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Monopolist und Drohnenkrieger

Hierzulande agierte man schon immer nach dem Prinzip von Monopolisten. Wenn irgendwo bei der Konkurrenz ein Talent gesichtet und gefördert wurde, wenn sich Spieler zu einem großen Format entwickelten, kam der Konkurrent von der Isar und kaufte ein. Udo Lattek, der wohl immer noch erfolgreichste Trainer der Bayern, hatte das unzählige Male und sehr anschaulich bestätigt. Wir kauften in erster Linie ein, um die Konkurrenz zu schwächen. Wenn Glück dabei war, verbesserten wir uns dadurch auch noch. Letztendlich reichte diese Taktik aus, um das Monopol bis auf kleinere Zwischenfälle durchgängig zu sichern.

Ein anderer Verein, der stets im Kampf mit einem Rivalen in die Arena um die nationale Vormachtstellung ging, war der CF Barcelona. Als man dort müde geworden war, auf internationalen Spielermärkten Unsummen auszugeben, besann man sich auf eine ganz besondere Art der Guerilla-Taktik. Man erfand das Tiki-Taka, eine Form des Widerstands von Zwergen gegen Vollblutathleten. Im Grunde war es nichts Neues und jeder, der einmal auf dem Bolzplatz stand, kennt es: die älteren, überlegenen Spieler lassen die Kleinen nicht an den Ball kommen bis diese keine Lust mehr haben und nach Hause gehen. So machten es die physischen Zwerge Barcelonas unter dem System Guardiola, technisch perfekt und grandios, vom Sinn her eine arrogante Sauerei oder, um die Analogie woanders zu suchen, der Fußball machte sich dort die Philosophie des Drohnenkrieges zu eigen.

Hier, in Deutschland, waren trotz der Rauschkäufe der Bayerverantwortlichen dennoch andere Zeiten angebrochen. Zweimal hintereinander holte Dortmund den Titel. In ihrer Ahnungslosigkeit erkannten die Himmelstürmer aus dem Ruhrgebiet wohl zu spät, zu was ein Monopolist, dem man sein Ende vor Augen führt, noch alles in der Lage ist. Zum einen schlug man wieder mit dem Geldsack zu und kaufte dem direkten Konkurrenten die besten Spieler weg und zum anderen verpflichtete man den Philosophen des Drohnenkrieges als Trainer. Was als List der Zwerge geplant war, bekamen jetzt auch noch Riesen als taktische Anweisung an die Hand.

Seitdem siegt der FC Bayern. Immer. Das Monopol beherrscht den Fußball wie nie zuvor. Und wie das in solchen Fällen so ist, hat sich eine gähnende Langeweile breit gemacht. Niemand, der nicht zu der sehr durchschaubaren Gefolgschaft des Monopolvereins gehört, hat noch ein Interesse daran, die Spiele des Maßes aller Dinge zu sehen. Das hat zweierlei Ursachen: Eine sportliche, denn wenn es keinen Wettkampf mehr gibt, geht es um das Sezieren eines Opfers, das man nur mit einer bestimmten psychischen Konstellation genießen kann. Und zum anderen werden diese Hinrichtungsrituale von einer Berichterstattung begleitet, gegen die die eingebetteten Journalisten im US-amerikanischen Irakkrieg noch Zentren des Widerstandes waren. Was sich der Sportjournalismus im Rahmen der Elogen an die Bayernrituale leistet, reicht an das Geheule Nürnberger Parteitage.

Da der Fußball momentan die Attraktivität verloren hat, die er aufgrund seiner Reflexion der sozialen Organisation gesellschaftlicher Prozesse verdient, bleibt vorübergehend wohl nur die Muße dazu, sich die Schachzüge des handelnden Personals genauer anzusehen und zuzuwarten, bis innere Widersprüche dafür sorgen, dass von außen auch einmal wieder angegriffen werden kann. Beobachten wir also, wie die Akteure der narzisstischen Verblendung, trunken von Weltklasse-Superlativen, wie die Parvenüs an Zigarren mit Banderolen saugend, mit zollfreien Uhren funkelnd, mit Helium verfärbten Gesichtern und befeuert von der Illusion unbegrenzter Rechtsbeugung das Monopol durch die internationalen Gewässer steuern. Die Protagonisten selbst werden sich diese Aufforderung wieder einmal als eine von Neid und Hass getriebene zu erklären suchen. Dabei ist es einfach nur kühle, sehr kühle Distanz.

