Schlagwort-Archive: Kommunikation

Kritische Infrastruktur?

Aus der Perspektive eines Landes über kritische Infrastruktur zu sprechen, ist grundsätzlich eine vernünftige Sache. Solange sich die Welt so darstellt, wie zur Zeit, in der konkurrierende Systeme nicht nur wie bei olympischen Spielen in einem gemeinsamen Sportsgeist miteinander konkurrieren, sondern kein Mittel scheuen, um die Mitkonkurrenten um Vorherrschaft, Märkte, Ressourcen und geopolitische Vorteile zu schwächen, bis hin zum Krieg, sollte der Aspekt der Sicherung der eigenen kritischen Infrastruktur eine wichtige Rolle spielen. Dabei muss es um die Sicherung von Produktion, Distribution und Kommunikation gehen.

Die momentane Debatte um Aspekte der kritischen Infrastruktur vermittelt einen Charakter, der sofort Misstrauen erweckt, weil zumindest Teile derer, die das Thema anschneiden, bis hin zur bewussten Zerstörung der eigenen kritischen Infrastruktur gehen. Um es auf den Punkt zu bringen: sie bewegen sich bereits an der Schwelle zum Landesverrat und auf einem Sektor haben sie ihn bereits begangen. Denn wer mit dem Argument der Sicherung kritischer Infrastruktur ins Feld geht und dabei ist, die Zerstörung derselben zugunsten anderer Staaten zuzulassen, ohne dagegen vorzugehen, und nur dann die Karte zieht, wenn es um die Stabilisierung von Feindbildern eines anderen Staates geht, der ist Kriegspartei gegen das eigene Land.

Um konkret zu werden: Im Bereich der Kommunikation existiert keine eigene Infrastruktur mehr. Das gesamte Nachrichtenwesen ist in die Hände von Think Tanks gegeben worden, die ihrerseits nach den außenpolitischen Interessen der USA ausgerichtet sind. Organigramme über den Grad dieser Verflechtung liegen seit Jahren vor, kein politisches Thema wird ohne die offene und prominente Einschätzung dieser Think Tanks in den öffentlich-rechtlichen wie den privaten, monopolisierten Nachrichtenorganen aufbereitet. Nationale, bundesrepublikanische Interessen? Fehlanzeige. Die Steuerung des öffentlichen politischen Diskurses findet woanders statt.

Und dass die momentan heiß diskutierte Beteiligung der chinesischen COSCO (China Overseas Shipping Company) an einem Terminal im Hamburger Hafen derartig gepuscht wird, liegt gerade an dieser Art von Fremdsteuerung. Wenn man bedenkt, dass zur gleichen Zeit eine Anfrage aus dem Bundestag zu der mutwilligen Zerstörung der Ostseepipelines Nordstream, dem zweifellos schwersten Sabotageanschlag auf physische kritische Infrastruktur seit Bestehen der Bundesrepublik, mit der lapidaren Formulierung abgewiesen wird, dass höhere Interessen die Beantwortung der Frage um die Täterschaft verböten, dann bekommt man eine Ahnung davon, wie es tatsächlich um den Schutz der kritischen Infrastruktur bestellt ist.  

Die Risse innerhalb der Bundesregierung sind offensichtlich. Das Vorgehen der Vertreter der Grünen spricht dafür, dass sie aktiv dabei sind, die kritische Infrastruktur des eigenen Landes für die geopolitischen Interessen der USA zu opfern. Eine offene Thematisierung dieses Umstandes wäre das sofortige Ende der bestehenden Regierungskoalition. Es ist davon auszugehen, dass dieser Zeitpunkt naht, weil die die Grünen im Blutrausch des Vasallentums dabei sind, alles, was die eigene Souveränität anbetrifft, bewusst weiter zu demontieren. 

Die kritische Infrastruktur des Nachrichtenwesens ist bereits dahin, die physische der Energieversorgung ist kurz vor dem Kollaps und die der Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigen Gütern ist bereits im Fadenkreuz. Es mutet an wie ein Treppenwitz der Geschichte, dass das ein weiterer Appendix dieser geopolitischen Subalternfunktion, die EU-Administration, momentan von einem Marshall-Plan für die Ukraine spricht, während für Deutschland, ohne es offen auszusprechen, der Morgenthau-Plan reaktiviert wird. Der erste Schritt, um die kritische Infrastruktur zu sichern, ist es, diese politischen Kräfte aus der Verantwortung zu entlassen.

