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Geplatzter Kragen

Menschen, die an das Gute glauben, werden zunehmend enttäuscht. Als hätte ein nichts ahnender Kretin eine brennende Kippe in eine Scheune voll trockenen Strohs geworfen, lodern die Flammen des Entsetzens im sowieso schon schon dunklen Himmel. Was sich da an wirren Bildern abzeichnet, müssen sich die armen Betrachter erst einmal zusammenreimen. Verzerrte Physiognomien, glitzernde Bürokonstrukte und wummernde Regierungsgebäude. Erst kommt ein kleiner Parvenü daher und lässt sich von amerikanischen Firmen für seine hoch qualitative Beratung fürstlich honorieren. Dann sacken andere Abgeordnete des höchsten Hauses Tantiemen ein, als es um die Vermittlung von Masken ging. Es folgt ein Bundestagspräsident, der die Offenlegung derartiger Aktivitäten verhindert, indem er auf den Datenschutz verweist. Dann war da ja auch noch Wirecard, ein Unternehmen, das durch Luftbuchungen Anleger wie Fiskus böse hinter das Licht führte, seinerseits allerdings beste Referenzen von renommierten Wirtschaftsprüfern bekam. Und nun poppt die Pleite der Bremer Greensill Bank auf, die ebenso makellose Testate von Wirtschaftsprüfern bekam. 

Wenn der flackernde Schein nicht trügt, werden noch weitere Dinge zu Tage treten, die das schöne Bild von einem geordneten, auf Recht und Gesetz basierenden politischen System bis zur Unkenntlichkeit in dreckigem Rauch verhüllen. Der Verdacht drängt sich auf, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt, in denen missratene Charaktere ihre politische und gesellschaftliche Stellung dazu nutzten, um eine wie auch immer erklärbare Gier zu befeuern, unabhängig wie die Wirkung auf das staunende Publikum. Was bei ihnen auffällt und wovon alle berichten, die diese Figuren über einen längeren Zeitraum aus der Nähe beobachten konnten, ist die Offenheit, mit der sie ihre Machenschaften verfolgten und ihre Immunität gegen das, was der gemeine Mann und die gemeine Frau als moralische Bedenken bezeichnen würden. 

Dass in einer bestimmten Kohorte immer auch Exemplare dabei sind, die von der Norm abweichen, ist ein Allgemeinplatz der Soziologie. In funktionierenden Sozialsystemen ist es allerdings auch so, dass sich der Rest schnell und deutlich von ihnen distanziert, weil er weiß, dass der systemische Schaden verheerend sein wird, wenn das nicht geschieht. Schweigt jedoch der große Teil der Kohorte und sucht gar die Machenschaften der Delinquenten zu vertuschen, dann wird die Krise existenziell. Und selbst die personifizierte Gutgläubigkeit ist, nach dem ersten Schock und der ersten Enttäuschung, dazu verleitet, dass es sich bei der der unappetitlichen Mischung aus Korruption, Kollusion und Nepotismus ihrerseits um den wahren Charakter dessen handelt, von dem man glaubte, es sei der große Wert, auf dem alles ruht. Und wenn dann noch genau diese Art der kriminellen Syndikalisten anfangen von Werten zu faseln, dann ist es dahin mit der Geduld.

Ein Schluss, der in unseren Breitengraden in solchen Augenblicken immer wieder aufblitzt, ist der, dass Politik an sich eine schmutzige Sache sei. Das, so sei all den Enttäuschten deutlich gesagt, ist allerdings die dümmste aller Reaktionen. Das ist die weiße Flagge, die endgültige Kapitulation vor denen, die den Verdruss bereiten. Politik ist die grundlegende Notwendigkeit, um gesellschaftlich neue Wege zu gehen, wenn dies erforderlich ist. Und dass dem so ist, zeigen im Moment genau die Elemente, die durch ihre Impertinenz und Selbstsicherheit überführt worden sind. Und, damit der Zorn nicht destruktiv wird und sich wohl möglich als Selbsthass organisiert, weil geglaubt wird, man könne sowieso nichts ändern, kann versichert werden: auch ein geplatzter Kragen kann ein gutes Entree für einen Neuanfang sein!