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Paris, Istanbul, Jakarta

Fast wöchentlich wird die traurige Bilanz aktualisiert. Der geographische Teppich, der durch Akte des Terrors entstanden ist, dokumentiert ein weltweites Phänomen. Weder der Osten noch der Westen, weder der Süden noch der Norden sind ausgespart. New York und Boston, London und Madrid, Bagdad und Daressalam, Jakarta und Paris, Istanbul und Karachi, Moskau, Beirut und Lagos. Ein Blick auf die Weltkarte zeigt, dass allenfalls Kanada, Australien und der südamerikanische Kontinent von dem verschont worden ist, was als islamistischer Terror identifiziert wird.

Unabhängig von der Geographie, die bestätigt, genauso wie die Statistik, dass die Opfer des Terrors nicht mehrheitlich dem westlich-weißen Kulturkreis entstammen, sondern genau der Welt, aus der heraus dieser Terror organisiert wird. Das Signet Islamismus sollte aufgrund von Genese und tatsächlicher Struktur nicht länger verwendet werden.

Dass die Verbreitung des Islam immer auch wieder mit dem Schwert vonstattenging, sollte Christen nicht sonderlich beunruhigen, denn diese Methode ist im Christentum selbst in hohem Maße kultiviert worden. Und die Domestizierung des Christentums in zivilisatorischer Hinsicht entstammte einer Säkularisierung des Denkens, dass aus der Aufklärungsbewegung heraus und gegen die institutionelle Kirche entwickelt wurde. Die Voraussetzungen von Aufklärung war allerdings die Verwissenschaftlichung aller Lebensbereiche und eine fortschreitende Industrialisierung. Dieser Prozess, der im Abendland ca. 400 Jahre dauerte, steht zu einem großen Teil in der Welt, in der der Islam die monotheistische Religion darstellt, noch aus.

Die Figuren, die in der islamischen Welt eine tragende Rolle spielen und die Politik beherrschen, entstammen weder verwissenschaftlichten noch industrialisierten Verhältnissen, sondern aus agrarisch-plebejischen oder despotisch-bürokratischen Milieus, die mit dem, was Aufklärung genannt werden könnte, nichts im Sinn haben. Sie werden geleitet von archaisch-paternalistischen Weltbildern, die sich im Wesentlichen um Macht, Status und Einfluss drehen. Sich darüber erheben zu wollen ist müßig, es ist kein Verdienst, in einem anderen Teil der Welt, der eine andere Entwicklung durchlaufen hat, geboren zu sein. Es wird allerdings ein Verdienst, wenn die Anstrengung zum Erfolg wird, den Prozess der Zivilisation auch andren zugänglich zu machen, sofern sie dieses so sehen und so wollen.

Allerdings wird die Existenz innerhalb bürgerlich-zivilisierter Gesellschaften eine Bedrohung für diese selbst, wenn sich Teile daraus ein archaisch geformtes Beuteschema zu eigen machen und alles tun, um ihren Durst nach Macht, Status und Einfluss zu stillen. Mit allen Mitteln. Koste es, was es wolle. Und ein Zugang zu allem, was Macht bedeutet, ist immer noch das Öl, der Brennstoff, der viele produktiven Prozesse befeuert. Und neuerdings auch seltene Erden. Es hat eine lange, dem Kolonialismus und Imperialismus innewohnende Tradition, Mitglieder aus den Gesellschaften, in denen der Schlüssel zur globalen Macht verortet ist, zu korrumpieren und zu instrumentalisieren. Die Annalen der niederländischen Ostindien-Kompanie wie des britischen Pendants für Indien sind eine Schatzkammer zur Findung von Techniken, mit denen der vermeintlich zivilisierte Teil dieser Welt seine barbarischen Ziele verfolgt.

