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Zum Synonym von EU und NATO

Vielleicht können sich manche, bei denen die verordnete Generalamnesie noch nicht wirkt, daran erinnern, wann die Ukraine zu eine „Causa“ wurde. Damals wurde zwischen dem gewählten Präsidenten Janukowitsch und der EU darüber verhandelt, ob die Ukraine der EU betreten könne. Seitens der EU wurde nicht nur diese Avance begrüßt, sondern auch mit einem Junktim verbunden: Wenn EU, dann auch NATO. Das war ein Paket, das für die bis dahin noch betrachtende russische Seite eine nicht hinnehmbare Option darstellte und prompt wurde Janukowitsch nach Moskau zitiert und ihm Moskaus Position dargelegt. Danach nahm er von dem Ansinnen Abstand und dann überschlugen sich die Ereignisse. Auf dem Kiewer Maidan versammelte sich die Opposition, vor der selbst amerikanische Senatoren sprachen. Janukowitsch floh, es gab einen Regime-Change und die bis heute wirkenden Verwerfungen.

Was damals wie ein Fauxpas aussah, nämlich das Junktim von EU- und NATO-Beitritt, hat sich zu einer stabilen Größe etabliert. In den Interviews der heutigen bundesrepublikanischen Verteidigungsministerin werden die Begriffe gar synonym benutzt. Für sie ist die EU gleich NATO und die NATO gleich EU. Man könnte das als die Begriffsverwirrung einer einzelnen Person abtun, wäre da nicht die konkrete, von dem leitenden Personal der EU betriebene Politik. Diese nämlich zementiert  nicht nur de semantische Fusion von EU und NATO, sondern sie dokumentiert sehr eindringlich, dass die EU sich als politischer Arm der NATO versteht, in dem sie simultan zu den Wellen von Waffenlieferungen Sanktionen gegen die ausgemachten Feinde verhängen. Schaut man genau hin, dann hat sich die EU mit dieser Richtungsentscheidung zu einer Vollstreckerin geostrategischen Entscheidungen der USA entwickelt.

Der Grundgedanke der EU lag in dem auch von Churchill (!) formulierten Versuch, die ehemaligen europäischen Kriegsparteien zu einer Interessengemeinschaft zu formen und damit die Basis für einen nachhaltigen Frieden zu schaffen. Dass dazu auch damals schon nicht die damalige Sowjetunion gehörte, verstand sich von selbst. Die Ursprünge der EU lagen im Feld der wirtschaftlichen Kooperation zu gegenteiligem Vorteil. Das machte sie zunehmend attraktiv und sorgte für Zulauf. Erst im Laufe der Jahre erwies sich diese Entwicklung als kritisch, als sich abzeichnete, dass dominierende Mitglieder immer mehr exklusiv ihren Absatzmarkt darin erkannten und durch eine fragwürdige Kreditpolitik zunächst Nachfrage schufen, und dann die Schuldnerländer zum Abbau ihrer Sozialsysteme zwangen. Dieser Zustand, der die EU in 21. Jahrhundert bereits kennzeichnete, bekommt nun durch die Militarisierung und die Dominanz geostartegischer Aspekte den wahrscheinlich letalen Stoß. 

Indem Ländern wie der Ukraine, ihrerseits bereits vor der russischen Intervention ein Failed State, im Korruptionsranking führend, in der Beschädigung bürgerlicher Grundrechte führend, in ethnischer Diskriminierung führend und in der Privatisierung des staatlichen Gewaltmonopols führend, die nun nach dem Wunsch der deutschen Kommissionspräsidentin aus politischen Motiven möglichst schnell in die EU aufgenommen werden soll und dem kongenialen Vorschlag von Außenministerin Baerbock, das Gleiche mit dem Kosovo zu tun, erhielte das bereits fragile Gebilde zwei mächtige mafiöse Injektionen.

Es geht schon lange nicht mehr darum, sich über die Hemmungslosigkeit, mit der eine Kriminalisierung der staatlichen und politischen Institutionen betrieben wird, zu entsetzen. Das tägliche Journal dokumentiert, dass es sich dabei nicht um eine Verirrung, sondern um ein System handelt. Dieses System, das momentan besonders von deutscher Hand betrieben wird, sollte auch von dieser Seite zu Fall gebracht werden. Das wäre ein gelungener Beitrag zur Rehabilitation eines bereits gründlich geschädigten Rufes.

