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Das Ende der Geschichte?

Egal, was hinterher herauskommt, es spielt keine Rolle mehr. Die Beispiele sind Legion. Ob es sich um die Hypothesen in der Corona-Krise handelte, die dazu führten, dass unveräußerliche Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden, ob es um die Erkenntnis ging, dass faschistische Schergen im Donbas die Bevölkerung malträtierten, ob es um die Indizien ging, die Sabotage im eigenen „Bündnis“ anrichteten oder ob es um das Wissen ging, das sich auf einen Anschlag auf das Leben eines Staatspräsidenten bezog – immer und immer wieder scheinen die Delinquenten davon zu kommen. 

Wer das miterlebt und sich im Lager derer befindet, die keine Hemmungen mehr kennen, wenn es sich um gesellschaftsschädigendes und sittlich zu verwerfendes Verhalten handelt, kann sich, zumindest bei den vorhandenen Charakteren, nur ermutigt fühlen, so weiter zu machen wie bisher. Das beste Beispiel für die bodenlose Verwahrlosung ist der gegenwärtige Kanzler. Im französischen Thermidor hätte solchen Köpfen der Weidenkorb geblüht. Aber wir leben ja in zivilisierten Zeiten. 

Die Aufklärung ist passé. Und vielleicht hatte der amerikanische Politologe Francis Fukuyama ja doch recht, als er 1990 vom Ende der Geschichte schrieb. Zumindest aus der Perspektive eines allmählichen, beschwerlichen Fortschreitens von barbarischen hin zu zivilisatorischen Verhältnissen. Mit der zumindest kurzzeitigen Dominanz des uneingeschränkten Kapitalismus brannten alle Zollstationen nieder und in nicht einmal zwei Jahrzehnten grasten die Raubtiere wieder in allen Revieren, wie in der Vorzeit, an deren Rückkehr niemand mehr glaubte. 

Der große Trugschluss ist allerdings, dass es sich dabei um eine globale Erscheinung handelt. Es ist das letzte Stück der kolonialistischen und imperialistischen Festspiele des Westens. Und die Figuren, die jetzt auf der Bühne stehen, tun der eigenen Vorgeschichte dahingehend Unrecht, weil es doch so manche Sequenz gab, die die Hoffnung auf Besseres hätte nähren können. Aber, der Schluss, dem wir derzeit beiwohnen müssen, ist dabei alle positiven Erinnerungen zu tilgen. Man braucht keine Bilder mehr zu bemühen, als ginge es noch darum, irgend etwas aufzuhalten. 

Der Niedergang ist da. Und er ist endgültig. Die Schäden werden groß sein. Vor allem wesentlich größer als das, was sich die Nachkommen unaufhaltsamer Utopisten werden vorstellen können. Aber es wird auch Überlebende geben, die eines Tages beisammen sitzen und darüber scherzen werden, mit welch armseligem Personal das letzte Schiff der westlichen Zivilisation Kurs auf den Eisberg nahm und wie erbärmlich, nahezu tragikomisch sich die Versuche ausnahmen, sich selbst bei der selbst verschuldeten Havarie noch zu retten. Aber, auch die Nachgeborenen werden feststellen, dass das, worauf sie zurückblicken, in der Geschichte nicht das einzige Ereignis dieser Art war. Es scheint zur Dramaturgie der Spezies selbst zu gehören. Insofern war das, was wir erleben, alles schon einmal da. Also, kein Grund zur Beunruhigung! Volle Kraft voraus!    

Das Ende der Geschichte?

Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Der Kurs auf den Eisberg

Laut Scientists for Future werden die weltweiten Ausgaben für den Klimaschutz im laufenden Jahr 321 Milliarden US-Dollar betragen. Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI spricht hingegen von weltweiten Rüstungsausgaben im gleichen Jahr von 2,2 Billionen US-Dollar. Setzt man die beiden Zahlen in Beziehung zueinander, dann wird global das 70-fache des Budgets für den Klimaschutz in Rüstungsgüter investiert. Man braucht nicht anzufangen, nach den Schuldigen zu suchen. Es ist zwecklos. Fakt ist, dass Fragen wie militärische Sicherheit, Macht, Einfluss, Zugriff auf Ressourcen und die Verteidigung der nationalen Souveränität den Staaten wichtiger ist, als die Fragen von Ökologie und Umwelt. 

