Schlagwort-Archive: Künstliche Intelligenz

ChatGPT et al.

Es wird viel schwadroniert, wenn das Thema aufkommt. Wie sollte es auch anders sein? Kaum jemand kann ermessen, wie sich die verschiedenen Applikationen der künstlichen Intelligenz auf unser Leben auswirken werden. Angst machen gilt nicht. Das ist ein Industriezweig, der in Zeiten großer Veränderungen immer Konjunktur hat, aber in der Retrospektive nichts als Langeweile, oder meistens sogar ein wissendes Lächeln hinterlässt. Die andere Variante ist die der Prognose eines vollkommen neuen Zeitalters, in dem der Mensch von allen Anstrengungen und jeder Mühsal befreit ist. Auch das kennen wir zur genüge. Vor allem in Sachen Bildung und Emanzipation wird dann viel zusammen gesponnen. Meistens solange, bis die notwendigen Geräte und die dazugehörige Software in jedem Haushalt steht und dann beginnt der profane Konsumterror. Dann wird aus der Bildungsoffensive ein Discounter-Feuerwerk. Gut beraten ist, wer genau hinsieht, sich der Innovation nähert, sich an ihr probiert und seine Schlüsse zieht. Das garantiert zwar immer ein bisschen den Status des Außenseiters. Aber wer will schon in einer blökenden Herde in die Irre laufen?

Gerade stolperte ich bei einer Publikation auf die Ankündigung unter dem Titel, es handele sich garantiert um kein Produkt, das mit künstlicher Intelligenz hergestellt sei. Da ich, der Zufall ist eben oft doch ein nützlicher Komplize, noch gestern mit einem Freund telefoniert hatte, der mir eine Episode schilderte, die er erlebt hatte, war ich nicht überrascht. Ansonsten hätte ich die Anmerkung für einen Gag gehalten. Die in einem anderen Bundesland statt gefundene Geschichte verlief folgendermaßen: Die Redenschreiberin einer Ministerin aus der Landesregierung hatte bei ChatGPT eingegeben, sie wolle eine Rede im Stile der Ministerin zum Thema soundso, bei der vor allem die Aspekte a, b, und c hervorgehoben würden. Und, nach einem Augenaufschlag, war die Rede erstellt. Mein Freund hatte sie mir zugeschickt und ich war erstaunt, wie bekannt mir das alles vorkam. Eben ein typisches Produkt für Politiker-Sprech. Fehler entdeckte ich nicht. Ebensowenig wie die Ministerin, die diese Rede ohne Wissen über die Art der Produktion gehalten hatte. Die Redenschreiberin, so mein Freund, der sie aus früheren wie anderen Tagen kennt, legt momentan die Füße auf den Schreibtisch und lässt den lieben Gott einen guten Mann sein. Denn sie verdient ihr Geld ohne Mühsal, dank ChatGPT. Ob und was ihr widerfährt, wenn Frau Minister Wind davon bekommt, werden wir noch sehen – oder auch nicht. 

Das kleine Beispiel zeigt, wie sehr das Thema KI mittlerweile unsere Lebenswelt durchdringt. Und was es zum Beispiel im Bildungswesen bewirken wird, ist noch nicht ausgemacht. Wenn das Üben an Themen, die man sich selbst erarbeiten muss, obsolet wird, dann ist, und ich versuche hier so nüchtern wie möglich zu bleiben, mit einem gehörigen kollektiven Kompetenzverlust zu rechnen. Dann ist die bereits zitierte blökende Herde ein prächtiges Symbol für den Dauerzustand.

Wenn schon nicht die Zeit ist für Prognosen, wie sich die Sache mit der KI entwickelt, wenn es sich so entwickelt, wie es immer ist, nämlich als ein markttaugliches Produkt, dann ist es geraten, sich darüber zu unterhalten, welche Eigenschaften und Fähigkeiten wir bei den Menschen der Zukunft noch verortet sehen wollen. Mir scheint es, dass es zur Entwicklung und Förderung humaner Fähigkeiten unbedingt analoger Räume bedarf. Darüber sollten wir reden. 

