Ferdinand von Schirach. Die Würde ist antastbar. Essays
Ein kleines Bändchen mit Reflexionen zu Themen der Zeit und zur eigenen Person, das vor zehn Jahren erschienenen ist, gehört in unseren Zeiten eigentlich bereits zu ständigen Remittenden. Stünde hinter dem unscheinbareren kleinen Buch nicht ein weltweit be- und geachteter Schriftsteller, der sich zu den legalen Drogen des Koffeins und Nikotins öffentlich bekennt, einen auf den Seiten der Geschichtsbücher dunklen Namen trägt und erst in seinem zweiten Leben das Schreiben zum Hauptberuf gemacht hat. Der ausgebildete Jurist Ferdinand von Schirach ist dieser Mann. „Die Würde ist antatstbar“ heißt der kleine Band, der nicht zu den Hauptwerken des Besagten zu zählen ist. Und dennoch oder gerade nach zehn Jahren sei die Lektüre unbedingt empfohlen.
Denn die Themen, die behandelt werden, sind nicht nur brandaktuell, sondern die Hinweise, die Schirach in den Abhandlungen gibt, können angesichts einer weiteren historischen Entwicklung noch einmal in einem anderen Licht betrachtet werden. Die These, dass der Terrorismus über das Schicksal der Demokratie entscheidet ist virulenter denn je, wenn man sich die Dialektik der Maßnahmen gegen die Bekämpfung unter dem Aspekt ihrer Verhältnismäßigkeit ansieht. Eine Fragestellung, die Juristen immer umtreibt, die in der Politik allerdings allzu oft dem flächendeckenden Populismus zum Opfer fällt. Oder die Frage von Vorverurteilungen, die medial permanent stattfinden, die nahezu oft die vorgesehenen Verfahren gar nicht abwarten und sogar behindern und gleichzeitig in der Lage sind, Existenzen zu vernichten. Oder die Tendenz von Staatsanwaltschaften, eine eigene Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, die ebenfalls ein faires Verfahren zu kontaminierenden in der Lage ist.
Die Brisanz der angeschnittenen Themen ist immer noch gegeben, wenn nicht sogar größer als zum Zeitpunkt ihrer Niederschrift und des Erscheinens. Da hat jemand vor Tendenzen gewarnt, die sich leider etabliert und die Idee des Rechtsstaates schwer beschädigt haben.
Zudem beinhaltet das Buch noch Aufklärungen, hinsichtlich des Schreibenden. „Über das Schreiben“ sollten all jene lesen, die denken, man setze sich hin, schreibe etwas nieder und fertig ist das Gedicht. Die Fragen zum eigenen Großvater, seinerseits der ehemalige Reichsjugendführer der NSDAP, lüften ein Geheimnis, das keines ist und seine Schilderung der Zeit im Jesuiten-Internat Sankt Blasien lassen vermuten, wie tief Disziplin und Langeweile bei der Herausbildung einer Persönlichkeit wirken können. Und das Bekenntnis zum IPad zeigt, dass ein vom Humanismus und dem Römischen Recht und der griechischen Philosophie geprägter Mensch alles andere ist, als ein analoger Eremit. Der Mann weiß, wie er sich gegen den digitalen Trash-Orkan schützen muss, um die Stringenz seines Denkens erhalten zu können.
Ferdinand von Schirach. Die Würde ist antastbar. In jeder Lebenslage gut lesbar. Tiefsinnig wie inspirierend!

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