Neben der Hausnummer der bloßen Investitionen in Ausrüstung und Kriegsmaterial muss noch der wesentlich schlimmere Faktor der Folgen von militärischen Operationen, sprich den so genannten lokalen Kriegen, mit ins Kalkül gezogen werden. Noch bevor der Staudamm in der Ukraine brach oder gebrochen wurde, waren die Folgen der bisherigen Kampfhandlungen eine lang anhaltende Katastrophe für Mensch und Natur. Der CO2-Ausstoß ballistischer Kampfhandlungen übersteigt die positiven Aspekte eines jeden Gesetzes der EU hinsichtlich der Emmissionseindämmung. Der Staudammbruch ist das nächste Kapitel, diesmal geht es um Vernichtung von Saatgut, der Verbreitung kontaminierten Bodens und – das wird in summa nie erwähnt, einer rapide ansteigenden Anzahl von toten Menschen und Tieren. Und die Ukraine ist nicht das einzige Land, in dem ein Krieg geführt wird, bei dem es um geopolitische und geostrategische Interessen geht.

Angesichts dieser Zahlen und Fakten ist es schon verblüffend, wenn die hiesige politische Klasse und die mediale Öffentlichkeit dieses Missverhältnis nicht aufgreifen. Und, um es beim Namen zu nennen: die Diskrepanz zwischen dem immer wieder formulierten Anspruch der klimatologischen Weltrettung und den Taten, die sich einzig und allein auf die Eskalation internationaler Konflikte konzentrieren und das eigene Land längst zu einer aktiven Kriegspartei gemacht haben, ist so gewaltig, dass ein massives Interesse besteht, sie nicht ins Blickfeld kommen zu lassen.  

Es ist müßig, sich darüber Gedanken zu machen, worin die Motive bestehen. Für viele Menschen ist das sonnenklar. Und es kann auch nicht darum gehen, entweder mit Korruptionstribunalen aufzuwarten oder eine Therapiecouch für fehlgeleitete Politiker einzurichten. Aber konfrontieren kann man diese Klasse schon mit der Frage, ob sie ihr eigenes Geschwafel vom Klimaschutz ernst meint und wenn ja, warum sie dann nicht im entferntesten mit Ideen aufwarten kann oder will, wie die Waffen zum Schweigen gebracht werden können und wie eine internationale Friedensordnung aussehen könnte und müsste. Und eine solche ist die Voraussetzung für die weitere Existenz der Menschheit, wenn die These der nahenden ökologischen Katastrophe stimmt.

Eine Politik, die in hohem Maße asynchron zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist, die sich verlagert hat auf symbolische Handlungen, die kaum Auswirkungen auf die realen Lebensverhältnisse vieler Menschen haben, muss zweifelsohne Widerspruch hervorrufen. Es mutet an wie ein Treppenwitz, wie gerätselt wird über den Zuspruch, den als radikal geltende Parteien in ganz Europa derzeit erhalten, ohne das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen. Da sind entweder minderbemittelte Wählerinnen und Wähler oder feindliche Meinungsmacher oder beides die Ursache. Die eigene Widersprüchlichkeit fällt keinem mehr ins Auge. Auch nicht denen, deren Aufgabe es wäre. Die stehen auf den Gehaltslisten mächtiger Lobbies und pfuschen sich die Realität zurecht. Bleiben wir bei den Naturgewalten: Wir nehmen streng Kurs auf den Eisberg.

