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Koalition: Nenns Glück, mein Herz?

Verglichen mit dem als Kanzler gehandelten Zeitgenossen handelt es sich beim Gang in ein Casino um die Konsultation einer seriösen Anlageberatung. Die Fragestellung, ob er dieses oder jenes, was in den Koalitionsvereinbarungen niedergeschrieben wurde, tatsächlich bemüht ist einzulösen, hat er bereits mit dem Finanzierungsvorbehalt beantwortet. Nichts, was dort steht, gilt als gesichertes Handlungsfeld. Mit Ausnahme der Militärausgaben. Letztere werden zwar keinen Einfluss auf die Verteidigungsfähigkeit haben, denn bis das alles angeschafft wurde und durch entsprechendes Personal, das auch noch gefunden werden müsste, genutzt werden kann, wäre der von den kläffenden Bellizisten angenommene Worst Case längst eingetreten. 

Was von dieser Koalition zu erwarten ist, sind der weitere Abbau demokratischer Rechte, der Zugriff auf die noch existierenden Residuen des Sozialstaates und die Formung der Bundesrepublik zu einer schicken Kriegspartei. Wer in diesem Kontext noch von Rettung der Demokratie oder gar Staatsräson spricht, klammert sich an eine eigene, intime Hoffnung, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten nichts gemein hat. Die kommende Koalition, so sie zustande kommt, wird Krieg nach innen und außen bedeuten. Sollte die Kriegsbeteiligung nicht zu einer tatsächlichen Besatzung und Entwaffnung führen, und zwar durch Russland und die USA, dann wären die nächsten Wahlen frei für ganz andere Mehrheiten, die so sicher sind wie das Amen in der Kirche. Letzteres kann einer gewissen Klientel noch Trost spenden. Das Ende der Bundesrepublik Deutschland allerdings den meisten hier Lebenden nicht. Ob deren Mehrheit über das passive Wahlverhalten hinausgehen und sich gegen die Koalition der Liquidatoren in anderer Form wehren wird, steht noch in den Sternen.

Ich rate dazu, sich mit allen möglichen Menschen zu unterhalten. Mit denen, die man von der Straße kennt, mit Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit, mit den Menschen an der Kasse im Supermarkt, im Verein, beim Sport – egal wo. Und bitte stellen Sie nur eine Frage: Glauben Sie, dass die sich hier präsentierende Koalition in der Lage ist, das Land einigermaßen sozialverträglich in turbulenten Zeiten zu führen und es vor großem Schaden zu bewahren? Bitte nur die eine Frage!

Und die, welche sich automatisch anschließt, nämlich, ob man bei einer negativen Antwort bereit sei, sich gegen den von den so genannten Parteien der demokratischen Mitte in den letzten Jahren vertretenen Kurs des Wirtschaftsliberalismus, des Demokratieabbaus und der Militarisierung zu stellen, ist die des sprichwörtlichen Gretchens aus einer der deutschen Urschriften, dem Faust. Mit Glück allein wird es nicht getan sein, mein Herz! Denn wer die Malaise erkennt, aber nicht bereit ist, dagegen etwas zu unternehmen, der ist entweder selbstvergessen oder er vertraut höheren Mächten. 

Man kann die Lage auch anders betrachten: bei dem Personal, das sich momentan als das führende im Sinne der Volksvertretung versteht, oder, um genauer zu sein, die Rolle spielt, handelt es sich um eine Form des wertfreien Dilettantismus, wie er sich im Wind der Globalisierung herausgebildet hat. Sie als Apparatschiks oder Chaqueteros zu bezeichnen ist veraltet und nicht mehr zutreffend. Vom Wesen her sind sie nichts, von dem ein Gemeinwesen, das sich Demokratie nennt, noch profitieren könnte. Sie beherrschen Rollen, haben jedoch keinen eigenen Charakter und es läuft auf den Begriff hinaus, der in der Literatur als tote Seelen bezeichnet wird. Sehen Sie sich den Prinzen der nun verhandelten Koalition an, und sie wissen alles. Und ja, da irgendwo in den Annalen steht, die bürgerliche Gesellschaft sei mit der Aufklärung groß geworden, sei das kluge Wort Voltaires noch einmal bemüht: Ein jeder ist verantwortlich für das, was er tut. Und für das, was er unterlässt!   

Es kommt, wie es kommen muss!