Kritische Infrastruktur: Widersprüche

Das Kürzel KI steht im Bundeswirtschaftsministerium nicht für Künstliche Intelligenz, sondern für Kritische Infrastruktur. Dass die Handhabung letzterer nicht im entferntesten etwas mit Intelligenz zu tun hat, haben die letzten Tage wiederum gezeigt. Dabei ist die Definition der Kritischen Infrastruktur, die auch in diesem Ministerium vorliegt, logisch und nachvollziehbar. Demnach handelt es sich um wichtige „Organisationen und Einrichtungen des staatlichen Gemeinwesens, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden.“

Diese allen Bundesressorts vorliegende Definition ist, sofern man von einer verantwortungsvollen Sorge um das notwendige staatliche Handeln ausgeht, vernünftig. Dass der gegenwärtige Minister für Wirtschaft und Klimaschutz, zudem Vizekanzler, eine eigentümliche Selektion der Aufgaben, die sich aus dieser Definition ergeben vornimmt, war nicht anders zu erwarten. So erfuhr die Öffentlichkeit aktuell von einer Notbremse, die aus dem Ministerium gezogen wurde, um das feindliche Eindringen der chinesischen Fracht- und Handelskompanie COSCO in den Hamburger Hafen zu verhindern. Konkret geht es um eine geplante Minderheitsbeteiligung an einem Terminal. So, wie es aussieht, wäre dieser Umstand, der z.B. in keiner Relation zu den weitgehenden Beteiligungen chinesischer Gesellschaften im Rotterdamer Hafen steht, aus Sicht des Wirtschaftsministers geeignet, um die die öffentliche Sicherheit und andere dramatische Folgen hervorzurufen. Zudem hat die vor allem von den Grünen betriebene Frontstellung gegen die Volksrepublik China nichts mit negativen Erfahrungen in den bilateralen Beziehungen zu tun, sondern sie steht einzig und allein in ihrem von den USA ausgehändigten Pflichtenheft. 

Die im September letzten Jahres gesprengte Nord Stream Pipeline, die sowohl vom Investitionsvolumen als auch in Bezug auf den Verschluss von Energielieferungen ein gigantisches Ausmaß im Verhältnis zu dem einen Ladeterminal im Hamburger Hafen aufweist, hat bis heute keine Reaktion aus dem Bundeswirtschaftsministrium hervorgerufen. Nach allen Indizien, die vorliegen, wäre dieser terroristische Akt auf die Kritische Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland allerdings geeignet, das Lügengebäude einer überforderten und nicht im Interesse der Bevölkerung agierenden Bundesregierung in sich zusammenfallen zu lassen. Käme heraus, dass es sich bei dem Terroranschlag um eine mit der Bundesrepublik innerhalb der NATO verbündete Nation handelte, müsste der Bündnisfall innerhalb des Bündnisses ausgerufen werden. Wer etwas Phantasie besitzt, möge sich den Gesichtsausdruck späterer Generationen vorstellen, die in den Geschichtsbüchern diese Ausgeburt von Irrsinn und Dekadenz lesen.

Der aufmerksame Presse, den viel gerühmten Journalen der öffentlich-rechtlichen Verschleierungsanstalten ist diese logische Inkongruenz nicht aufgefallen. Nicht eines dieser renommierten Organe hat bis jetzt mit der Idee kokettiert, dass staatliche Bestimmungen und Regeln generell zu handhaben sind, und nicht nach dem Gutdünken von Politikern, denen man, will man ihnen die allgemeine Zurechnungsfähigkeit unterstellen, im Auftrag anderer Interessen handeln als dem derer, von denen sie ihr Mandat erhalten haben. Und ein Kanzler, diese Frage sei vor allem in diesem Punkt noch einmal dezidiert erlaubt, der doch so überzeugt formuliert hatte, wer bei ihm Führung bestelle, der erhalte sie auch, soll sich einen einzigen der Waschkörbe füllenden Briefe anschauen, die aus allen Ecken der Republik an ihn geschickt worden sind und in denen von ihm diese Führung verlangt wird. Oder hat er, wie so vieles andere, vergessen, wo die vielen Bestellungen für Führung hingelegt worden sind?  

