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Ein gemeucheltes Bündnis und ein verzocktes Europa

Wenn nicht alles so traurig wäre! Da geht eine Szene aus dem Oval Office viral, bei der ein amerikanischer Präsident einem ukrainischen Gast die Leviten liest. Und das kollektive Europa fällt vor Entsetzen in Ohnmacht. Das, worum es dort ging, hat in der Tat sehr viel mit Europa, dem amerikanisch-europäischen Verhältnis und dem momentan in der Ukraine vonstatten gehenden Krieg zu tun. Und das Entsetzen, das sich breit gemacht hat, beruht exklusiv auf einem Umstand: das auf beiden Seiten des Atlantiks gepflegte Narrativ vom völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine wird geschreddert. Man sollte bedenken, dass die Demontage des Narrativs, das aus den Federn amerikanischer Demokraten entspringt, wird in weiten Teilen der Welt begrüßt. Das, was der hierzulande als Satan bezeichnete amerikanische Präsident Trump dort zum besten gegeben hat, sind keine Fake News. Der Krieg hat eine Vorgeschichte und die Ursachen liegen auch in dem durchaus planmäßigen Vorgehen der NATO. Und, was viele am meisten entsetzt, Trump will dem Morden auf beiden Seiten ein Ende bereiten. Nicht aus philanthropischen Motiven, sondern aus Interesse.

Bevor das Urteil blitzschnell und blank geputzt auf dem Tisch liegt, möge noch der Verweis auf ein kurz nach dem Eklat durchgeführtes Interview des Nachrichtensenders CNN mit dem us-amerikanischen Außenminister Marco Rubio erlaubt sein, (https://youtu.be/P4MzGljlpr8), in dem nicht nur erklärt wird, was den Szenen vorausgegangen ist, sondern einem von Kenntnissen über das Wesen von Diplomatie entwöhnten Publikum dargelegt wird, was zu tun ist, um Konfliktparteien mit der Bereitschaft zur Verhandlung an einen Tisch zu bekommen. Das mag im ideologisch und mental verseuchten Deutschland besonders schwerfallen. Aber, so Rubio, auch im Verweis auf Selenskys Auftritt, mit der Beschimpfung der anderen Konfliktpartei sinkt die Wahrscheinlichkeit der Verhandlungsbereitschaft genauso wie mit dem Präsentieren eines Katalogs von Bedingungen. Alles dies, so Rubio, kann erst zur Sprache kommen, wenn die Konfliktparteien am Tisch Platz genommen haben. Nach einer teuflischen Finte klingt das nicht, sondern es entspricht der Erfahrung derer, die derartige Verhandlungen bereits erfolgreich geführt haben. Und, um es so deutlich zu sagen, ob es sich um südamerikanische Viehhändler, chinesische Kaufleute oder französische Industrielle handelt. Sie wissen alle, wie so etwas geht.   Nur im deutschen diplomatischen Chor schlagen solche Banalitäten wie der Blitz ein. 

Es sei, wie bei der Sequenz des Disputs zwischen Trump und Selensky und genauso wie bei dem Rubio-Interview geraten, sich alles anzusehen und sich nicht auf die öffentliche Berichterstattung zu verlassen. Die ist nämlich seit langem schäbige Partei. Man höre sich die Rede von Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz an und beobachte, was daraus gemacht wurde. Dann wird deutlich, was mit dem Vorwurf gemeint ist.

Während die mediale und politische Gesellschaft kocht und die abgewählte, aber noch im Amt wütende Kriegströte von Außenministerin von Ruchlosigkeit spricht, weil alles, was auf Frieden abzielt, ihrer regelbasierten Weltordnung nicht entspricht, sei noch einmal auf eine analoge Situation im Weißen Haus verwiesen. Da stand der deutsche Bundeskanzler neben dem damaligen us-amerikanischen Präsidenten Biden und hörte sich mit einem verlegenen Lächeln an, wie dieser ankündigte, wenn nötig, die deutsche kritische Infrastruktur in der Ostsee zu zerstören.  Der starke Mann des Bündnisses verkündete einen Terrorakt gegen ein anderes Mitglied, der letztendlich auch stattfand und wiederum bei anderen Bündnispartnern Jubel auslöste. Was wäre dort wohl passiert, wenn Scholz als Kanzler der Deutschen Flagge gezeigt hätte?

Aber, ich weiß, derartige Demütigungen und Zumutungen werden kollektiv verschwiegen. Und wenn sich die Traumatisierung irgendwann in roher Gewalt Bahn bricht, kann es wieder keiner erklären oder irgendein Teufel aus dem Ural hat alles gesteuert. Das Bündnis, das nun als bedroht angesehen wird, wurde damals gemeuchelt. Von Joe Biden. Aber der gehört ja zu den Guten. Und das freie Europa? Es hat sich verzockt. Was bleibt, ist eine große Hirnleere und eine Unmenge Hass. Hausgemacht! Garantiert!

