Irgendwann zahlt es sich aus, wenn nirgendwo, in keiner Instanz, auf etwas geachtet wird, das im Arbeitsleben den Namen des Anforderungsprofils trägt. Letzteres beschreibt, kurz gesprochen, das Wissen und Können, welches vorhanden sein muss, um eine bestimmte Aufgabe wahrnehmen zu können. Organisationen, die sich die Mühe machen, diese Anforderungen genau zu beschreiben und darauf achten, dass bei einer Einstellung oder Besetzung eine weitgehende Deckungsgleichheit zwischen Anforderung und Befähigung besteht, stehen in der Regel von ihren Ergebnissen gut da.
In Unternehmen gibt es zur Wahrnehmung dieser Aufgabe eigene Einheiten, bei anderen Organisationen sind es einzelne Menschen oder bestimmte Traditionen, die darauf achten, dass sich nicht Menschen in Aufgaben verirrten und dadurch der Organisation wie sich selbst Schaden zufügen. In der Geschichte der Republik haben in der Regel auch Parteien darauf geachtet, dass die bestmögliche Person ein Mandat oder Amt bekam. In der Regel. Wie überall sonst auch, gibt es immer wieder Unfälle oder bewusste Beeinflussungen, die von guten Methoden abweichen und, wiederum in der Regel, zu großem Schaden führen können.
Der in diesen Tagen immer wieder glorifizierte Wertewandel hat in den letzten Jahrzehnten, die tief geprägt waren von einer Abkoppelung öffentlicher Aufgaben von dem Gedanken an das Gemeinwohl und aus jedem nur erdenklichen gesellschaftlichen Wirkungsfeld einen Kaufmannsladen gemacht haben, eine Tendenz mit sich gebracht, die das System von innen heraus marodiert: die Aufgabe des Leistungsgedankens.
Vor allem in Verwaltung und Politik stand nicht mehr die Frage im Vordergrund, ob Kandidaten für bestimmte Funktionen das können, was die Funktion von ihnen verlangt. Nein, immer mehr keimte der Gedanke auf, dass es entscheidend ist, ob sie sich wünschten, diese Position zu erreichen. Wenn die formalen Verfahrensvoraussetzungen gewahrt wurden, d.h. wenn die Stimmenmehrheit gewährleistet war, galt die Entscheidung als legitim.
Wie gesagt, Grund zur Kritik gab und gibt es immer. Eine qualitativ neue Sachlage erfordert mehr als einen Widerspruch aus Routine. Denn bei der Betrachtung des handelnden Personals in öffentlichen Ämtern und Organisationen beschleicht doch der Verdacht, dass der Paradigmenwechsel von Leistung zu Wunsch bereits erfolgreich abgeschlossen wurde. Wie anders könnte es sein, dass die Leitung eines Landes, das wirtschaftlich und politisch tief eingebunden ist in einen Prozess globaler Vernetzung und damit verbundener Interdependenzen mit einem Personal um die Ecke aufwartet, das seinerseits provinzieller im Denken nicht sein könnte und außer einer blinden Loyalität gegenüber einem einzigen Global Player, der zudem konsequent seinen eigenen Interessen ohne Rücksicht auf das eigene Gefolge nachgeht, nichts in seinem Leistungsportfolio aufzuweisen hat.
In Unternehmen, die sich in harter Konkurrenz behaupten müssen, wäre eine derartige Nachlässigkeit sehr schnell mit dem Ende der eigenen Existenz verbunden. Und in der Politik? In einer global vernetzten Welt, in der sich die Machtzentren merklich verschieben und in der die Karten der zukünftigen Kooperation neu gemischt werden? Kann es sich ein Land in dieser Situation tatsächlich leisten, mit provinziell geprägtem Personal und charakterlicher Untertanenmentalität die Zukunft gestalten zu wollen?
Die Antwort liegt auf der Hand. Wenn Sie an der Argumentation zweifeln, dann lassen Sie sich das mit dem Anforderungsprofil noch einmal durch den Kopf gehen! Lassen Sie es sich vielleicht auch nochmal von den Fachleuten in ihrem Betrieb erklären! Und dann sehen Sie sich das handelnde politische Personal an! Und Sie werden auf das Dilemma von Wunsch und Leistung stoßen!