Bis zur Kontur einer Fratze

Auf den Globus bezogen ist es endemisch, im sich als freien Westen definierenden Teil muss es als epidemisch bezeichnet werden. Es geht um das Nicht-Vorhandensein einer Fähigkeit, die als Grundvoraussetzung einer jeglichen Kommunikation zu bezeichnen ist. Es geht um das Vermögen, sich in die Lage des Gegenübers zu versetzen, nicht, um die Perspektive des Anderen zu adaptieren, sondern um die Sichtweise zu verstehen. Und es kann als Indiz für die kritische Lage des Westens gesehen werden, dass diese Fähigkeit nicht mehr vorhanden ist. Von renommierten Historikern bis zu Chefdiplomaten lässt sich die Malaise dokumentieren. Alle scheinen dem Wahn des vorherrschenden Moralismus verfallen zu sein. 

Wenn sie auf gegensätzliche Sichtweisen stoßen, die aufgrund unterschiedlicher historischer Erfahrungen, andersartiger kulturell bedingter Ethik entspringen oder aus einer spezifischen Interessenlage resultieren, geht man zunehmend im Westen davon aus, es mit Feinden der Menschheit, psychotischen Individuen oder Diktatoren zu tun zu haben. Das Bequeme an dieser Haltung ist die Vermeidung von Kontroversen im eigenen Lager und die Gewissheit, für die eigene Kompromisslosigkeit auch noch kollektiv gefeiert zu werden. Das Verheerende dieser Sichtweise und Haltung ist die zunehmende Isolation in einer vielfältig vernetzten Welt. Die Lage hat sich zugespitzt. Was hier an getwitterten Statements von irregeleiteten Diplomaten und Politikern gefeiert wird, löst im Rest der Welt Kopfschütteln aus. Selbst die Wohlmeinendsten runzeln besorgt die Stirn und fragen sich, was sich denn da ereignet hat auf den historischen Schollen der Aufklärung. Wo einst Licht war, ist es heute stockfinster.

Die nahezu kollektive Unfähigkeit, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen und sich in die Sichtweise der anderen Akteure in einer globalisierten Welt hineinzuversetzen, hat zu einer moralischen Verurteilung aller geführt, die sich nicht der eigenen Programmatik anschließen. Das Tragische an dieser Entwicklung ist nicht nur die zunehmende Isolation vom Rest der Welt, sondern auch die wachsende Unfähigkeit, von woanders stattfindenden Entwicklungen zu lernen. Wenn man so will, steht der Westen bereits auf dem Abstellgleis, ohne es zu merken. Ganz im Gegenteil! Die Begeisterung über die eigenen Taten und die als auf Sicht fahren bezeichneten Wursteleien verstellen den Blick auf die ohne jeden Zweifel vorhandenen Leistungen anderer. 

Im Rausch der Gelddruckmaschinen, mit denen eine Wohlstandsfülle simuliert wird, die auf Blasen beruht, wiegt man sich in Sicherheit und immer auf der richtigen Seite. Das alleine wäre schon fatal genug, wenn nicht noch hinzukäme, dass man angesichts der ungeheuren Geldmengen, die in die Investition von Rüstungsgütern fließen, meint, die Option zu haben, auf Konfrontation, auch militärischer Art, setzen zu können. Im Übrigen eine fatale Selbsteinschätzung, die niemand hinter vorgehaltener Hand mehr beklagt als die Verantwortlichen aus dem Militär selbst. Es würde nicht wundern, wenn ausgerechnet aus diesem Lager irgendwann die Stimme der Ratio spräche und den moralistischen Brandstiftern die Rote Karte zeigte. Das wirkte wie ein inszenierter Schock, wenn die gepriesenen Bürger in Uniform der heiligen Inquisition der Neuzeit die Leviten läsen!