G 7: Kriegsrat im Friedenssaal

Seit dem Amtsantritt der Außenministerin wurde von vielen Seiten über ihre eigene Formulierung gespottet, sie käme aus dem Völkerrecht. Die Kritik bezog sich sowohl auf den undurchsichtigen Studienabschluss als auch auf die zweifelhafte, weil auf Doppelstandards basierende Auslegung des Völkerrechts durch die Ministerin. Nun, nach einem Jahr der Amtsführung, muss festgestellt werden, dass die Polemik berechtigt war. Zudem ist festzuhalten, dass ihr Verständnis des Völkerrechts Zweifel darüber zulässt, ob sie es überhaupt verstanden hat. Die Beantwortung dieser Frage ist jedoch unerheblich, denn entscheidend ist immer, was als praktische Folge des Handelns bleibt.

Als diesjährige Gastgebein des G 7-Gipfels hat die Außenministerin nun die Stadt Münster mit dem expliziten Verweis auf den dortigen Friedenssaal ausgewählt. Dort wurde, nach zweijährigen zähen Verhandlungen, der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648) zu einem Ende gebracht. Nachdem sich die europäischen Großmächte und unzählige Kleinstaaten in ständig wechselnden Koalitionen und unter unterschiedlichen Motiven in einem immer wieder aufflackernden und brutal geführten Krieg kollektiv herunter gewirtschaftet hatten, beschloss man etwas, das sich hinterher in der internationalen Literatur als die Westfälische Ordnung etabliert hatte. Waren die Motive für den europäischen Krieg geprägt von imperialen, wirtschaftlichen, religiösen und ethnischen Aspekten, so beschloss man, in Zukunft miteinander umzugehen nach den Prinzipien der Nichteinmischung aus eben diesen Erkenntnissen. The Westfalian Order hieß, sich auf Augenhöhe als ebenbürtige Verhandlungspartner zu begegnen und sich nicht in die jeweils inneren Angelegenheiten der anderen Parteien einzumischen. Damit war der Grundstein der modernen Diplomatie und des Völkerrechts gelegt. 

Aus heutiger Sicht kann bestätigt werden, dass trotz zweier Weltkriege und den damit verbundenen Verheerungen die Prinzipien des aus dem Westfälischen Frieden resultierenden Völkerrechts zumindest normativ bis zum Ende des Kalten Krieges 1989/90 Bestand hatten und seitdem nicht mehr geachtet wurden. Die Zustände, die den Dreißigjährigen Krieg so in die Länge gezogen hatten, wurden Stück für Stück wieder zurückgeholt. Einmischung in die inneren Angelegenheiten vor allem von Staaten mit anderen Interessen wurden zur Normalität, die wahllose Adaption von Gesprächspartnern, die nach eigenen Interessen willkürliche Anerkennung von „legitimen“ Vertretern, die rhetorische Etablierung doppelter Standards und die Liquidierung einer stillen, hinter den Kulissen arbeitenden Diplomatie sind das Werk einer gesinnungsethischen Auffassung von Politik.

Dass Deutschland und seine vor Gesinnungsethik strotzende Außenministerin nun als Gastgeber des G 7-Gipfels ausgerechnet den Ort des Westfälischen Friedens ausgewählt hat, dokumentiert den politischen Zustand des Gastgeberlandes sehr gut, mehr aber auch nicht. Die Agenda, die beladen ist mit Themen wie der militärischen Unterstützung der Ukraine, mit Sanktionsvorhaben gegen den Iran und mit einer mentalen Mobilmachung gegen China würde sich eignen für die Wolfsschanze (eine Leserin schlug bereits den Berliner Sportpalast vor!) aber nicht für den Friedenssaal zu Münster. Nähme man die historische Vorlage ernst, so würde man sich dort treffen, um über Initiativen zu beraten, wie mit diplomatischen und friedlichen Mitteln heiße Kriege zu beenden und weitere kalte Kriege zu vermeiden sind.

Davon ist in den vorbereitenden Einlassungen der Gastgeberin nichts zu lesen. Ganz im Gegenteil, sie verfestigt das Bild einer eingeschworenen Militaristin, einer Produzentin von Feindbildern, einer Verharmlosung krimineller Taten von Partnern aus der eigenen politischen Allianz und einer das Völkerrecht mit jeder Handlung missachtenden Politikerin. Die Zeitenwende hat tatsächlich stattgefunden: Deutschland lädt ein zum Kriegsrat im Friedenssaal.