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Die Krise bleibt, der Sommer kommt

Es bleibt dabei: Krisen haben auch etwas Gutes. Wenn das Gelobte darin besteht, zu schmerzhaften Erkenntnissen zu gelangen, klingt das zwar frivol, aber ändern tut es nichts. Wir sehen Manches, das vorher schon da war, aber irgendwie unter der Oberfläche schlummerte. Oder es schien nie so wichtig, als dass es hätte thematisiert werden müssen. Nun, im Augenblick der Krise, kommt alles ins Brennglas. Plötzlich erscheint vieles von dem, was schon lange in seiner Form so existiert, auf keinen Fall mehr tragbar, weil brandgefährlich, oder einfach schreiend ungerecht oder schlichtweg unentschuldbar vernachlässigt, oder auch strunz dumm, zum Schämen strunz dumm.

Um mit Letzterem zu beginnen: Dass man hierzulande Politikerinnen und Politiker kaufen kann, ist keine neue Erkenntnis. Das war schon immer so und ist ein Systemfehler. Ein politisches System allerdings, dass das duldet und dagegen nichts unternimmt, darf sich nicht wundern, wenn sich allein aufgrund der Käuflichkeit irgendwann die Systemfrage stellt. Dass es nun, in der Krise, so aufschlägt, hat einerseits mit der tatsächlich wachsenden Not vieler Menschen in diesem Land zu tun und andererseits beschreibt es gleichzeitig die Frivolität einer nachwachsenden, nahezu identisch sozialisierten Politikergeneration. 

Der stolze Kranich, so die Medien, soll wieder fliegen. Die staatliche Subvention mit den zweifachen Mitteln des Unternehmenswertes lässt aufhorchen. Was macht ein Unternehmen, das im Service den Charme einer früheren DDR-Grenzpatrouille versprüht und beim Preis eher an einen Escort-Service erinnert, so wichtig? Die gesamte Kulturindustrie, in der ca. zwei Millionen Menschen beschäftigt sind und die erheblich zum Bruttosozialprodukt wie zum gesellschaftlichen Wohlbefinden beiträgt, wurde dagegen restriktiv abgespeist und den Hunden zum Fraß vorgeworfen. Es wird sich zeigen, was Relevanz ist. Es existieren nämlich zwei: eine des Systems und eine der Gesellschaft. Glücklich sind die Zeiten zu nennen, in denen beide identisch sind. Im Moment klaffen sie eher auseinander.

In Stuttgart tobte der Mob. Wenn das staatliche Gewaltmonopol durch praktisches Handeln in Frage gestellt wird, dann kann getrost von einer gefährlichen Krise gesprochen werden. Nachrichten aus Ländern, die uns in der jüngeren Geschichte nahe standen, Frankreich und den USA, in denen diese Frage auf der Tagesordnung steht, kamen hier erst gar nicht an. Wer fürchtet, dass ein Funke überspringen kann, tut alles, um dieses zu vermeiden. Und dann kam es doch, allerdings ohne jedes politische Motiv, sondern, sagen wir es einmal eher in soziologischer Terminologie, aus mangelnder gesellschaftlicher Kohärenz. Der mentale Zusammenhang der Gesellschaft scheint, wie nicht nur die Randale in Stuttgart dokumentiert, nicht mehr gegeben. Von allen, deren Geschäft die Politik ist, wurden, bis auf Ausnahme der ewigen, auf den Sündenbock setzenden Hetzern, keine Erklärungen abgegeben. Sie konnten es nicht, dafür verurteilten sie das Geschehene unisono. Das kann man machen, schafft aber bei denen, die aus dem mentalen Zusammenhalt bereits entflogen sind, keine neue Basis. Es ist nicht einfach, aber so einfach, wie es viele aus dem politischen Gewerbe darstellen, ist es auch nicht.

Kommen wir zur Terminologie der Straße: Schweinepest, Schweinesystem, Schweinerei. Was sich, im Kontext der Infektionskrise, aus dem Ostwestfälischen offenbart, ist das System aktueller Sklaverei, das nicht nur den von seinem eigenen Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 7 Milliarden Euro als Familienunternehmen faselnden Mann zum Skandal macht, sondern alle. Alle haben es gewusst, die Täter, die Behörden, die Gewerkschaften. Das Fleisch auf dem Tisch, an dem sich die Gesellschaft delektiert, kommt aus der Sklavenwirtschaft. Und diese wird erst thematisiert, wenn Infektionsgefahr auf den Rest des Volkskörpers übergeht. Die Krise zeigt, es gibt noch einen gesellschaftlichen Konsens. Dass dieser sich auf eine Schweinerei bezieht, macht es nicht appetitlicher.