Das Befremdende und letztendlich Groteske ist die Tatsache, dass eine politische Kultur, die nach zwei Weltkriegen und kolonialen Plünderungszügen einst beschwor, sich gegen analoge Entwicklungen stets stellen zu wollen, mittlerweile schlimmere Konturen annimmt als ihr negatives historisches Beispiel. Da herrschten Einfalt, Großmannssucht und Gewalt. Es wird weitergetrieben, bis zur Kontur einer Fratze.

Kommunikation und Meinungsbildung

„Wie eine Meinung in einem Kopf entsteht“ war der Titel einer Schrift E.A. Rauters aus dem Jahr 1971 (1). In ihm befasste sich der Autor mit dem Phänomen der Meinungsbildung unter dem Aspekt politischer Manipulation. Und obwohl sich seither sehr vieles verändert hat auf dem Sektor von Information und Kommunikation, treffen viele seiner Beobachtungen immer noch ins Schwarze. 

Neben den Faktoren der Meinungsbildung durch den gezielten Einsatz von Information und Sprache ist die Wirkung der Kommunikationsmedien selbst eine andere geworden. Das, was Marshall McLuhan mit dem Satz „das Medium ist die Botschaft“  so avantgardistisch und treffend beschrieb (2), ist heute zu einem Massenphänomen mit Wirkung geworden. Das Ding an sich, als Beispiel das Smartphone, ist zu einem Statussymbol avanciert. Und Statussymbole haben zumindest bei denjenigen, die ihm diesen Wert zuweisen, eine erotische Wirkung.

Neben der Technik der Meinungsbildung und dem Instrument der Verbreitung hat der Besitz, seinerseits ein archaisches Phänomen des Kapitalismus, seine Position trotz aller Revolutionierungen der Lebenswelten beibehalten und verteidigen können. Mit der Monopolisierung der Kommunikationsmedien bei dem, was in der Schlacht um die Bedeutungshoheit Mainstreammedien genannt wird, hat der archaische Kapitalismus gepunktet. Die großen Printmedien und deren Internetportale befinden sich nur noch in den Händen weniger, gleich dem Monopol auf Südamerikas Silberminen zur Zeit der kolonialen spanischen Krone. 

Diejenigen, die sich in den Silberminen der heutigen Meinungsbildung verdingen, sind analog zum feudal-kolonialen Modell in zwei wesentliche Gruppen zu unterteilen. Zum einen die hoch bezahlten und gleich Provinzfürsten dotierten Chefideologen, die zumeist einer der amerikanischen Think-Tank-Schmieden entstammen. Sie verdienen sich im Prozess der Manipulation und Propaganda goldene Nasen, gehören in Habitus und Verkehrsform zur Nomenklatura des Staates und gelten als Mindsetter des Gewerbes. 

Ihnen steht ein Heer hoch qualifizierter und schlecht bezahlter Schreiberinnen und Schreiber gegenüber, die entfremdete Arbeit leisten müssen. Sie beschäftigen sich nur noch, unter der Bedingung von Werk- und Zeitverträgen, mit der Fertigung von Textfragmenten, deren Kontext zumeist im Dunkeln bleibt. Selbst das affirmative Fragment geht ihnen gegen den Strich, doch auch für sie gilt, dass erst das Fressen kommt, und dann die Moral.

Das, was Balzac in den „Illusiones Perdues“ (3) als das Wesen des modernen Pressewesens im Paris des neuzehnten Jahrhunderts so treffend beobachtete, die Funktion der Nachricht als eine kapitalistische Ware, die unabhängig von Ethik, Wert und Moral den gleichen Produktionsbedingungen unterliegt wie etwa eine Werkbank, hat sich bis heute nicht geändert. Information wird gemacht und muss verkauft werden. Was sich geändert hat, ist die Qualität der Rezeption bei denen, die letztendlich mit der Information versorgt werden.

Zu warnen ist auch hier vor einer neuen Illusion. Weder hat sich das kritische Bewusstsein von einem hohen Niveau der frühen Tage des Presse- und Medienwesens zu einem heute degenerierten Konsumverhalten herab bewegt, noch ist davon auszugehen, dass die Demokratisierung von Wissen in einer bestimmten Phase der bürgerlichen Gesellschaft dazu geführt hat, dass in den frühen Tagen des Kapitalismus unreflektierte Analphabeten standen, während heute die kritische Reflexion als Massenphänomen beschrieben werden könnte.

