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Reduktion auf das Wesentliche!

Immer wieder und mit der Komplexität globaler Zusammenhänge steigern sich die Belange ins Unübersichtliche. Wer da keinen Kompass hat und nicht weiß, worauf es ankommt, hat gute Aussichten in Verzweiflung, Irrsinn oder törichten Handlungen zu enden. Und verweist man bei dieser Thematik auf die antike griechische Philosophie, oder asiatische Denker, dann begegnen einem die Broker der gewollten Unübersichtlichkeit mit einem müden Lächeln. Wie sie ja auch gelangweilt abwinken, wenn es um die frühen Analysen des Kapitalismus geht. 

Was aus dieser gespielten Arroganz spricht, ist die tief sitzende Furcht vor einer grundsätzlichen Betrachtung. Denn da könnte herauskommen, dass die heute in hoher Quantität als gesichert gehandelten Annahmen nicht zutreffen. Eine dieser Geschichten ist die des Wachstums. Wachstum an sich entspricht den Verwertungserfordernissen des kapitalistischen Wirtschaftens. Den tatsächlichen Bedürfnissen einer Gesellschaft entspricht es nicht. Und schon wären wir bei der Frage, was der Mensch braucht, um existieren, sich entfalten zu können und glücklich zu sein. Hat das etwas mit einem neuen Auto oder einem Schnäppchen bei Primark zu tun? 

Analog verhält es sich mit der Vorstellung, wie urbanes Zusammenleben gestaltet sein soll. Sind es wirklich die Attribute, die unter der technokratischen Chiffre der Smart Cities subsumiert werden oder hat es etwas mit Versorgungsnähe und Begegnungsqualität zu tun? Sind wir als Stadtbürger soziale Wesen oder die Anhängsel von Registrierkassen und Steuerungsphantasien? 

Beim Staat sind es auch die grundsätzlichen Fragen, die an erster Stelle stehen sollten. Wie wollen wir zusammenleben? Welche Freiheiten und welche Rechtsverhältnisse wünschen wir uns? Wovon wollen wir leben, d.h. wie wollen wir wirtschaften und wie gelingt es uns, mit dem Rest der Welt in einem für alle Seiten einträglichen Zusammenleben zu kommen?

Unabhängig davon, mit welchem Themenkomplex man beginnt, ob Individuum, Stadt, Staat, Konsum, Außenpolitik – was auffällt, ist die Abseitigkeit der Themen, mit denen wir täglich förmlich bombardiert werden. Katastrophen, soweit das Auge der Aufmerksamkeit reicht, Feinde hinter jeder Mauer, Restriktionen gegen alle, die der Einfallslosigkeit derer, die glauben den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen zu können, im Wege stehen. Die vorgespiegelte Komplexität der Welt, von der selbstverständlich nur die eine Ahnung haben, die das Schiff mit Sicherheit auf den Eisberg zusteuern, ist nichts anderes, als eine bewusste Flutung der Hirne mit Belanglosigkeiten, die vom Wesentlichen ablenken sollen. Nennen Sie einen Bereich, einen wissenschaftlichen Diskurs, eine politische Debatte, in der es um die wesentlichen Grundlagen einer Gesellschaft und der Rolle der Individuen in ihr geht!

Deshalb gelten in den Augen der technokratischen Dilettanten die Konzepte eines Platon oder Sokrates, eines Konfuzius oder Lao Tse als Geschwätz von gestern. Und bevor der Verdacht aufkommt, man könne sich nur mit den tatsächlich existenziellen Fragen beschäftigen, wenn man die Genannten studiert hat: Es hilft, ist aber nicht erforderlich. Wichtig ist, einen Schlüssel für die tatsächlich wichtigen Fragen zu erwerben. Alles zu hinterfragen, womit man konfrontiert wird. Ist diese Information für mich wichtig? Was bedeutet sie, um meinen Alltag zu gestalten? Führt sie uns als Gemeinwesen in eine Richtung, auf der wir uns über eine Strategie verständigen können? 

Am besten ist es, Sie stellen diese Fragen nicht nur sich selbst, sondern auch denen, die vorgeben, alles zu wissen und die Vorgänge auf der Welt zu begreifen, während ihnen gleichzeitig nichts gelingt, was für Sie von Bedeutung wäre! 

Reduktion auf das Wesentliche!

Nicht aufregen! Notizen machen!