Die wohl barbarischste Liaison unserer Tage ist die zwischen den befeuerten sunnitischen Kreuzfahrern Saudi-Arabiens und der geheimen Dienste der USA. Da trifft die letzte Sklavenhaltergesellschaft auf die Metropole der post-industriellen Gesellschaft, deren Entwicklung ohne Aufklärung und Individualisierung nicht denkbar gewesen wäre. Die Devise, mit der die Kooperation abgerechnet wird, ist das Öl. Die zivilisatorische Wirkung dieser Kollaboration ist das, was wir momentan erleben. Die Barbarei, die existiert nicht nur in einem anderen Teil der Welt, sondern auch im eigenen Kopf.

Sternstunden der Diplomatie

Die Diplomatie der Moderne wurde nicht vom Bürgertum entwickelt, sondern sie reicht zurück in das royalistische Frankreich, in das monarchistische Österreich und das erzkatholisch hegemoniale Spanien. Die großen europäischen Adelshäuser hatten ein gerütteltes Interesse daran, ihren Vorteil jenseits der Schlachtfelder dennoch zu erzielen. Neben allem, was die Geschichtsbücher an Ranküne und Spinnennetzen enthüllen, hatte sich dennoch auch ein Kodex von Prinzipien im Spiel der Kräfte etabliert, der sich als die guten Tischsitten bis in das bürgerliche Zeitalter, über die zwei Weltkriege hinaus und bis auf den heutigen Tag hat behaupten können.

Dazu gehört das selbstverständlich von den Geheimen Diensten immer wieder missachtete Prinzip der Souveränität von Staaten. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass es sich nicht ziemt, mit Teilen einer Gesellschaft, die die Politik des eigenen Staates teilen, zu fraternisieren, solange diese Meinung nicht als die offizielle dieses Landes autorisiert wurde. In heutigen Zeiten sind das demokratische Mehrheiten und daraus resultierende gewählte Regierungen. Wer dieses Gesetz missachtet, der beschädigt die Ordnung der Nationen und die Grundlagen des Völkerrechts. Nur in ganz seltenen Fällen kann es geschehen, dass sich die Staatengemeinschaft zu anderem entschließt, aber nur, wenn die gemeinsame Ordnung durch ein drittes Regime in ihren Fundamenten gefährdet ist.

Dazu bedarf es dann gemeinsamer Entschließungen, die das Vorgehen legitimieren. Was die europäische Diplomatie, angetrieben von einem tollwütigen französischen Staatspräsidenten angesichts der Entwicklungen in Libyen treibt, ist bereits skandalös genug. Um die eigenen Verstrickungen in das Treiben des Terroristen Gaddafis zu kaschieren, wurden bereits eine handvoll Staaten, darunter prominente wie Großbritannien und die USA, in eine militärische Operation verwickelt, die keinerlei diplomatischer Handlung eine Chance gab.

Das Entsagen der Bundesrepublik zu einem Militärschlag entpuppte sich, obwohl eine Isolation im eigenen Bündnis vorausging, als eine der seltenen richtigen Entscheidungen der letzten vierundzwanzig Monate. Wer jedoch gedacht hatte, es sei eine Referenz an die Gepflogenheiten des gesunden Menschenverstandes oder die politische Hygiene gewesen, der muss nun herausfinden, dass es sich anscheinend um das gehandelt hat, was ein irrsinnig schäumender Sarkozy der Bundesregierung immer offener vorwirft: nämlich nackte Angst.

Wie anders sollte es sich erklären, dass nun, nach den Wochen der politischen Isolation, ausgerechnet der Außenminister zusammen mit dem Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf dem Boden des im Bürgerkrieg befindlichen Libyen landet und ohne Mandat sowie einseitig eine Rebellengruppe als die rechtmäßige Vertretung des libyschen Volkes anerkennt. Wären da nicht die Zwänge des eigenen Bürgerkrieges, müssten die Rebellen selbst diese Intervention strikt von sich weisen, da es sich um die Verletzung des Völkerrechts genauso handelt wie um die Ramponierung des diplomatischen Kodex. Das ist das Format von Desperados und Strauchdieben, die nichts im Sinn haben als die nächste Dosis demoskopischer Daten.