Alles richtig gemacht!?

In anderen europäischen Kapitalen hat sich die Erkenntnis bereits durchgesetzt: die jetzige Situation dokumentiert das komplette Scheitern der westlichen Außenpolitik und man spricht davon, dass es sich bei der Ukraine um einen failed state handelt. Im Hinblick auf andere, gar nicht so weit zurückliegende Ereignisse, lässt sich die erste Einschätzung nur unterstreichen: Afghanistan, Syrien, Irak und Libyen sind auch kein Renommee für das, was man als von den USA administrierte und von den meisten EU-Staaten unterstützte Unterfangen einer gemeinsamen Außenpolitik bezeichnen müsste. Alles endete im Desaster. Da gibt es nichts schön zu reden. In solchen Fällen ist es Zeit, alles auf den Tisch zu legen und zu analysieren, wo die Fehler liegen, auszutarieren, welche Optionen man hat und sich schleunigst daran zu machen, sich von einer Strategie zu verabschieden, die notwendigerweise von einer Niederlage zur anderen führt.

Nur soviel: Es sieht nicht danach aus, als würde sich etwas ändern. Die alten Feindbilder werden weiter bedient, ja, man steigert sich noch weiter in die Schuldzuweisungen Richtung Gegenüber  und Feind, um von der eigenen Unzulänglichkeit abzulenken. Das Entree für eine gute Analyse ist die Erkenntnis, dass man sich schleunigst von den Ideen und Menschen trennt, die ein Desaster nach dem anderen aktiv mit gestaltet haben. Betrachtet man den Diskurs, der angesichts des Ukraine-Krieges in den Fernseh- und Rundfunkanstalten wie in den Parlamenten geführt wird, so stehen nach wie vor die alten Quacksalber am Pult, oder sie sitzen gleich rostigen Patronenhülsen in den Talk Shows und drehen an der Eskalationsschraube, als gäbe es kein Morgen mehr. 

Wenn  ein Fußballtrainer, wie jüngst der Katalane Pep Guardiola, mit seiner Analyse der politischen Ereignisse fieberhaft in den sozialen Netzen weitergereicht wird, weil er es auf den Punkt brachte und man von den eigenen Parlamentariern und den Chefpropagandisten aus der Medienbranche nur noch Schuldzuweisungen an andere und das Mantra der Eskalation hört, sprach der Mann auf einer Pressekonferenz aus, was naheliegt: Politiker haben so etwas wie jetzt zu verhindern und wenn es ihnen nicht gelingt, haben sie versagt. Und: es geht nie um Land, Fahne oder Werte, es geht immer um Geld und Macht. 

Ja, die Replik der Bankrotteure hallt bereits durch den Raum: purer Populismus. Und die Ignorierung des Aspektes, dass man es eben mit bösen Autokraten zu tun habe. Ersteres ist falsch, denn die Wahrheit gebärdet ihre ganze Schönheit, wenn sie sich schlicht zu sehen gibt. Zweites stimmt, die Autokraten handeln wie das ihre Art ist, und das ist alles andere als schön. Aber es ist tödlich zu glauben, man könne ihnen ohne Pause auf der Nase herumtanzen und sie provozieren, ohne dass sie nicht irgendwann dann doch ihr wahres Gesicht zeigen. Die naive wie arrogante Missionsrhetorik, die die Diplomatie abgelöst hat, ist mitverantwortlich für das Desaster.   Zudem wurde durch die Erhebung doppelter Standards zu einer der wichtigsten Argumentationsketten alles zertrümmert, was zur Glaubwürdigkeit von Regierungshandeln beiträgt. 

Dass Apologeten, d.h. wilde Verfechter der eigenen Position, in der Regel nicht zur kritischen Selbstanalyse fähig sind, ist genauso bekannt wie ihr Unvermögen, die tatsächlichen Fähigkeiten, Ressourcen wie Schwachpunkte des Gegenübers zu beschreiben und zu bewerten. Der Verfechter begnügt sich mit dem platten Feindbild. 

Da kommt die Sehnsucht nach ein bißchen mehr Weisheit auf:

„Ein Streit ist keine Unterhaltung.“ (russisches Sprichwort)

„Kennst du deine Feinde, kennst du dich selbst, hundert Schlachten ohne Niederlage“. (Chinesische Weisheit)

Sie verstehen, was ich meine?