Eine symbiotische Zukunft mit der Künstlichen Intelligenz?

Dan Brown. Origin

Manche Autoren wissen, was die Gemüter bewegt. Dan Brown ist so einer. In seinen bisherigen Bestsellern ging es immer wieder um Verschwörungstheorien, die zwischen historischen Möglichkeiten und überspannter Spekulation waberten, aber so konstruiert waren, dass die eingepflanzten Fakten immer wieder die Erwartung nährten, dass an der ganzen Konstruktion doch etwas Wahres sein könnte. Dass Brown mit seinem neuesten Buch, Origin, ein Thema ausgewählt hat, das zeitgenössischer nicht sein könnte, spricht für seine Courage. Dass Brown in der Lage ist, spannende Bücher zu verfassen, hat er hinreichend bewiesen. Dass er sich nun als Sujet die Künstliche Intelligenz ausgewählt hat, verlangte, dass er weiß, worüber er schreibt. Das hat er mit dem vorliegenden Buch bewiesen.

Von der Konstruktion greift er auf alt Bewährtes zurück. Natürlich spielt der amerikanische Wissenschaftler Robert Langdon eine zentrale Rolle. Und natürlich stellen ihm die Ereignisse eine junge Schöne an die Seite, mit der er durch die thematische Odyssee läuft. Schauplatz ist Spanien, ein Land, das eine gewaltige obskurantistische Vergangenheit von der Inquisition bis zum Faschismus hinter sich hat, wo aber auch unübersehbare Signale in die flackernde Moderne ausgesendet wurden. So ist es kein Wunder, dass der Ausgangsort des spannungsgeladenen Buches das Guggenheim Museum in Bilbao ist. Dort will ein Computerwissenschaftler von Format eine Erkenntnis präsentieren, die nach seiner Meinung das Denken der Menschheit grundlegend verändern wird. Als es soweit ist, wird er während seiner Präsentation liquidiert.

Die Suche nach den Tätern führt in ein Labyrinth, in dem sich reaktionäre Katholiken, das spanische Königshaus, Vertreter des Klerus und eine Maschine bewegen. Die Maschine ist der Clou. Bei ihr handelt es sich um eine neue Variante der Künstlichen Intelligenz, die lern- wie sprachfähig ist. Dass der ermordete Wissenschaftler ihr Meister ist, versteht sich nahezu von selbst.

Thematisch geht es in dem Buch um die zentralen Fragen der Menschheit: Woher kommen wir und wo gehen wir hin. Die präsentierten Theorien sind solide recherchiert und bergen, sowohl im Blick auf die Vergangenheit hohe Brisanz. Es geht um die Entstehung von Leben und eine Prognose auf die Zukunft. Es wird aufgeräumt mit der Vorstellung eines Schöpfers und es wird mit statistischen Erhebungen hoch gerechnet, dass der Homo sapiens nur noch als Symbiose mit Maschinenintelligenz eine Zukunft hat.

Die Thesen werden dialogisch aufbereitet und sind teilweise sehr detailliert, sodass festzustellen ist, dass sich diese Passagen, ohne die der Handlungsstrang nich weiter verfolgt werden könnte, gelesen werden müssen, was sicherlich einen Teil der Leserschaft sehr beansprucht. Letztendlich endet die Erzählung nicht in einem Konvolut von Verschwörungen. Alles löst sich auf, was aber bleibt, sind die verstörenden Thesen. Mit ihnen muss sich die Leserschaft selbst auseinandersetzen. Die Zukunftsprognose ist letztendlich offen. Nicht im Sinne einer Zurückweisung der Rolle Künstlicher Intelligenz. Aber in der Frage, ob die Symbiose zwischen dieser und der menschlichen Gattung zu Gutem führt, oder ob die Gattung den Überblick verliert und untergeht. Eine Frage, die sich viele Menschen in diesen Tagen stellen.

Ein lesenswertes Buch, bei dem das vertraute Marketing und die bekannten Rollen nicht stören.