Die praktische Kollision

Soll man Marxens Unterscheidungen noch bemühen? Die Frage beantwortet sich gleich, wenn man nach etwas Besserem sucht und passen muss. Gemeint ist die Differenzierung einer Gesellschaft in Unterbau und Überbau. Vor allem in seiner Schrift Die deutsche Ideologie hatte Marx eine weniger ökonomische und mehr soziologische Analyse der deutschen Gesellschaft vorgenommen. Und wie es ihm mit seiner von Dialektik durchtränkten Vorgehensweise eigen war, entsprang aus der historischen Analyse gleich auch noch ein Modell mit weitergehendem Geltungsanspruch.

 Demnach geschieht in dem Unterbau der Gesellschaft die Wertschöpfung unter den spezifischen historischen Bedingungen und Eigentumsverhältnissen. Dort werden Waren produziert in Fabriken, die Privateigentum sind und wiederum auf Märkten feilgeboten, auf denen die Anbieter mit ihren Produkten in Konkurrenz zueinander stehen. Im Überbau hingegen bilden sich die sozialen Verkehrsformen ab, die sich aus den Machtverhältnissen des Unterbaus ableiten, im Überbau jedoch auch eigendynamisch entwickeln können. Die spannende Frage, die Marx anhand historischer Ereignisse stellt, ist die, was passiert, wenn die Protagonisten des Überbaus in Widerspruch zu den Interessen des Unterbaus stehen? Marx nannte ein solches Moment die praktische Kollision. Und er schloss, dass sich im Falle einer solchen praktischen Kollision schnell zeigen werde, ob die im Überbau agierende Opposition den Unterbau negiert oder nur zum Schein die Stimme der Rebellion erhebt.

Das Theorem der praktischen Kollision ist hilfreich, wenn man sich gesellschaftliche Krisenzustände ansieht, eigentlich egal wo auf der Welt. Gerade in einer vom Warenüberfluss geprägten Welt neigt man in der Begutachtung kritischer Zustände dazu, die ökonomischen Interessen bestimmter Gruppen zu bagatellisieren. Die Intervention der Militärs in Ägypten zum Beispiel hatte in erster Linie ökonomische Gründe.

In einer warenproduzierenden, sprich kapitalistischen Gesellschaft, hat die ökonomische Klasse, die als die mächtige bezeichnet werden muss, in der Regel das Sagen. Die einzige Möglichkeit, dem freien Unternehmertum in seiner Machtentfaltung beizukommen, sind durch demokratische Mehrheiten zustande gekommene Gesetze und die Vergesellschaftung der ökonomischen Prozesse per se. Unter dem Vorzeichen des Sozialismus hat das 20. Jahrhundert hinreichend Beispiele dafür geliefert, wie die Politik der Ökonomie den Rang abgekauft und deren Klasse domestiziert hat. Das Resultat war der wirtschaftliche Kollaps.

 In der post-sozialistischen Ära glaubte man zunächst an den Triumph des ungezügelten Kapitalismus. Und angesichts des Erscheinungsbildes des Weltfinanzwesens schien es auch so zu sein. Was man aber bei genauem Hinsehen feststellen musste, war die Tatsache, dass die Verstaatlichung wirtschaftlichen Handelns in einem Ausmaß zugenommen hatte, das weit mehr an die historischen Vorläufer des Sozialismus als an den immer wieder an die Wand gemalten Manchester-Kapitalismus erinnerte.

 Zu den Staaten der prototypischen Verstaatlichung ökonomischer Prozesse gehört die Bundesrepublik. Das Phänomen, dass sich dahinter verbirgt, ist die Synchronisierung der Formen des sozialen Verkehrs im Überbau mit den Machtverhältnissen im Unterbau. Eine Chance auf eine Opposition im Überbau, die im Falle einer Krise zu einer praktischen Kollision führte, ist nahezu ausgeschlossen. Wir haben es mit einer Machtkonzentration des ökonomisch-politischen Komplexes zu tun, der die Expansion der Verstaatlichung aller Lebensbereiche vorantreibt. Symptom dessen ist das, was wir den Regelungswahn bezeichnen. Es geht aber um mehr, es geht um die Abschaffung der Bürgerrechte. Und diejenigen, die sich zur Wahl stellen, sollten wir doch einfach fragen, ob sie den Prozess der Verstaatlichung in seinem Fortgang unterstützen wollen oder ob sie gewillt sind, der Entmündigung ein Ende zu setzen.