Was machen, wenn selbst in den Nachrichten keine Gewissheit mehr herrscht. Dort wimmelt es von Formulierungen, die nur eines als gesichert vermitteln: die Spekulation. Alles ist umstritten, dieses ist wohl so, oder einfach nur vermeintlich, so von einer ungesicherten Quelle verbreitet, natürlich kann niemand irgend etwas verifizieren. Und hinzu kommt, dass zwischen den offiziellen Statements derer, die da vermeintlich für die gemeinsame Sache unterwegs sind und dem, was sie hinter verschlossenen Türen beraten, Welten liegen. Niemand weiß genaues. Das aber mit Inbrunst.

Da gibt es dennoch die einen, die das alles für bare Münze nehmen, sich offiziell des Lebens freuen und nur ganz selten, mit der einen oder dem anderen Vertrauten, unter dem Stempel der Verschwiegenheit, Zweifel anmelden. Nach außen hin sind sie sich jedoch sicher. Bloß nicht den Anschein erwecken, dass da irgend etwas aus der eigenen Anschauung nicht koscher sein könnte. Das wäre lebensgefährlich. Denn es führte dazu, dass man nicht mehr dazugehört. Zur verschworenen Gemeinschaft der intakten Illusion.

Und es existieren andere, die ihrerseits bei jeder Spekulation, die sie erreicht, einen anderen Zweifel hegen. Nämlich den, dass das Verwegene nicht weit genug geht. Dass alles, was die Feindbilder angeht, noch schlimmer,  weitaus schlimmer ist, als gedacht und dass die eigenen Verfehlungen nichts anderes sind als das vergebliche Bemühen der feindlichen Propaganda, das eigene Nest zu beschmutzen. Sie sind die Gewinner der Stunde und die mentalen Krieger bis zur bitteren Neige. Sie gehören zu denen, denen Konfuzius riet, wenn sie sich aufmachten auf ihren Kriegspfad, sollten sie nicht vergessen, vorher zwei Gräber auszuheben: eines für den Feind und eines für sich selbst. Dass sie in der gegenwärtigen medialen Übermittlung Heldenstatus genießen, lässt eine Prognose zu: gut ausgehen wird es mit ihnen nicht.

Und dann gib es noch die, denen von Anfang an die laut tönenden, durch spekulative Formulierungen vermittelten Gewissheiten suspekt waren. Sie versuchten, mit dem, was sie gelernt hatten, das ganze Tamtam zu dechiffrieren und sie kamen sehr schnell zu dem Schluss, dass da ein Spiel gespielt wird, dass mit den eignen Interessen und mit mit den offiziell deklarierten Zielen nicht viel gemein hat. Dass da eine Agenda herrscht, die nicht denen dient, um die es vermeintlich geht. Weder um die völlig zu Unrecht Überfallenen noch um die überall da unten, für die doch so viel getan werde. Sondern um die, die immer nur eine Agenda haben, die so tradiert wie primitiv ist: Geld verdienen, möglichst viel, egal zu welchem Preis, Hauptsache, man zahlt ihn nicht selbst.

Dass ausgerechnet diese dritte Gruppe zum Hauptfeind deklariert wurde, ist letztendlich der Beweis für ihre richtige Einschätzung. Wer so mobilisiert gegen eine auf logisches Denken und eine friedlich formulierte Kritik, der ha sich selbst entlarvt. Inquisition gegen Demokratie? Ja, so sieht es aus. Schauen Sie genau hin!

Und dass die Kritik an der Kritik immer banaler wird, dass da sowohl von den Funktionären wie den Messengern mit Attributen um sich geworfen wird, die die Kritik als das Werk schlechter Laune, grenzenloser Dummheit oder die bezahlte Propaganda des Feindes bezeichnet, ist ein weiteres Indiz. Von den vermeintlichen Nachrichten bis zum gehypten „politischen Kabarett“, die Liste der Delinquenten ist lang. 

Um Talleyrand zu zitieren, einen, der alle Stürme überlebt hat: Nicht aufregen! Notizen machen!  

Es kommt, wie es kommen muss!