Der einbetonierte Kompass

Ein ehemals prominenter Sozialdemokrat schrieb in seinen Memoiren, dass während seiner aktiven Zeit eines seiner Traumata aus dem Auftreten der Traditionalisten entstanden war. Immer, wenn er zu Parteiveranstaltungen vor Ort gegangen sei, hätten sie dort gesessen, immer gewusst, was zu machen sei, mit einbetonierte Kompass. Das Bild hat Wucht. Wer sich jetzt die Hände reibt und zu dem Schluss kommt, große Teile der SPD seien damit gut beschrieben, sollte sich etwas Zeit lassen. Denn der einbetonierte Kompass steht nicht nur bei allen Parteien in den Zentralen, sondern überall, in jeder Firma, in jedem Verein und in jedem Haushalt. Es handelt sich um ein Massenphänomen, das vielleicht sogar aus unserem Nationalcharakter gehört, den die euphorischen Globalisierungsgewinner fälschlicherweise und folgenschwer leugnen und in dem der Terminus der „German Angst“ eine zentrale Rolle spielt. Der einbetonierte Kompass ist besonders in Deutschland sehr verbreitet und er erfreut sich momentan wieder eines massenhaften Absatzes.

Auf der phänomenologischen Ebene handelt es sich um den Habitus, immer alles aufgrund einer einmal erworbenen Weltsicht erklären zu können. Nicht nur, dass Erkenntnisse nun einmal immer in einem historischen Kontext gelten, sondern auch die Attitüde, die daraus resultiert, ist beschämend. Menschen mit einem einbetonierten Kompass sind zumeist ein Ausbund an Dogmatismus und Intoleranz. Oft reicht die Anregung, noch einmal über das eine oder andere, das gesetzt ist, nachzudenken, um einen Sturm der Entrüstung und eine Totalblockade hervorzurufen. Dann geht das Kesseltreiben gegen diejenigen los, die nach neuen Einsichten streben.

Und noch einmal, wer meint, es handele sich exklusiv um ein Phänomen der Sozialdemokratie, liegt falsch. Ebensowenig ist der Typus nur im konservativen Lager zu finden, sondern, vielen wird das nicht schmecken, auch bei denen, die für sich reklamieren, sogar revolutionär zu sein. Besonders dort sind die Sanktionen gegen die, die zementierte Wahrheiten neu beleuchten wollen, besonders drakonisch. Da muss nicht der legendäre Eispickel aus Mexiko zitiert werden, der im Kopf Trotzkis landete. Auch aktuell werden von selbst definiert Links bis Rechts Existenzen vernichtet, wenn sie den eingebauten Kompass im falschen Moment ignorieren.

Die Gewissheiten, die aus der zementierten Lebensroute resultieren, sind beruhigend und ein wunderbares Narkotikum gegen die Lebensangst. Insofern ist das Verständnis für die Motive des eingebauten Kompasses sehr wichtig, um an die Demontage dieses Instruments zu gelangen. Denn eine tatsächlich innovative, vielleicht auch revolutionäre Herangehensweise an die Fragen der Zeit kann nur gelingen, wenn der aggressive Skeptizismus derer, die schon immer alles wussten, überwunden werden kann. Dazu gehört die Überwindung der Angst gegen den Identitätsverlust. 

Denn neben der Angst, sich auf unbekanntes Terrain begeben zu müssen und somit verletzlich zu sein, gesellt sich die noch weitaus größere Furcht davor, nicht mehr als das, was man sich mühevoll erworben hat, von außen identifiziert zu werden. Damit handelt es sich bei dem einbetonierten Kompass also auch um einen vermeintlich identitätsstiftenden oder zumindest identitätserhaltenden Mechanismus. 

Es reicht nicht, die Notwendigkeit neuer Fragestellungen und Hypothesen mit den praktischen Erfordernissen der Gegenwart zu begründen. Es ist notwendig, auch die Relativität der vermeintlich gesicherten Existenz mit ins Spiel zu bringen. Wer in Zeiten großer Veränderungen darauf beharrt, dem einbetonierten Kompass stur zu folgen, wird das befürchtete Desaster nur wahrscheinlicher machen. Beim Kurs auf den berühmten Eisberg ist alles vonnöten, nur nicht das sture Festhalten am alten Kurs. Da verwundert schon manchmal die zur Schau getragene Arroganz derer, die auf der Brücke stehen und „volle Kraft voraus“ schreien.