Schutzzölle auf Solarmodule?

Wenn der neue Ministerpräsident der Volksrepublik China, Li Keqiang, in den nächsten Tagen zu seinem ersten Besuch nach Europa kommt, hat er bereits einen ersten Protest im Gepäck. Der ist zurückzuführen auf Überlegungen der EU-Bürokratie, auf chinesische Solarmodule Schutzzölle bis zu 47 Prozent belegen und gleichzeitig Anti-Dumping-Mechanismen in Gang setzen zu wollen. Das ist bemerkenswert und bestärkt eine Tendenz, die das Projekt Europa zumindest in seiner Doppelbödigkeit einem offenen und transparenten Diskurs aussetzen sollte.

Neben der offiziellen Rhetorik, die für Europa wirbt und in der es immer und vor allem offene Grenzen, Frieden und Menschenrechte, um demokratische Verfassungen und die Selbstbestimmung der Völker geht, existiert noch eine andere Seite. Auch wenn die genannten, durchweg positiv besetzten Begriffe nicht immer einer kritischen Prüfung standhalten, wenn man sich zum Beispiel die Regierungsmannschaft vom Kosovo oder die binnenpolitische Entwicklung in Ungarn anschaut.

Die besagte andere Seite jedoch ist die des Imperiums Europa. Da sitzt eine streng zentralisierte Bürokratie in Brüssel, die in positiver wie negativer Hinsicht exklusiv eine Funktion wahrnimmt: Die der Restriktion. Die positive Variante, aber nur, wenn man so will, besteht in der Zuteilung von zentralistisch zu vergebenen Subventionen, die bis in atemberaubende Details wie der Finanzierung von Bootsstegen geht. Des Weiteren, und nun sind wir bei den negativen Erscheinungsformen, zeichnet die EU-Bürokratie verantwortlich für eine zum Teil despotisch erscheinende Reglementierung nach innen. Das begann irgendwann einmal mit der Definition der Dimensionen von Karamellbonbons und setzt sich aktuell mit der Verbannung rumänischer Frikadellen fort, weil diese Elemente von Backpulver enthalten. Eine derartige Politik unterminiert alle positiven Konnotationen mit dem Projekt Europa.

Das Ärgernis für den chinesischen Ministerpräsidenten schließlich bezieht sich auf die EU-Sanktionen nach außen. Da tritt das marktliberale Europa plötzlich auf wie eine Blaupause des historischen Merkantilismus, der nur die Binnensicht zulässt und gnadenlos zum Mittel des Protektionismus greift, wenn die eigene Konkurrenzfähigkeit zu kurz greift. Wie oft haben wir vor allem von deutscher Seite den Vorwurf der Schutzzollerhebung seitens der USA und Plädoyers für den freien Markt gehört. Dass nun, zugegebenermaßen, die Bundesregierung im Falle der Solarmodule aus China einlenken will, sei fairerweise angemerkt.

Dabei muss es für die deutsche Position schmerzhaft sein und sollte zu denken geben. Besonders im Bereich der energiebezogenen neuen Technologien wähnte man sich hier vor allem politisch in einer Vorreiterrolle. Nirgendwo sonst hat der Staat bei der Entwicklung von Technologien wie der solaren Energieerzeugung und Energiespeicherung derartige Bedingungen geschaffen wie hier, durch Steuervergünstigung und direkte Subvention. Was zu denken geben sollte ist die Tatsache, dass direkt nach der Einstellung der direkten Subventionen und der Minimierung der Steuervergünstigungen die Solarindustrie hierzulande nahezu implodierte. Um es präzise und deutlich zu sagen, sie lieferte ein Beispiel für die Marktunfähigkeit. Dieses Phänomen lässt sich anhand zahlreicher Geschichten in der jüngeren deutschen Industriegeschichte nachweisen, man entsinne sich nur an Themen wie die Halbleiterproduktion aus dem Hause Siemens. Es existiert eine Tendenz, mit staatslich vorangetriebenen Projekten Zeichen setzen zu können. Und die Marktfähigkeit endet mit der Einstellung der Subventionen.

Dass die EU nun zum Mittel des Protektionismus greifen will, ist ein Zeichen von Schwäche. Ausgerechnet Solarmodule! Ausgerechnet aus China! Da passt vieles nicht mehr zusammen. Und schon gar nicht zu den politisch erzählten Legenden!