Auch hier kann festgehalten werden, dass die Gesellschaft, von der wir sprechen, ihren Charakter nicht geändert hat. Sie ist gespalten in Arm und Reich, und die Zugänge zu Bildung korrelieren größtenteils mit der sozialen Kategorie, der man angehört. Die Einflussnahme auf den Homo sapiens funktioniert wie eh und je, und die Mechanismen, die angewendet werden, sind leicht zu durchschauen. Wirkungsvoll sind sie dennoch, und daher finden sie Anwendung.

Selbst das Neue, welches dem Kommunikationszeitalter zugeschrieben wird, der noch demokratischere Zugang zu essenziellem Wissen und der Quantensprung in der Bildung, ähnelt einem längst bekannten Rondo. Beim Radio und später beim Fernsehen wurde analog argumentiert. Die Massenverbreitung erfolgte über die Stimulation mit dem Bildungsgedanken. Als die Ausstattung mit diesen Medien Standard war, verschwand das Bildungsargument und es folgte der Trash. 70 Prozent all dessen, so die aktuellen Expertisen, was im Internet an Information ausgetauscht wird, wird von keinem Bildungskanon gedeckt. Es handelt sich um die Informationsware, die aus den Pathologien einer zunehmend degenerierenden Zivilisation entspringen: Gewalt, Pornographie und Nonsense. 

Bei der Betrachtung dessen, was die Meinung im Kopf eines jeden Einzelnen herausbildet, sind die Massenphänomene in Bezug auf die entwicklungs- und lernpsychologischen Aspekte keineswegs genügend gewürdigt. Im Gegensatz zu den Botschaften des Marketings für die neue Welt der Kommunikation und ihrer Apparate sind die Aspekte der Verkümmerung von Fähigkeiten und Fertigkeiten des Individuums längst nicht genügend dokumentiert.

Fest steht, dass Gedächtnis, räumliches Denken und die eigene Mobilität bis dato deutlich gelitten haben. Fest steht auch, dass neue Psychopathologien und neue Formen des Suchtverhaltens Einzug in das menschliche Dasein genommen haben. Des Weiteren ist die Botschaft, die Dezentralisierung von Wissen fördere die individuelle Autonomie, schlichtweg auf die Klassenfrage geschrumpft: Während die finanziell Saturierten diese Botschaft ausleben können, werden die immer noch zu abhängiger Arbeit Verpflichteten mehr zum Anhängsel der Maschine als je zuvor. Algorithmen und Compliance sorgen dafür, dass der anonyme Wille, der sich dahinter verbirgt, stärker ist als das individuelle Schicksal, das die dystopische Degenerierung zum Objekt der Maschine selbst erleiden muss (4).

Die Theorie der Kommunikation, das Herzstück dessen, das dem Zeitalter seinen Namen gibt, kommt ihrerseits zu Erkenntnissen, die das ganze Gebilde in seinem Fundament erschüttern. Die Erkenntnis ist banal, beschreibt aber sehr gut, um was es geht. Primordial für eine jede gelungene Kommunikation sind weder die technischen Anlagen noch die Sprachkompetenz, sondern eine gemeinsame Intentionalität (5). Nur wenn alle Seiten wollen, dass Kommunikation funktioniert, kann sie auch funktionieren (6). Dieser gemeinsame Wille schwindet. Begründet ist dieses in dem radikal geringer werdenden Vertrauen in diejenigen, die vorgeben, kommunizieren zu wollen. Doch wer lediglich Meinung bilden will, will nicht kritisch kommunizieren. Und wer nicht kommunizieren will, bekommt als logische Antwort dasselbe Verhalten. 

  1. E.A. Rauter, Wie eine Meinung in einem Kopf entsteht oder das Herstellen von Untertanen, München 1971
  2. Marshall McLuhan, Understanding Media, 2001 
  3. Honoré de Balzac, Verlorene Illusionen, Berlin 1996
  4. Ernst Bloch, Subjekt, Objekt. Erläuterungen zu Hegel, Frankfurt am Main 1985
  5. Michael Tomasello. Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2011. 
  6. Michael Tomasello. Warum wir kooperieren, Berlin 2010.