„Da steh ich nun, ich armer Tor. Und bin so klug als wie zuvor!“ Die Chinesen, so hört man immer wieder, lesen Goethe, um das Wesen der Deutschen besser verstehen zu können. Den Deutschen scheint es in Bezug auf die Chinesen zu reichen, ab und zu den Tiraden eines in den Massage-Salons Pekings wohl bekannten windigen Journalisten zu lauschen. Mehr braucht man eigentlich nicht, um einem Phänomen auf die Spur zu kommen, unter dem das Gros in diesem Lande leidet. Es handelt sich einerseits um ein sich immer selbst bestätigendes Weltbild, das davor bewahrt, sich bemühen zu müssen und das davor schützt, bittere Wahrheiten zu identifizieren. Das, was einmal als die Fähigkeit kritischer Betrachtung bezeichnet wurde, hat sich in anderen Jahrhunderten abgespielt, ein Kriterium des momentanen Zustandes ist es nicht. 

Im Hinblick auf die anstehenden Wahlen lässt sich das Zitat aus dem Faust sehr gut anwenden. Nie war öfter zu hören, man sei einfach ratlos, was die Entscheidung für eine Partei beträfe. Eine Erklärung dafür ist gar nicht so schwer. Denn das, was viele Menschen bewegt, war gar nicht Gegenstand dessen, worüber ununterbrochen berichtet wurde. Dabei wäre es einfach gewesen, auf den richtigen Pfad zu kommen. Spitzenreiter der Sorge, das zeigen Umfragen deutlich, ist die soziale Ungleichheit und die daraus resultierende Spaltung der Gesellschaft. Irgendwann danach kommt die Frage des Klimawandels. Was ausgespart bleibt, ist das Thema Krieg und Frieden. Da schweigen sich die Parteien wie die Bevölkerung unisono aus, wahrscheinlich aus Furcht, das Auge des Hurricans könnte das ganze Wunschgebäude einer gesicherten Existenz mit einem Zug zerschmettern. Diese Furcht ist berechtigt.

Am Lohntag, so höhnten einst die patriarchalisch auftretenden Kapitalisten, am Lohntag wird sich zeigen, wer gebummelt hat. Angewendet auf das eigene Vorgehen, sind wir genau an diesem Punkt angelangt. Es ist Lohntag, und es zeigt sich, wo überall gebummelt wurde: In Bezug auf die erschreckend um sich greifende Armut, in Bezug auf die veraltete Infrastruktur, in Bezug auf die Bildungsinstitutionen und ihre Inhalte, in Bezug auf die Konzentration der Medien, in Bezug auf Krieg und Frieden, in Bezug auf Investitionen in neue Technologien und in Bezug auf einen Ausbau demokratischer Autonomie. Alles, was ein souveränes Gemeinwesen ausmacht, das dem Sturm großer Veränderungen ohne Furcht entgegentreten kann, wurde unterlassen. Stattdessen hat man auf das alte protestantisch-preußische Diktum von Regel und Sanktion gesetzt.

Wer da nicht fundamental etwas ändern will, der hat in der Zukunft nichts zu suchen. Das Beruhigende dabei ist, dass nicht Wahlen so etwas entscheiden, sondern die Geschichte. Und die ist dabei, ihren Lauf dramatisch zu beschleunigen. Insofern können alle, die sich derweil über die täglich wiederholten Phrasen aus einem langweiligen Wahlkampf beklagen, sehr schnell erlöst werden, denn alles das ist schon ab kommenden Montag Makulatur. Ob sich etwas an dem Zustand ändert, wie in den letzten Jahren regiert wurde, ist zweifelhaft. Was fehlt, und zwar überall, ist der Wille, den harten Realitäten ins Auge zu sehen und daraus eine Strategie abzuleiten, die den Modus des Auf-Sicht-Fahrens hinter sich lässt. Neben der Verdrängung der essenziellen Themen von Krieg und Frieden im Innern wie im Äußeren ist man sich in einem Punkt allerdings einig: Wenn es schief läuft, dann waren es immer die anderen.   

Die Chinesen, die so gern und eifrig Goethe lesen, kennen selbstverständlich auch Konfuzius. Unter anderem lehrte der, dass eine unstete, brüchige und fragwürdige Lebensführung des Individuums in Summe zum Chaos im Gemeinwesen führt. Und ist auch der Mephistopheles aus besagtem Faust ein Begriff: 

„Ich bin ein Teil von jener Kraft, 

Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. … 

Ich bin der Geist, der stets verneint! 

Und das mit Recht, denn alles, was entsteht, 

Ist wert, dass es zugrunde geht; 

Drum besser wär´s, dass nichts entstünde. 

So ist denn alles, was ihr Sünde, 

Zerstörung, kurz das Böse nennt, 

Mein eigentliche Element.“

Aber was soll’s! Wir haben Ulf Röller und Maybrit Illner! Wird schon gut gehen.