommenen, individualisierten Freiheitsvorstellungen des standardisierten Westens zerschlagen würden, hat zu lange intensive Bäder in der eigenen Befindlichkeitsblase genossen.

Doch wie ist es möglich, aus diesem Circulus vitiosus auszubrechen? Vielleicht mit der einfachen Erkenntnis, dass man sich darauf verständigt, die unterschiedlichen Autonomien als solche anzuerkennen und auf dieser Basis zu etwas zu kommen, was die den Unterschied der Spezies des Homo sapiens zu anderen Lebewesen ausmacht: die Kooperation. Möglichkeiten gäbe es genug, von militärischer Abrüstung über die Nutzung der natürlichen Ressourcen, Ursachen des Klimawandels, demographische Entwicklung, faire Handelsbeziehungen, Armutsbekämpfung, Bildung, Wohnverhältnisse, Mobilität. Heißt es nicht, nur wer nicht in Armut lebt und in einer intakten Umwelt zuhause ist, kommt dem Anspruch, Mensch zu sein sehr nahe?

Mit dem anfangs erwähnten Personal und seiner Haltung ist in dieser Hinsicht jedoch nichts zu machen. Der Eindruck wird täglich bestärkt, es mit egomanischen Kesseltreibern zu tun zu haben, die letztendlich nicht die Verbesserung der Lebensverhältnisse in den eignen Ländern, geschweige denn dort, wohin sie mit ihren Aggressionen weisen, bewirken wollen und können. Wer ausschließlich vor dem Spiegel steht und seine Muskeln zeigen will, wer im Reden keinen Sinn mehr sieht und wer schon im Voraus weiß, wer letztendlich die Schuld trägt, wenn es schief geht, der kann in diesen Zeiten keinen positiven Beitrag leisten.