Die Krise bleibt, der Sommer kommt. Für wen wird es der letzte sein?  

Football Leaks: Macht euch vom Acker, Freunde!

Es gibt Akteure in unserem Leben, über die wir uns immer wieder ärgern, egal, was passiert. Ob es sich um Personen, Institutionen oder Organisationen handelt, ist unerheblich. Sie gehören einfach dazu und immer, wenn sich etwas ereignet, sind sie dabei und gießen trübes Wasser in den schönen Wein. Das ist ihre Rolle. Dem werden sie gerecht. Manchmal stellt sich die Frage, wie das Leben wohl ohne sie wäre und die Betrachtung, dass dann vielleicht etwas fehlen würde, keimt zuweilen auf. Vielleicht brauchen wir den Drecksack in unserem Dasein, der im kritischen Fall den Unmut auf sich zieht und uns selbst etwas entlastet. Ab und zu, aber selten, sorgt diese Instanz dann aber selbst dafür, dass es einfach nicht mehr weiter geht. Dann ist der Bogen überspannt, das Fass übergelaufen und die Duldsamkeit an ihrem Ende. Dann hilft nur noch ein kalter Schnitt, auch wenn das Blut spritzt, denn alle sind sich einig, dass die Operation vonnöten ist, weil ansonsten die ganze Gemeinschaft in ihrem Selbstwert derartig ramponiert ist, dass sie sich den sprichwörtlichen Blick in den Spielegel selbst nicht mehr zumuten könnte.

Im Fußball ist diese Erscheinung der FC Bayern München. Bereits heute erscheint er als Legende, ungezählte Titel füllen die Vitrinen, und sein heutiges Bild wird gesäumt von journalistischen Termini, die unangebracht sind und schon lange den Verdacht des unverstellten Menschenverstandes hätte auf den Plan rufen müssen. Da wird, wenn die Truppe auf dem Platz agiert, von einer Machtdemonstration gesprochen, selbstverständlich ist jede Aktion Weltklasse und insgesamt geht es nur um die Dominanz. 

Der FC Bayern ist ein Staatsverein, in dem sich die Nomenklatura aus Politik, Wirtschaft und Showgeschäft zusammengefunden hat. Er ist ein Abbild der Münchner politischen Verhältnisse, die schon immer skurril waren und in denen Monopolismus und Intransparenz eine lange Tradition haben. Sein Top Management besteht seit Jahren aus ehemaligen Fußballprofis, bei denen sich die Symptome von narzisstischer Störung und die Geldgier des ehemaligen Underdogs wunderbar komplettieren. Dass dort nach einer letztmaligen Konkurrenzsituation der Wille zum ungebrochenen Monopol wieder aufkam und zumindest zeitweilig erreicht wurde, zeigt, wie sehr persönlich und speziell die Motive des eigenen Handelns beschaffen sind.

Dass nun unter dem spektakulären Titel Football Leaks die Pläne bekannt wurden, die europäischen Top Clubs aus der UEFA herauszulösen und in einer eigenen europäischen Liga quasi zu privatisieren, passt voll in die Zeit. Auch in der Politik erleben wir das letzte, vielleicht entscheidende Gefecht des Neoliberalismus. Da geht es schlichtweg nur noch um privaten Reichtum oder Gemeinwesen. Insofern steht der Fußball wieder auf dem Sockel des Kollektivsymbols. Die Befindlichkeit der existierenden internationalen Fußballverbände ist dabei keine Werbung für das Bestehende. Auch dort haben Korruption und Bereicherung seit langer Zeit um sich gegriffen. 

Als Fazit könnte gelten werden, dass die genannten Akteure dazu beigetragen haben, den Fußball zu einem Event zu pervertieren, das seltsamerweise die Realität gut widerspiegelt. Es ist die pervertierte Gesellschaft, deren Zweck bei der privaten Bereicherung beginnt und auch wieder endet. Angesichts der jetzigen Pläne einer erneuten Privatisierung und Vermarktung ist es folgerichtig, dem Tross alles Gute zu wünschen und sich schlicht von dem Gewese abzuwenden. Macht euch vom Acker, Freunde, für einen guten Kick bedarf es eines Balles und eines kleinen Stück Feldes, und eure Arenen, Zirkusartisten, Advokaten, Leibärzte und journalistischen Spaßvögel steckt euch an euer blankes Haupt. Das Spiel ist aus!