„Da steh ich nun, ich armer Tor. Und bin so klug als wie zuvor!“ Die Chinesen, so hört man immer wieder, lesen Goethe, um das Wesen der Deutschen besser verstehen zu können. Den Deutschen scheint es in Bezug auf die Chinesen zu reichen, ab und zu den Tiraden eines in den Massage-Salons Pekings wohl bekannten windigen Journalisten zu lauschen. Mehr braucht man eigentlich nicht, um einem Phänomen auf die Spur zu kommen, unter dem das Gros in diesem Lande leidet. Es handelt sich einerseits um ein sich immer selbst bestätigendes Weltbild, das davor bewahrt, sich bemühen zu müssen und das davor schützt, bittere Wahrheiten zu identifizieren. Das, was einmal als die Fähigkeit kritischer Betrachtung bezeichnet wurde, hat sich in anderen Jahrhunderten abgespielt, ein Kriterium des momentanen Zustandes ist es nicht. 

Im Hinblick auf die anstehenden Wahlen lässt sich das Zitat aus dem Faust sehr gut anwenden. Nie war öfter zu hören, man sei einfach ratlos, was die Entscheidung für eine Partei beträfe. Eine Erklärung dafür ist gar nicht so schwer. Denn das, was viele Menschen bewegt, war gar nicht Gegenstand dessen, worüber ununterbrochen berichtet wurde. Dabei wäre es einfach gewesen, auf den richtigen Pfad zu kommen. Spitzenreiter der Sorge, das zeigen Umfragen deutlich, ist die soziale Ungleichheit und die daraus resultierende Spaltung der Gesellschaft. Irgendwann danach kommt die Frage des Klimawandels. Was ausgespart bleibt, ist das Thema Krieg und Frieden. Da schweigen sich die Parteien wie die Bevölkerung unisono aus, wahrscheinlich aus Furcht, das Auge des Hurricans könnte das ganze Wunschgebäude einer gesicherten Existenz mit einem Zug zerschmettern. Diese Furcht ist berechtigt.

Am Lohntag, so höhnten einst die patriarchalisch auftretenden Kapitalisten, am Lohntag wird sich zeigen, wer gebummelt hat. Angewendet auf das eigene Vorgehen, sind wir genau an diesem Punkt angelangt. Es ist Lohntag, und es zeigt sich, wo überall gebummelt wurde: In Bezug auf die erschreckend um sich greifende Armut, in Bezug auf die veraltete Infrastruktur, in Bezug auf die Bildungsinstitutionen und ihre Inhalte, in Bezug auf die Konzentration der Medien, in Bezug auf Krieg und Frieden, in Bezug auf Investitionen in neue Technologien und in Bezug auf einen Ausbau demokratischer Autonomie. Alles, was ein souveränes Gemeinwesen ausmacht, das dem Sturm großer Veränderungen ohne Furcht entgegentreten kann, wurde unterlassen. Stattdessen hat man auf das alte protestantisch-preußische Diktum von Regel und Sanktion gesetzt.

Wer da nicht fundamental etwas ändern will, der hat in der Zukunft nichts zu suchen. Das Beruhigende dabei ist, dass nicht Wahlen so etwas entscheiden, sondern die Geschichte. Und die ist dabei, ihren Lauf dramatisch zu beschleunigen. Insofern können alle, die sich derweil über die täglich wiederholten Phrasen aus einem langweiligen Wahlkampf beklagen, sehr schnell erlöst werden, denn alles das ist schon ab kommenden Montag Makulatur. Ob sich etwas an dem Zustand ändert, wie in den letzten Jahren regiert wurde, ist zweifelhaft. Was fehlt, und zwar überall, ist der Wille, den harten Realitäten ins Auge zu sehen und daraus eine Strategie abzuleiten, die den Modus des Auf-Sicht-Fahrens hinter sich lässt. Neben der Verdrängung der essenziellen Themen von Krieg und Frieden im Innern wie im Äußeren ist man sich in einem Punkt allerdings einig: Wenn es schief läuft, dann waren es immer die anderen.   

Die Chinesen, die so gern und eifrig Goethe lesen, kennen selbstverständlich auch Konfuzius. Unter anderem lehrte der, dass eine unstete, brüchige und fragwürdige Lebensführung des Individuums in Summe zum Chaos im Gemeinwesen führt. Und ist auch der Mephistopheles aus besagtem Faust ein Begriff: 

„Ich bin ein Teil von jener Kraft, 

Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. … 

Ich bin der Geist, der stets verneint! 

Und das mit Recht, denn alles, was entsteht, 

Ist wert, dass es zugrunde geht; 

Drum besser wär´s, dass nichts entstünde. 

So ist denn alles, was ihr Sünde, 

Zerstörung, kurz das Böse nennt, 

Mein eigentliche Element.“

Aber was soll’s! Wir haben Ulf Röller und Maybrit Illner! Wird schon gut gehen.